Attentat in Magdeburg Ex-Arbeitgeber: Magdeburg-Attentat war nicht vorhersehbar
Sechs Tote und Hunderte Verletzte wurden nach dem Attentat von Taleb al-Abdulmohsen letztes Jahr in Magdeburg gezählt. Gab es für seinen damaligen Arbeitgeber vorab Hinweise auf die Tat?

Magdeburg - Vor dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat der ehemalige Arbeitgeber des Attentäters eigenen Angaben nach keine Anhaltspunkte für die Tat gesehen. Zugleich sei der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie während seiner Arbeit immer wieder auffällig geworden, auch seine Kündigung hätte geprüft werden sollen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Das Unternehmen hätte jedoch nicht wissen können, dass Taleb al-Abdulmohsen eine solche Tat plante. „Den vorliegenden Recherchen und Bewertungen zufolge gibt es im Ergebnis keine Anhaltspunkte, dass ein mögliches Handeln der Salus gGmbH als Arbeitgeberin von Taleb A. den Anschlag hätte verhindern können“, hieß es.
Der Arzt aus Saudi-Arabien war am 20. Dezember vergangenen Jahres mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Er tötete sechs Menschen, mehr als 300 wurden zum Teil schwer verletzt. Mitte August hatte die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen-Anhalt Anklage gegen al-Abdulmohsen erhoben. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Wann der Prozess gegen ihn eröffnet wird, ist bislang unklar.
Zahlreiche Befragungen von Mitarbeitenden
Der Attentäter hatte seit März 2020 im Maßregelvollzug in Bernburg (Sachsen-Anhalt) gearbeitet. Dort werden Menschen behandelt, die wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtmittelabhängigkeit straffällig geworden sind. Im Rahmen der Untersuchung hieß es nun, al-Abdulmohsen habe dort aber keine psychotherapeutischen Behandlungen durchführen dürfen.
Die interne Sonderprüfung des Arbeitgebers wurde von drei Mitarbeitenden durchgeführt. Sie wurden demnach von einem externen Juristen begleitet und beraten. Insgesamt seien 70 Mitarbeitende befragt worden, die mit dem 50-Jährigen zusammengearbeitet haben. Außerdem seien mehr als eine Million Dateien durchsucht, zu Teilen gesichtet und überprüft worden.
Aus dem 54 Seiten lange Bericht geht hervor, dass al-Abdulmohsen über die knapp fünf Jahre, die er bei der Salus gGmbH angestellt war, immer wieder negativ aufgefallen war - unter anderem durch lange, wirre Mails, Unzuverlässigkeit und wenig Engagement.
Im Nachhinein auffällig viele Beschwerden
Während seiner Arbeit sei al-Abdulmohsen als verschlossener Einzelgänger aufgetreten, erklärte das Unternehmen weiter. Zu Kolleginnen und Kollegen habe er keine engeren Beziehungen aufgebaut. Er sei „als gleichbleibend ruhig und distanziert wahrgenommen“ worden. Im Laufe der Zeit habe er immer häufiger gefehlt. Warum - das hätte man aufklären können, schreibt ein externer Experte in dem Bericht.
Den Angaben nach wurde al-Abdulmohsen „bis zuletzt keine psychotherapeutische Behandlung zugetraut“, weil seine Tätigkeit und sein Einsatz „nicht dem durchschnittlichen Leistungsniveau“ entsprachen. Andere hätten dies ausgleichen müssen. Das habe für Unverständnis und Unmut gesorgt.
Über die Vergangenheit des Attentäters hätten die Befragten keine Details gekannt, hieß es. Während seiner Zeit in Bernburg hatte sich einer seiner Kollegen über seine Vorgesetzte an das ärztliche Direktorat gewendet, weil er befürchtete, al-Abdulmohsen könne sich selbst gefährden.
Kündigung sollte geprüft werden
Fachliche Mängel und sein Auftreten seien aber als nicht ausreichend für arbeitsrechtliche Schritte eingeschätzt worden, hieß es. In der Gesamtbetrachtung habe es jedoch im Laufe der Zeit verschiedene Sachverhalte gegeben, die „ein Tätigwerden der Salus gGmbH als Arbeitgeberin möglich gemacht hätten“ - beispielsweise Fort- und Weiterbildung, die Überprüfung fachlicher Fähigkeiten oder arbeitsrechtliche Schritte unterhalb einer Kündigung. Geplant gewesen sei, „Anfang 2025 eine personenbedingte Kündigung aufgrund seiner Fehlzeiten zu prüfen“.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Arzt aus persönlicher Frustration gehandelt habe über Unrecht, das ihm aus seiner Sicht widerfahren sei.
Arbeitgeber sieht Verbesserungspotenzial
al-Abdulmohsen wurde laut seines Arbeitgebers drei Tage nach dem Attentat in Magdeburg fristlos gekündigt. Durch den Bericht über den Attentäter habe man „wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung von Führungs-, Kommunikations- und Organisationsprozessen gewonnen und erste Maßnahmen umgesetzt oder eingeleitet“, hieß es.
Die Salus Altmark Holding (SAH), zu der auch die Salus gGmbH gehört, ist eine gemeinnützige Trägergesellschaft der Gesundheits- und Sozialwirtschaft in Sachsen-Anhalt mit 15 Standorten. Hauptgesellschafter ist das Land Sachsen-Anhalt. Das Unternehmen zählt eigenen Angaben nach insgesamt 4.200 Mitarbeitende, darunter etwa 330 Ärztinnen und Ärzte.