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Geschichte Direktor: Debatte über Ort für Jugendwerk kommt zur Unzeit

Von dpa 04.08.2023, 12:26

Berlin/Wittenberg - Der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg, Christoph Maier, hat die Debatte über den Standort für das neue deutsch-israelische Jugendwerk kritisiert. „Die bilateralen Verhandlungen zwischen Deutschland und Israel sind sensibel und kommen derzeit auch aufgrund der innenpolitischen Situation in Israel nur langsam voran“, teilte Maier in einer Stellungnahme am Freitag mit. „Eine Standortdebatte in Deutschland ist der Sache nicht zuträglich und kommt für die ohnehin schwierige politische Konstellation zur Unzeit.“

Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein hatte am Mittwoch erklärt, die Lutherstadt Wittenberg sei aus seiner Sicht ungeeignet als Standort des neuen deutsch-israelischen Jugendwerks. „Eine Stadt, in der mit der 'Judensau' an der Stadtkirche Judenfeindlichkeit so offen ausgestellt wird, kann für jüdische Israelis kein Ort des Willkommens sein“, erklärte Klein. „Damit Wittenberg Sitz des Deutsch-Israelischen Jugendwerks werden kann, muss zuerst die antisemitische 'Judensau' entfernt werden.“

Direktor Christoph Maier erklärte, seine Akademie sei seit vielen Jahren in die Debatte über das judenfeindliche Relief involviert. Es gebe ein umfangreiches Bildungs- und Informationsangebot, es gebe kritische Diskussionen. „Es gibt wohl keine Stadt und keinen Ort in Deutschland, der nicht auf die eine oder andere Weise mit Antisemitismus belastet wäre“, so Maier. Das bundesweite Informations- und Servicezentrum ConAct koordiniere seit über 21 Jahren von Wittenberg aus den Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte die Gründung des Jugendwerks im September 2022 mit der damaligen israelischen Bildungsministerin Jifat Schascha-Biton verabredet. So soll der Jugendaustausch beider Länder ausgebaut werden.

In der Lutherstadt Wittenberg mit rund 45.000 Einwohnern wird seit Jahren über das mehrere Hundert Jahre alte antijüdische Schmährelief an der Stadtkirche gestritten. Klagen auf Entfernung des Bilds scheiterten bisher. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch Spitzhüte als Juden identifiziert werden sollen. Eine als Rabbiner geltende Figur hebt den Schwanz des Tieres und blickt in den After. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein.

In der Stadtkirche hatte Martin Luther (1483-1546) gepredigt, sie gilt als „Mutterkirche der Reformation“. Auch Luther steht wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik.