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Nach Attacke Forderungen nach Konsequenzen aus Messerangriff

Nach der blutigen Messerattacke vom Hamburger Hauptbahnhof werden Details aus dem Leben der mutmaßlichen Täterin bekannt. Und es zeigt sich: Für die Hamburger Polizei war die Frau keine Unbekannte.

Von dpa Aktualisiert: 26.05.2025, 16:10
Drei Tage nach der Bluttat am Hamburger Hauptbahnhof werden mehr Details zur mutmaßlichen Täterin bekannt.
Drei Tage nach der Bluttat am Hamburger Hauptbahnhof werden mehr Details zur mutmaßlichen Täterin bekannt. Georg Wendt/dpa

Hamburg - Nach dem Messerangriff einer offenbar psychisch kranken Frau in Hamburg mit 18 Verletzten wird der Ruf nach Konsequenzen lauter. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte unter anderem moderne Videotechnik und mehr Polizeikräfte. Unterdessen wurde bekannt, dass die 39 Jahre alte Tatverdächtige bei der Polizei in Hamburg schon vor der Tat in Erscheinung getreten ist.

So soll die Frau im Februar auf einem Spielplatz am Hamburger Flughafen gegenüber einem Kind gewalttätig geworden sein, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Den Erkenntnissen zufolge habe sie ein sechsjähriges Mädchen an den Schultern festgehalten, geschüttelt und mit der flachen Hand auf den Oberarm geschlagen. Ein von der Polizei hinzugezogener Amtsarzt habe daraufhin die Unterbringung der 39-Jährigen in einer psychiatrischen Klinik angeordnet.

Vorfall im März

Dort sei es dann später zu einem weiteren Vorfall gekommen: So habe Anfang März eine Mitpatientin die 39-Jährige angezeigt, weil diese ihr einen Tritt gegen den Oberschenkel versetzt haben soll, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Einen Tag vor der Tat am Hauptbahnhof habe sich die Beschuldigte erneut am Flughafen aufgehalten. Dort sei sie einem Rettungsdienstmitarbeiter aufgrund von Verletzungsspuren im Gesicht aufgefallen. Dieser habe dann die Polizei informiert. 

Beschuldigte wollte vor Messerattacke nach Paris 

Gegenüber den Beamten habe die Frau angegeben, während eines Klinikaufenthalts von einem Pfleger verletzt worden zu sein. Da sie keine Strafanzeige stellen wollte und angab, noch am selben Tag nach Paris zu fliegen, habe man sie gehen lassen, sagte die Sprecherin. 

Die Verdächtige war nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums just an dem Tag aus einer Psychiatrie entlassen worden, in die sie Anfang des Monats eingewiesen worden war. Nach Auskunft der Klinik gab es zum Zeitpunkt der Entlassung keinen medizinischen Befund, der eine weitere Unterbringung gerechtfertigt hätte.

Am Tattag selbst sei sie dann erneut am Hamburger Flughafen aufgetaucht, wiederum mit der erklärten Absicht, nach Paris fliegen zu wollen. „Zu einer entsprechenden Reise kam es jedoch schon deshalb nicht, da sie sich nicht ausweisen konnte“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. 

Polizeigewerkschaft fordert bessere Abstimmung

Im Umgang mit psychisch Kranken mahnte der Vorsitzende der Deutsche Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, eine bessere Abstimmung an. So sei es „erforderlich, dass qualifizierte Gutachter die Betroffenen in kurzen Intervallen ausgiebig beurteilen und gemeinsam mit der Polizei eine Gefährdungseinschätzung vornehmen“, sagte Wendt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 

„Außerdem ist es sinnvoll, sowohl die Bestimmungen der ärztlichen Schweigepflicht als auch die Datenschutzgesetze zu reformieren, damit die Polizei vor Ort darüber informiert wird, wenn potentiell gefährliche Personen beispielsweise aus einer Psychiatrie entlassen werden“, sagte Wendt. „Die Einnahme von Medikamenten, die zu einer Reduzierung der Gefahr führen, muss engmaschig durch das ärztliche Personal begleitet werden.“

Wendt sagte zudem, an „kriminalitätsbelasteten Orten“ sei eine „moderne Anwendung von Videotechnik erforderlich, um gefährliche Situationen schon im Entstehungsprozess entdecken zu können“. Damit Polizeikräfte dann auch frühzeitig vor Ort sein könnten, forderte er „erheblich mehr Polizeikräfte, eine Entlastung von vollzugsfremden Aufgaben und die Anwendung moderner Technologien“.

Bahnchef spricht mit Einsatzkräften am Hauptbahnhof

Bei einem Zwischenstopp am Hamburger Hauptbahnhof suchte Bahnchef Richard Lutz das Gespräch mit Einsatzkräften. „Wir sind alle noch bestürzt und fassungslos vor dem Hintergrund dessen, was da am letzten Freitagabend passiert ist“, sagte Lutz später am Rande eines Bahngipfels in Kiel. Er habe den Kollegen für ihr schnelles und besonnenes Handeln nach der Tat gedankt.

Lutz stellte aber auch klar: „Wir werden keine hundertprozentige Sicherheit in einem so offenen System, ehrlicherweise auch in einer so offenen Gesellschaft, wie es die Bundesrepublik Deutschland auszeichnet, werden wir nie hinbekommen“, sagte Lutz. Trotzdem gelte es, die Sicherheitskonzepte nachzuschärfen und aus Vorfällen zu lernen.

Maßnahmen gegen überfüllte Bahnsteige gefordert

Aus der Hamburger Politik wurde unterdessen der Ruf nach einer Entlastung des hochfrequentierten und häufig überfüllten Hauptbahnhofs laut. Mit mehr als einer halben Million Fahrgästen täglich sei der historische Bahnhof seit Jahren „völlig überlastet“, sagte der Verkehrsexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Philipp Heißner. „Der Messerangriff verdeutlicht, dass der Schutz der Fahrgäste am Hamburger Hauptbahnhof endlich dauerhaft und grundlegend verstärkt werden muss.“

Gerade die Gleise 13 und 14, auf deren Bahnsteig sich die Bluttat am Freitag ereignet hatte, seien „ein Brennpunkt der Überfüllung“. „Die Enge auf den Bahnsteigen erschwert es, sich im Falle einer Gefahr schnell in Sicherheit zu bringen und behindert den Einsatz von Sicherheits- und Rettungskräften.“

Auch beim Fahrgastverband Pro Bahn Schleswig-Holstein und Hamburg besteht die Auffassung, dass der Bahnsteig zwischen den Gleisen 13 und 14 überlastet ist. Das sagte der Sprecher des Landesverbands, Karl-Peter Naumann, der Deutschen Presse-Agentur. Das Problem sei bislang nicht gelöst worden. Alternativ zum Hauptbahnhof könnten Reisenden im Fernverkehr auch den Bahnhof Dammtor nutzen, riet Naumann. 

Die Verkehrsexpertin der Linken, Heike Sudmann, sieht keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tat und den beengten Verhältnissen am Hauptbahnhof. „Auch an jedem anderen Ort, wo sich viele Menschen aufhalten, wäre eine hohe Opferzahl möglich“, sagte sie.