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Bewegung hilft Achtung Sperrfrist Körperliche Aktivität kann Alzheimer-Ausprägung verlangsamen

Bewegung mindert das Alzheimer-Risiko. Neue Daten zeigen nun: Sie nützt auch dann noch, wenn es bereits schädliche Ablagerungen im Gehirn gibt.

Von dpa 03.11.2025, 17:02
Bei körperlich aktiven Menschen mit präklinischem - also noch symptomlosem - Alzheimer wurde ein geringerer kognitiver Abbau als bei körperlich inaktiven erfasst. (Symbolbild)
Bei körperlich aktiven Menschen mit präklinischem - also noch symptomlosem - Alzheimer wurde ein geringerer kognitiver Abbau als bei körperlich inaktiven erfasst. (Symbolbild) Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Boston - Schon einige Tausend Schritte täglich können einer Studie zufolge dazu führen, dass eine Alzheimer-Erkrankung langsamer voranschreitet. Die Analyse zeige erstmals Effekte bei Menschen, die bereits Alzheimer-typische Veränderungen im Gehirn haben, sagte Emrah Düzel vom Universitätsklinikum Magdeburg, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. „Hier scheint körperliche Aktivität die Ausbreitung dieser Veränderungen über Jahre hinweg zu verlangsamen und in Verbindung damit die mentale Leistungsfähigkeit zu schützen.“

In Deutschland sind etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen. Die Ursachen der Erkrankung, bei der Nervenzellen nach und nach absterben, sind noch nicht im Detail geklärt. Bekannt ist, dass unter anderem Diabetes, Schlafstörungen und Depressionen zu den Risikofaktoren zählen.

Körperlich aktive Menschen bekommen langsamer Symptome

Bei körperlich aktiven Menschen mit präklinischem - also noch symptomlosem - Alzheimer wurde nun unter anderem ein geringerer kognitiver Abbau als bei körperlich inaktiven erfasst. Bereits 3.000 Schritte am Tag können demnach dazu beitragen, dass sich im Gehirn weniger schnell schädigende Tau-Proteinklumpen ansammeln. Einen noch größeren Effekt haben 5.000 bis 7.500 Schritte, wie das Team um Wai-Ying Wendy Yau vom Mass General Brigham in Boston im Fachjournal „Nature Medicine“ berichtet.

Die Ergebnisse bestätigten, dass Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Alzheimer ist, sagte Düzel, Direktor des Instituts für kognitive Neurologie und Demenzforschung des Klinikums. Generell könnten körperlich aktive ältere Menschen ihre Hirnsubstanz besser erhalten als körperlich inaktive.

Navigieren, orientieren, interagieren - all das hat Effekte

Zum Mechanismus dahinter lasse sich aus der Studie nichts ableiten. Als Effekt komme zum Beispiel infrage, dass regelmäßiges Gehen die Kognition trainiert: „Die Personen müssen navigieren, sich orientieren und mit Ihrer Umgebung interagieren.“ Trainiert werde zudem die kardiovaskuläre Gesundheit. Schließlich würden bei erhöhter körperlicher Aktivität eine Reihe blutgebundener Wachstums- und Schutzfaktoren freigesetzt, die sich positiv auf das Gehirn auswirken und die Ausbreitung von Tau verlangsamen könnten.

Für die Studie wurden bei rund 300 älteren Erwachsenen die kognitiven Fähigkeiten sowie das Vorkommen von Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Gehirn zu Beginn und danach mehrfach erneut erfasst. 88 der Probanden wiesen anfangs eine präklinische Alzheimer-Demenz auf: Sie hatten noch keine Symptome, aber schon eine erhöhte Belastung mit Beta-Amyloid-Plaques. Zu Beginn wurde die Zahl täglich gelaufener Schritte gemessen, eine langfristige Erfassung der sportlichen Aktivität erfolgte nicht.

Die Daten zeigten, dass sich das Tau-Protein, ein Marker des Voranschreitens der Erkrankung, bei körperlich aktiveren Menschen langsamer im Gehirn anreicherte - was den teils um mehrere Jahre verzögerten kognitiven Abbau erklärt. Menschen in der Frühphase einer Alzheimer-Erkrankung können den weiteren Verlauf also deutlich verlangsamen, indem sie sich regelmäßig viel bewegen. „Jeder Schritt zählt – und selbst kleine Steigerungen der täglichen Aktivitäten können sich im Laufe der Zeit zu nachhaltigen Veränderungen der Gewohnheiten und der Gesundheit summieren“, so Yau.

Ein Manko der Studie sei, dass die Schrittzahl nur einmal zu Beginn erfasst wurde, sagte Düzel. „Wir wissen wenig darüber, wie viel sich die Teilnehmer in den Folgejahren der Studie bewegt haben.“ Rieke Trumpf von der Deutschen Sporthochschule Köln betonte, dass die Studie keine Ursache-Wirkung-Beziehung belege. „Das heißt, andere – nicht oder unvollständig gemessene – Faktoren könnten mitwirken, zum Beispiel Bildung, Gesundheit und Lebensstil. Und es ist möglich, dass sehr frühe Krankheitsprozesse die Aktivität bereits senken.“

Mehr hilft vermutlich mehr 

Die Ableitung der Forschenden, dass es oberhalb einer Schrittzahl von 5.000 bis 7.000 kaum weitere Verbesserung gebe, sei mit Vorsicht zu interpretieren, sagte Düzel. „Ich würde auf keinen Fall schlussfolgern, dass mehr Bewegung nicht notwendig ist.“ Intensive körperliche Aktivität wie Joggen oder Tanzen könne mit großer Wahrscheinlichkeit zusätzliche Effekte auslösen. 

Anzunehmen sei auch, dass zusätzliche Faktoren relevant waren. „Zum Beispiel kann neben der körperlichen Aktivität die Tatsache eine Rolle spielen, dass eine erhöhte Schrittzahl einen kognitiv aktiveren Lebensstil mit sich bringt“, erklärte Düzel. „Spazierengehen braucht Planung, Orientierung, Gedächtnis und eine Reihe anderer kognitiver Faktoren.“

Raus auf Erkundungsgang

Der Mediziner rät, sich die Ergebnisse zu Herzen zu nehmen und mindestens 5.000 bis 7.000 Schritte am Tag zu gehen. Die Spaziergänge sollten dabei möglichst mit dem Erkunden der Umgebung - und gern auch neuer Umgebungen - verbunden werden. Eine Reihe von Sportarten wie Radfahren, Tanzen oder Joggen könnten aufgrund ihrer Intensität und der Stimulation des Gehirns zusätzliche Effekte haben.

„Wichtig ist, dass körperliche Aktivität regelmäßig und individuell passend erfolgt – also in einer Form, die Freude macht und gut in den Alltag integrierbar ist“, ergänzte René Thyrian vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Greifswald. Zu berücksichtigen sei zudem, dass Bewegung ein wichtiger, aber nicht der einzige Baustein zur Förderung der Gehirngesundheit ist - schützend wirkten sich auch Lebensstilfaktoren wie geistige Aktivität, soziale Aktivität, wenig Alkoholkonsum und gesunde Ernährung aus.