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Prozess wegen Raubüberfällen Festnahme nach 30 Jahren - Klette sorgt sich um ihren Hund

Ein Zielfahnder des Landeskriminalamtes Niedersachsen schildert als Zeuge, wie die Polizei die frühere RAF-Terroristin Klette fasste. Demnach war es zunächst eine Routineüberprüfung.

Von Christina Sticht, dpa Aktualisiert: 06.05.2025, 16:29
Daniela Klette trug beim Betreten des Gerichtssaals ein Palästinensertuch.
Daniela Klette trug beim Betreten des Gerichtssaals ein Palästinensertuch. Fabian Bimmer/EPA POOL via dpa/dpa

Celle - Mehr als 30 Jahre lebte Daniela Klette im Untergrund, seit 2015 versuchten niedersächsische Zielfahnder, die frühere RAF-Terroristin und ihre beiden mutmaßlichen Komplizen aufzuspüren. Gesucht wurde das Trio wegen einer Serie von Raubüberfällen, bei der mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet wurden. Als Klette am 26. Februar 2024 auf das Klopfen der Polizei hin ihre Wohnungstür in Berlin-Kreuzberg öffnete, wusste der Polizeibeamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen zunächst nicht, wer vor ihm steht. 

Für ihn habe es sich um eine routinemäßige Überprüfung nach einem Hinweis gehandelt, sagte der 42 Jahre alte Zielfahnder als Zeuge im Prozess vor dem Landgericht Verden. Erst später in der Warteschlange zur Identitätsfeststellung auf der Polizeiwache habe er geahnt, dass die grauhaarige Frau mit dem Zopf tatsächlich die gesuchte Klette sei. „Es ärgert mich selber“, sagte der Zeuge auf Nachfrage.

Klettes Identität wurde auf der Wache durch einen Fingerabdruck aufgedeckt, was dem Beamten zufolge ungewöhnlich lange dauerte. Danach sei es darum gegangen, was mit ihrem in der Wohnung zurückgelassenen Hund geschehe. Klette habe sich zudem schnell erkundigt, ob ihre Mutter noch lebe und nach ihrer Schwester gefragt. 

Vor Fahrt zur Wache: „Ich muss noch mal auf Toilette“

Vier Polizisten - zwei vom LKA und zwei Berliner Beamte - standen nachmittags am 26. Februar 2024 vor der Wohnungstür in dem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg. Die Frau, die hier unter dem Namen Claudia lebte, schloss die Tür zunächst wieder, um ihren bellenden Hund wegzusperren. „Ich komme sofort mit, ich muss noch mal auf Toilette“, habe sie vor der Abfahrt zur Polizeiwache gesagt, schilderte der Zeuge. Sie sei dann kurz im Bad verschwunden. Nach der Festnahme war bekanntgeworden, dass Klette die Gelegenheit hatte, eine Warnung abzusetzen, wie das Bundeskriminalamt bestätigte. 

Die 66-Jährige ist unter anderem wegen versuchten Mordes angeklagt, weil bei einem der Überfälle 2015 in Stuhr bei Bremen auf einen Geldtransporter geschossen wurde. Klette weist die Anklagevorwürfe zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aus Sicherheitsgründen wird nicht in Verden, sondern im Oberlandesgericht Celle verhandelt. Klette sitzt im Frauengefängnis in Vechta in Untersuchungshaft.

Ihre mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub (70) und Burkhard Garweg (56) sind auf der Flucht. Nach Medienberichten warnte Klette am Tag ihrer Festnahme ihren Komplizen Garweg. Die Ermittler konnten lediglich seinen Bauwagen auf einem Gelände in Berlin-Friedrichshain beschlagnahmen. 

Beitrag für Capoeira-Verein in bar bezahlt

Nach Darstellung des Zeugen gab es Hinweise in Zusammenhang mit einem Capoeira-Festival. Ein früheres Mitglied in dem Verein für brasilianische Tanzkunst namens Claudia sehe der gesuchten Ex-Terroristin und mutmaßlichen Räuberin ähnlich. Nach einem ersten bei der Staatsanwaltschaft Verden eingegangenen Hinweis habe er zunächst Ende 2023 eine andere Person namens Claudia überprüft, sagte der Zielfahnder. Als er einen Podcast zur Suche nach Daniela Klette gehört habe, habe er die Spur wieder aufgenommen.

„Es war Hinweis 2.000 noch was“, sagte der Polizeibeamte. Die Frau namens Claudia habe sich kooperativ verhalten - nicht anders als andere Frauen, die in der Vergangenheit überprüft worden seien. Blass geworden sei sie erst auf der Wache in der Schlange vor dem Terminal zur Identifizierung per Fingerabdruck. In ihrem italienischen Ausweis stand Claudia Bernardi. Nach der Identifizierung habe er sie mit Frau Klette angesprochen, dann sei auch erst die Festnahme erfolgt.

Ausruf: „Ich bin Daniela Klette von der RAF“

Eher überraschend sei dann ihr Ausruf gewesen. Auf dem Weg durch den Wartebereich im Polizeigebäude Kreuzberg habe sie sinngemäß gerufen: „Ich bin Daniela Klette von der RAF. Ich bin festgenommen.“ Von den dort Wartenden habe aber kaum jemand aufgeschaut. Der Zeuge meinte, dort habe nicht die Klientel gesessen, die mit diesem Satz etwas hätte anfangen können. Klette verfolgte die Zeugenvernehmung aufmerksam und äußerlich ungerührt.

Bei Durchsuchungen der Wohnung, in der Klette gelebt hatte, wurde vielfältiges Beweismaterial sichergestellt. Unter anderem fanden die Ermittler eine Panzerfaust-Attrappe, Kriegswaffen wie ein Sturmgewehr und eine Maschinenpistole, ein Kilogramm Gold sowie mehr als 240.000 Euro Bargeld. 

Klette trägt Palästinensertuch im Prozess

Zu Beginn des Prozesstages trug Klette ein Palästinensertuch und hielt kurz einen handschriftlichen Zettel mit einer Parole in Richtung Publikum. Bei einer Demonstration zum 1. Mai in Berlin hatte eine vermummte Person ein Grußwort der Ex-Terroristin verlesen. Darin wetterte sie gegen den Kapitalismus, dem „viel Abgründiges“ innewohne. Als Beispiel für ihre These nannte sie Menschenrechtsverletzungen und „Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung“ durch Israel. 

Im Zusammenhang mit Klettes mutmaßlicher Beteiligung an RAF-Anschlägen gibt es ein eigenes Ermittlungsverfahren bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die Mitgliedschaft in der RAF, die 1998 ihre Auflösung erklärte, ist inzwischen verjährt. Die linksextremistische Organisation beging mutmaßlich 34 Morde. Bis heute ist kaum eine Tat aufgeklärt.