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Anschlag auf Weihnachtsmarkt Der spätere Todesfahrer als reger Anzeigenerstatter bekannt

Er wird als selbstsicher beschrieben. Sein Deutsch war sehr gut. Jahre bevor er auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sechs Menschen tötete und über 300 verletzte, beschäftigte der Täter die Behörden.

Von dpa Aktualisiert: 03.11.2025, 15:26
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt hört weitere Zeugen an. (Archivbild)
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt hört weitere Zeugen an. (Archivbild) Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Magdeburg - Der spätere Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt ist Sachbearbeiterinnen der Polizei als vielfacher Anzeigenerstatter aufgefallen, der sehr fordernd auftrat. Eine 52-Jährige beschrieb im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie der Mann aus Saudi-Arabien ihr im Januar 2019 gegenübersaß: selbstsicher, glaubhaft, seine Anliegen habe er in einem sehr guten Deutsch vorgebracht. 

An ein Detail erinnerte sie sich zudem: Er habe erklärt, sich Ethanol gespritzt zu haben. Sie habe daraufhin sein Gesicht angeschaut, es habe leicht aufgedunsen gewirkt.

Er soll sich als Menschenrechtsaktivist gesehen haben

In seinen Anzeigen sei es etwa um den Verdacht auf Spionage gegangen, bestätigt habe sich das laut Landeskriminalamt später aber nicht. Gefragt nach seinen Beweggründen sagte die Sachbearbeiterin, sie fand, der Anzeigenerstatter habe sich als Menschenrechtsaktivisten gesehen. Flüchtlingshelfer habe er als Konkurrenz betrachtet. „Ich denke, er wollte so viele Frauen wie möglich aus Saudi-Arabien zur Flucht verhelfen und wollte sie allein betreuen.“ Sie vermute, er habe so ein bestimmtes Ansehen erreichen wollen. 

Der Mann aus Saudi-Arabien sei anfangs sehr sachlich gewesen, später habe sie von ihm aber einen Anruf erhalten, in dem er Frust gezeigt habe über Entscheidungen der Behörden. So etwas komme aber immer mal wieder vor.

Anzeigen mit vielen arabischen Quellen

Eine Sachbearbeiterin aus dem Polizeirevier Salzlandkreis berichtete ebenfalls von vielen Anzeigen von Taleb al-Abdulmohsen, die sie bearbeitet habe. Sie alle hätten den Bezug zu Saudi-Arabien gehabt. Es seien viele Screenshots mit Nachrichten aus sozialen Medien sowie Links zu Beiträgen auf Arabisch beigefügt gewesen. 

Er habe Personen beschuldigt, für die Regierung von Saudi-Arabien zu arbeiten. Sie habe aber nicht nachvollziehen können, welche Delikte in seitenlangen E-Mails überhaupt zur Anzeige gebracht werden sollten und habe die Vorgänge weitergeleitet, so die Sachbearbeiterin. An ihr Treffen mit dem Anzeigenerstatter erinnere sie sich nicht.

Ein Staatsanwalt hält ihn für einen „querulatorischen Vielschreiber“

Der spätere Todesfahrer erstattete auch vielfach Anzeigen gegen Polizeibedienstete und Staatsanwälte, wenn ihm deren Entscheidungen zur Einstellung der Verfahren nicht passten. Davon und von Dienstaufsichtsbeschwerden berichtete den Abgeordneten des Ausschusses ein Magdeburger Oberstaatsanwalt. Aus seiner Sicht war der Saudi-Araber ein „querulatorischer Vielschreiber“ gewesen. Die Anzeigen seien willkürlich und haltlos gewesen.

Auch eine Beamtin aus dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt wurde vom Untersuchungsausschuss befragt. Die Expertin für Spionage stieß im Frühjahr 2019 bei einer bundesweiten Erkenntnisabfrage auf diverse Anzeigen, die al-Abdulmohsen gestellt hatte. Ein Verfahren nach seiner Anzeige gegen drei Personen beim Polizeirevier Salzlandkreis wegen angeblicher Spionagetätigkeit wurde mangels Anfangsverdachts eingestellt. Stattdessen stellte die Beamtin gegen den Anzeigenerstatter eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung.

Prozessauftakt am 10. November

Kurz vor Weihnachten war der 50-Jährige, der im Maßregelvollzug in Bernburg als Arzt arbeitete, mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und mehr als 300 weitere verletzt. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen ihn soll am Montag kommender Woche beginnen. 

Im Untersuchungsausschuss war bereits herausgearbeitet worden, dass al-Abdulmohsen sehr viel Kontakt zu Behörden hatte und als sogenannter Vielschreiber eingestuft worden war.