Extremismus „Compact“-Verbot vor Gericht - Urteil noch im Juni
Polemik oder verfassungsfeindlich? Zwei Tage haben die Beteiligten ihre Argumente im Verbotsverfahren gegen das rechtsextreme Magazin „Compact“ vorgetragen. Nun beraten die Bundesrichter.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig will am 24. Juni sein Urteil zum Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“ verkünden. Das gab der Vorsitzende Richter Ingo Kraft am Ende der mündlichen Verhandlung bekannt. Zwei Tage lang haben die Prozessbeteiligten sich einen Schlagabtausch geliefert dazu, ob das Verbot des Magazins gerechtfertigt ist.
Am zweiten Verhandlungstag ging es um die Deutung einzelner Aussagen. Gelten Begriffe und Passagen noch als Meinungsäußerungen und sind durch die Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt – oder sind sie verfassungsfeindlich und stellen eine konkrete Gefährdung dar?
Eine besondere Bedeutung kommt dabei auch dem Verhältnis der „Compact“-Macher zu dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner zu, der mehrfach in dem Magazin zu Wort kam. Es sei zu klären, inwieweit die Kläger sich dessen Konzept zu eigen machten - und in welcher Form, erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft.
Sellner regelmäßig Autor von „Compact“
„Sellner ist regelmäßig Autor bei "Compact", weil er uns ein junges Publikum zuführt“, erklärte „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer am zweiten Verhandlungstag vor Gericht. Er lasse andere Meinungen als seine eigene zu, mache sich aber nicht alle Inhalte von Sellner zu eigen, so der 68-Jährige. „Ich schätze Sellner als Mensch, als Charakter und halte ihn für mutig und unbestechlich. Er ist in gewisser Weise der Rudi Dutschke von rechts“. In der Praxis sei Sellner für Elsässer ein Held, dessen Theorien aber nicht.
Sellner hatte im November 2023 an dem sogenannten Potsdamer Treffen rechter Kreise teilgenommen. In die Schlagzeilen geriet das Treffen unter anderem wegen des Begriffs „Remigration“. Sellner, der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, hatte dort den Begriff verwendet. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.
Sonderausgabe für die „Geächteten“
Bei „Compact“ habe es eine Sonderausgabe nach der Veröffentlichung des Treffens gegeben, sagte Elsässer. „Aus Gründen der journalistischen Fairness haben wir uns entschlossen, den Verfemten (Geächteten) eine Stimme zu geben.“ Von dem stärksten „Compact“-Medium, dem Youtube-Kanal, habe man ihn aber ferngehalten, betonte Elsässer in seiner Schlusserklärung.
Aus Sicht des Prozessvertreters des Bundesinnenministeriums (BMI), Wolfgang Roth, ist in den Veröffentlichungen des Medienhauses keine Distanzierung zu erkennen. So sei ein Beitrag von Sellner online von „Compact“ ohne Kommentar veröffentlicht und ein Video von ihm verlinkt worden. Dadurch entstehe eine „inhaltliche Zurechenbarkeit“.
Ministerium sieht zahlreiche Belege
Das Ministerium hat auf mehr als 240 Seiten Belegstellen von Äußerungen für vorgelegt. Dabei geht es um Beispiele für die Verletzung der Menschenwürde, Verstöße gegen das Demokratieprinzip und die Rechtsstaatlichkeit sowie Rassismus und Antisemitismus. BMI-Anwalt Roth betonte vor Gericht, dass die Auswahl für die Verhandlung lediglich exemplarisch sei.
Dabei ging es beispielsweise um Begriffe oder Aussagen wie „Passdeutsche“, „Volksaustausch“, „Vernichtungsschlag gegen das deutsche Volk“ oder „Deutscher ist ein Mensch mit deutscher Herkunft“. Aus Sicht von Roth belegen diese, dass die „Compact“-Macher eine „absolute Homogenität oder eine Rettung der interkulturellen Identität des deutschen Volkes“ anstreben.
„Compact“: Polemik und einseitig
In einem Editorial aus dem Jahr 2018 hatte Elsässer geschrieben, dass „Millionen kulturfremde Barbaren ins Land geholt“ wurden. Für Roth eine „pauschale Verunglimpfung“. Elsässer bezeichnet diese Textpassage als „Ausnahme“ und „Aussetzer“. Sein Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau betonte, Elsässer rede als Journalist in Metaphern.
Elsässer und seine Ehefrau werfen dem Ministerium vor, willkürlich Textstellen zu zitieren. „Ich muss mich beschweren über die Einseitigkeit“, sagte Stephanie Elsässer. „Ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich ethnische Unterschiede mache.“ Ihre Anwälte sprachen von Polemik. Die genannten Äußerungen ließen kein „politisches Konzept erkennen, welches ein verfassungsfeindliches Ziel“ verfolge, sagte Vosgerau.
Magazin kann vorerst weiter erscheinen
Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin am 16. Juli 2024 verboten und es als „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ bezeichnet. Im Eilverfahren hatten der zuständige 6. Senat das Verbot im vergangenen Sommer vorläufig ausgesetzt, so dass das Blatt vorerst weiter erscheinen kann. Nun steht die endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren an.
Das Gericht ist in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig. Elsässer bliebe jedoch noch der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Dies hätte aber keine aufschiebende Wirkung.