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Verfassungsschutz AfD als rechtsextrem hochgestuft - Ministerin übergangen?

Die AfD in Brandenburg wird als gesichert rechtsextremistisch eingestuft - die Innenministerin ist ahnungslos? Die Verfassungsschutz-Affäre birgt politische Sprengkraft. Wer wusste wann was?

Von Monika Wendel, dpa Aktualisiert: 07.05.2025, 15:44
Innenministerin Katrin Lange (SPD) äußert sich verärgert: Der inzwischen entlassene Verfassungsschutzchef habe sie nicht rechtzeitig über die Hochstufung der Landes-AfD unterrichtet. (Archivbild)
Innenministerin Katrin Lange (SPD) äußert sich verärgert: Der inzwischen entlassene Verfassungsschutzchef habe sie nicht rechtzeitig über die Hochstufung der Landes-AfD unterrichtet. (Archivbild) Soeren Stache/dpa

Potsdam - Der brandenburgische Verfassungsschutz hat die Landes-AfD im April zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft - die Innenministerin wusste davon nach ihren Aussagen nichts. Sie entließ den Leiter des Verfassungsschutzes, weil sie erst am Montag - Wochen später - über die Entscheidung zur Neubewertung der AfD unterrichtet wurde, wie Lange im Innenausschuss des Landtages in Potsdam sagte. Bislang galt die Landespartei in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall. 

Die AfD bezeichnete die Hochstufung als „politische Willkür“. Die CDU-Oppositionsfraktion im Landtag hält die Darstellung der Ministerin für wenig glaubwürdig. Zudem will Lange nun selbst über besonders wichtige Beobachtungsobjekte entscheiden und tauschte eine Dienstanweisung aus - ein Schritt, der ihr schwere Vorwürfe einbringt.

Ministerin: Wurde erst drei Wochen später unterrichtet 

Die gewichtige Entscheidung der Hochstufung der AfD vom 14. April hätte Verfassungsschutzchef Jörg Müller ihr, dem Landtag und der Öffentlichkeit unverzüglich mitteilen müssen, sagte Lange. Sie sei erst am 5. Mai durch Vorlage des entsprechenden Einstufungsvermerks informiert worden.

 Lange hatte Müller am Dienstag mit sofortiger Wirkung von seiner Position entbunden. Das nötige Vertrauen sei nicht mehr vorhanden, sagte die Ministerin. 

Die Hochstufung der Landespartei durch den Verfassungsschutz erfolgte damit auch Wochen vor der am vergangenen Freitag bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, das die AfD im Bund als gesichert rechtsextremistisch einstuft. 

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der dpa: „Ich habe es auch nicht gewusst, woher sollte ich es wissen, wenn die Innenministerin nicht mal informiert war. Ich finde das schon bemerkenswert.“ Er stellte sich hinter Innenministerin Lange. „Man kann die Arbeit nur gut machen, mit einem Vertrauensverhältnis, das muss da sein, es ist die Basis der Zusammenarbeit“, sagte Woidke. 

Lange: Keine Kritik an fachlicher Einschätzung 

Warum die Innenministerin bei der Entscheidung quasi übergangen worden sein soll, blieb unklar. Müller wollte sich auf Anfrage zum Vorwurf der Ministerin nicht äußern. Der Verfassungsschutz ist in Brandenburg eine Abteilung innerhalb des Innenministeriums, keine eigenständige geheimdienstliche Behörde. 

Die SPD-Politikerin betonte, es gehe ihr nicht um die fachliche Einschätzung des Verfassungsschutzes zur AfD, sondern um den Umgang miteinander. „Die Einstufung bleibt“, sagte Lange. Sie habe jedoch seit Montag noch nicht die Zeit gehabt, den Vermerk zu lesen und sich damit auseinanderzusetzen. 

Zu den konkreten Gründen für die Hochstufung der Landespartei wurde bislang nichts bekannt. Bisher hatte der Verfassungsschutz Brandenburg einzelne AfD-Landtagsabgeordnete als rechtsextrem eingestuft. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ordnet der jeweilige Landes-Verfassungsschutz die Partei bereits als gesichert rechtsextremistisch ein. 

Dienstanweisung bei besonders wichtigen Fällen geändert 

Als Folge der jetzigen Verfassungsschutz-Affäre setzte Lange nun eine Dienstanweisung aus der Zeit des CDU-geführten Innenministeriums von 2023 außer Kraft. Diese besagt laut Ministerium, dass der Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes selbst über die Einstufung der AfD als Verdachtsfall oder gesichert rechtsextremistisch entscheidet. 

Künftig gelte wieder die Dienstanweisung von 2017, nach der bei „Beobachtungsobjekten“ von besonderer politischer Bedeutung die Innenministerin selbst die Entscheidung zur Einstufung treffe. Das sagte Lange im Landtags-Ausschuss.

CDU sieht Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes in Gefahr

Die CDU-Opposition kritisierte, die Innenministerin beschneide damit die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes. Die AfD kritisiert den Verfassungsschutz ohnehin als politisch instrumentalisiert. 

Durch die Beschneidung der Eigenständigkeit des Verfassungsschutzes liefere die Innenministerin die Behörde dem Vorwurf der politischen Einflussnahme aus, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Rainer Genilke. „Das spielt den Extremisten von links und rechts in die Hände und schwächt die Wehrhaftigkeit der Demokratie.“ 

Opposition: Hat Lange ihr Haus im Griff?

Genilke bezweifelte zudem die Darstellung Langes. Er verwies auf Medienberichte bereits vom Dezember 2024, wonach ein Gutachten zur Hochstufung der AfD in Brandenburg vorliege. Es sei absurd und entspreche nicht der Praxis, dass die Spitze des Ministeriums sich nicht mit dem Chef des Verfassungsschutzes darüber austausche, sagte Genilke. „Aber entweder hat sie an der Stelle das Haus nicht im Griff oder sie wollte es nicht hören.“ Die Linke, die nicht mehr im Landtag vertreten ist, kritisierte: „Lange macht sich mit ihrem Vorgehen zur besten Kraft der AfD im Kabinett.“ 

AfD fordert Offenlegung von Belegen für Neueinstufung 

AfD-Landesvorsitzender René Springer kritisierte: „Die Einstufung ist Teil einer bundesweiten Strategie, die stärkste Oppositionskraft auszuschalten.“ Er sprach in einer Mitteilung von „Machtmissbrauch durch die Altparteien“. Die AfD forderte die Offenlegung der Gründe für die Einstufung durch den Verfassungsschutz.