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Sucht Erhebliche Bedenken gegen Gesetz zur Cannabis-Legalisierung

Die Ampel-Koalition hat sich auf eine Legalisierung von Cannabis für Erwachsene mit Grenzen verständigt - und will das bald besiegeln. Aus Niedersachsen gibt es zahlreiche Warnungen.

Von dpa Aktualisiert: 16.02.2024, 13:53
Eine illegale Hanf-Plantage, entdeckt bei einer Drogenrazzia auf einem privaten Gelände.
Eine illegale Hanf-Plantage, entdeckt bei einer Drogenrazzia auf einem privaten Gelände. Patrick Pleul/dpa/Archivbild

Hannover - Kurz vor der erwarteten Abstimmung im Bundestag über das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung haben Politik und die Ärztekammer Niedersachsen vor der Umsetzung gewarnt. „Der nun vorliegende Entwurf ist Murks, denn es ist ein schlechter Kompromiss“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen sagte, die Regierungskoalition in Berlin sei gesundheitspolitisch auf „einem absoluten Irrweg.“ Kritik kam ebenfalls aus weiteren Ministerien in Hannover.

Behrens sagte, das Gesetz sei aus heutiger Sicht der Polizei nicht praxistauglich. „Das eigentliche Ziel, mit einer gesteuerten Abgabe zahlreiche Verbesserungen und Entlastungen zu erreichen, wird so in der Praxis fehlschlagen.“

Gesetz soll bald im Bundestag beschlossen werden

Der federführende Gesundheitsausschuss soll sich am nächsten Mittwoch abschließend mit den Gesetzesplänen befassen, wie aus der Tagesordnung hervorgeht. Erwartet wird, dass in der kommenden Woche dann voraussichtlich auch der Bundestag darüber abstimmt. Auf der vorläufigen Tagesordnung des Plenums stand das Thema am Freitag zunächst nicht.

Die Ampel-Koalitionsfraktionen hatten sich kürzlich auf Details einer kontrollierten Freigabe verständigt. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen der Droge sollen demnach für Volljährige ab 1. April erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Cannabis soll im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Vorgesehen sind zahlreiche Regeln und Vorgaben.

Innenministerin Behrens sagte: „Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, können wir Länder dieses auch leider nicht mehr verhindern, wenn der Bundestag es so beschließt. Wir müssen dann mit diesem problematischen und praxisfernen Gesetz arbeiten. Meiner Meinung nach müsste es einen Neustart geben.“ Aktuell habe sich die Ampel zu sehr mit dem bisherigen Entwurf verhakt und wolle jetzt mit dem Kopf durch die Wand, „statt die wesentlichen und wichtigen Hinweise der Länder und Experten ernst zu nehmen.“

Ministerin: Kontrollen für Polizei nicht umsetzbar

Probleme sieht Behrens vor allem bei den Kontrollvorschriften, sie seien sehr komplex. Die Kontrollen zu den Cannabis-Clubs seien für die Polizei und die Ordnungsbehörden überhaupt nicht praktikabel umsetzbar. Zudem bemängelt die SPD-Politikerin, dass es keine vernünftige Präventionsarbeit für Kinder und Jugendliche gebe. Damit werde ein fatales Signal gesendet. Cannabis sei keine harmlose Droge, „der Genuss kann massive Auswirkungen haben“, betonte Behrens.

Ein Sprecher des Gesundheits- und Sozialministeriums in Hannover sagte am Freitag: „Wir wissen alle, dass zu früher Konsum, intensiver Konsum, insbesondere bei Jugendlichen doch deutliche Probleme bei der Gehirnentwicklung hervorrufen kann.“ Ärztekammer-Präsidentin Wenker befürchtet, dass die Legalisierung zu mehr Suchterkrankungen in Deutschland führen wird. „Dies ist eindeutig abzulesen aus den Studien, die Legalisierungen in anderen Ländern begleitet haben.“

Möglicherweise viel Arbeit für Justiz durch das Gesetz

Weitere Bedenken hat Innenministerin Behrens bei der Sicherheit im Straßenverkehr. Hier fehle ein klares Instrument für den Nachweis des Cannabis-Konsums und damit auch eine Verfolgung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Zudem werde durch das Gesetz der Schwarzmarkt nicht ausgetrocknet, sagte Behrens.

Auch auf die Justiz könnte mit der Legalisierung viel Arbeit zukommen. Eine Sprecherin des Justizministeriums in Hannover sagte, es müssten rund 16.000 Akten im Bundesland händisch durchsucht werden. Es müsse geprüft werden, ob Inhaftierte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz im Gefängnis säßen und ob dies mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes möglicherweise nicht mehr strafbar wäre und die Häftlinge somit freikommen könnten. „Das würde die Justiz hier in Niedersachsen vor einen wirklich unglaublichen Verwaltungsaufwand stellen“, sagte die Sprecherin. Wie viele Inhaftierte davon in Niedersachsen möglicherweise profitieren würden, konnte das Ministerium noch nicht beziffern.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Detlev Schulz-Hendel sagte hingegen, mit dem Gesetz würden viele Menschen entkriminalisiert. „Natürlich ist Cannabis auch eine Droge, aber das jahrzehntelange Verbot ist völlig gescheitert.“ Es sei nicht nachvollziehbar, warum man vorwiegend wegen technischer Details das ganze Gesetz ablehne.