Streit um Erdgasförderung Protest gegen „Riesen-Klimakiller“ - EWE liefert Borkum-Gas
Soll vor der Nordseeinsel Borkum Erdgas gefördert werden? Während Klimaschutzaktivisten auf der Insel dagegen protestieren, werden am Festland Entscheidungen getroffen, wer das Gas bekommt.

Borkum - Während Klimaschutzaktivisten von Fridays for Future auf Borkum gegen die Erdgasförderung vor der Insel protestieren, wird bekannt, wie das umstrittene Gas künftig deutsche Verbraucher erreichen soll. Der niederländische Energiekonzern One-Dyas teilte mit, der Oldenburger Energieversorger EWE werde das auf deutschem Hoheitsgebiet geförderte Erdgas kaufen, „um seine Kunden in Niedersachsen zuverlässig und nachhaltig mit Erdgas zu versorgen“. Beide Unternehmen unterzeichneten demnach eine entsprechende Liefervereinbarung. Noch ist die Förderung auf deutschem Gebiet aber nicht beschlossen - es stehen noch Gerichtsentscheidungen aus.
One-Dyas-Chef Chris de Ruyter van Steveninck sagte in einer Mitteilung zu der Liefervereinbarung, solange eine Nachfrage nach Erdgas bestehe, sei die heimische Gasförderung die beste Wahl. EWE-Vorstandschef Stefan Dohler verwies auf die Energiesicherheit durch das Nordsee-Gas. „Mit dieser Vereinbarung stellen wir sicher, dass ein Teil des Gases, mit dem wir unsere Kunden versorgen, aus einer zuverlässigen und umweltfreundlichen Quelle in der Nordsee stammt.“
Klimaschützer protestieren am Inselstrand
Klimaschutzaktivisten von Fridays for Future kritisieren dagegen, dass neue Gasfelder erschlossen werden sollen - auch in der Nordsee. Sie forderten bei ihrem Protest auf Borkum One-Dyas auf, die Gasbohrungen zu stoppen. Dazu legten sie den roten Schriftzug „STOP GAS!“ an den Strand.
„Erdgas ist ein Riesen-Klimakiller“, sagte Luisa Neubauer, Sprecherin von Fridays for Future, der Deutschen Presse-Agentur. „Jedes bisschen Erdgas, was verbrannt wird, macht die Klimakrise für uns gefährlicher. Das heißt, wir müssen ganz dringend raus aus Erdgas und nicht rein in neue Projekte.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Liefervereinbarung des Energieversorgers EWE mit dem Gaskonzern. „Mit diesem Liefervertrag leistet mit EWE ausgerechnet ein niedersächsischer Energieversorger Beihilfe zur Zerstörung von geschützten Riffen in der Nordsee“, sagte DUH-Energieexperte Constantin Zerger. „Statt eine neue Gasförderung vor der Haustüre zu unterstützen, sollte EWE als regionaler Anbieter Verantwortung für die Menschen und die Natur vor Ort übernehmen.“
Grüne fordern Stopp für alle Gasförderungen
Auch die Grünen im Bundestag erneuerten ihre Kritik. „Während Deutschland und Europa unter Hitze, Dürre und Überschwemmungen leiden, will Friedrich Merz neue Gasbohrungen vor Borkum durchdrücken – ausgerechnet im sensiblen Wattenmeer. Das ist keine Energiepolitik, das ist Klimazerstörung mit Ansage“, sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge der dpa. Bohrungen nach Gas und Öl verschärften die Klimakrise und gefährdeten die Natur.
Vor knapp zwei Wochen hatte das Bundeskabinett einem völkerrechtlichen Abkommen mit den Niederlanden zugestimmt, das es ermöglicht, die grenzüberschreitende Gasfelder in der Nordsee zu erschließen.
Die Grünen hatten danach einen Antrag im Bundestag gestellt mit dem Ziel, Gasförderungen in Deutschland zu beenden. Demnach sollen keine neuen Gasbohrungen mehr erlaubt und bestehende Genehmigungen bis 2030 befristet werden.
Wo aktuell Gas gefördert wird und wo bislang nicht
One-Dyas hatte Ende März mitgeteilt, mit der Gasförderung begonnen zu haben - zunächst in einer Testphase. Dazu wurde rund 20 Kilometer nordwestlich von Borkum eine Bohrplattform errichtet. Im Herbst war auf niederländischem Gebiet ein erster Zugang zu einem Erdgasfeld gebohrt worden. One-Dyas plant, von der Bohrplattform aus auch auf deutschem Gebiet Erdgas zu fördern. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hatte One-Dyas dazu eine Genehmigung erteilt.
Insgesamt will One-Dyas noch in diesem Jahr rund 0,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas fördern, davon entfällt ein Drittel auf Deutschland. Gemessen am gesamtdeutschen Gasverbrauch, der im vergangenen Jahr nach LBEG-Angaben bei 78 Milliarden Kubikmetern lag, macht diese Menge nur einen Bruchteil aus. Durch die heimische Gasförderung wurden der Behörde zufolge im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert.
Bislang kann One-Dyas in der Nordsee auf deutschem Hoheitsgebiet noch kein Gas fördern, da ein Bündnis von Umweltschutzorganisationen um die Deutsche Umwelthilfe und die Insel Borkum vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen die Genehmigung des Landesamtes klagt. Sie fürchten Schäden für die Insel und das angrenzende Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer.
Gericht entscheidet über Stromkabel
Auch über die Verlegung eines Stromkabels durch die Nordsee, mit dem One-Dyas seine Förderplattform mit Windstrom vom benachbarten Offshore-Windpark Riffgat versorgen will, streiten Umweltschützer mit dem Konzern. Eine Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg entsprach am Montag einem Eilantrag der Umwelthilfe. Vorerst darf das Kabel nicht gebaut werden.
Umweltschützer fürchten, dass das acht Kilometer lange Kabel schützenswerte Unterwasserbiotope und Riffstrukturen unwiederbringlich zerstören wird. One-Dyas argumentiert dagegen, das Seekabel sei nötig, um das Erdgas mit erneuerbarer Energie fördern zu können. Dadurch sollen die CO2-Emissionen der Gasproduktion reduziert werden. Deshalb seien naturschutzrechtliche Befreiungen für die Biotope notwendig und alternativlos.
Das Gericht stellt das aber infrage. Das Gericht habe „durchgreifende Zweifel“ daran, dass der Stromanschluss der Bohrplattform mit dem geplanten Seekabel und damit die teilweise Zerstörung besonders geschützter Biotope alternativlos sei, teilte ein Gerichtssprecher mit. Das Gericht wies in einer Mitteilung darauf hin, dass es nach seiner Auffassung durch den Betrieb mit Gasgeneratoren, die zurzeit eingesetzt werden, eine alternative Stromversorgung gebe. Für den Betrieb der Gasgeneratoren hat One-Dyas eine befristete Erlaubnis.
„Ob weitere zumutbare Alternativen der Stromversorgung in Betracht kommen, namentlich die Leitung des Stromkabels auf Masten (Freileitung) oder die Versorgung der Plattform über Dieselgeneratoren bzw. Brennstoffzellen, hat das Gericht offengelassen“, teilte der Sprecher weiter mit.
Der Beschluss ist bislang nicht rechtskräftig. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Genehmigungsbehörde und One-Dyas können Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.