Ehemaliger Bordellbesitzer und Drogendealer gibt Einblicke in die mafiaartige Rockerszene Früherer Hells Angel packt aus: "Höllenritt"
Der Autor muss um sein Leben fürchten: Für die Hells Angels gilt es als Hochverrat, wenn einer auspackt. Einer wie Ulrich Detrois. Das Ex-Mitglied der Rockergruppe Hells Angels hat ein Buch geschrieben – allein in der ersten Woche verkaufte sich der Insider-Bericht 50000-mal.
Berlin (dpa). Die deutschen Rocker haben ein Image-Problem. Vor allem Hells Angels und Bandidos sorgen mit Straftaten für Schlagzeilen. Die Klubs versuchen nicht selten, das Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren. So distanzierten sich kürzlich führende Köpfe von Hells Angels und Bandidos in einem "Stern"-Interview von illegalen Aktionen.
Ulrich Detrois, ehemaliges Führungsmitglied der Hells Angels in Deutschland, packt nun in seinem Buch "Höllenritt" aus. Das Bild, das der "Bad Boy Uli" genannte Aussteiger zeichnet, hat nichts mit Motorradromantik zu tun. Detrois gibt Einblick in eine Parallelgesellschaft, in der es vor allem um Macht, Geld und Gewalt geht.
Der 52-jährige Hesse, er trägt lange Haare und viele Tattoos, war "Bordellbesitzer, Drogendealer, Türsteher und Inkasso-Mensch". Aus geschäftlicher Sicht konnte es "nur gut sein", Rocker zu werden, schreibt Detrois über seine frühere Entscheidung. In den 90er Jahren war er zunächst Mitglied der "Bones" in Kassel, die dann um die Jahrtausendwende von den Hells Angels übernommen wurden.
Seinen ehemaligen Klub beschreibt er als eine weltweit operierende Organisation – vernetzt, straff organisiert und nach außen sehr gut abgeschirmt. Die Hells Angels verkauften, schreibt Detrois, ihren Namen und ihre Symbole wie ein Sportartikelhersteller. Untereinander werde mit T-Shirts, Gürtelschnallen und Aufnähern für die "Kutten" gehandelt.
Aber bei den Hells Angels gehe es eben auch um schwerste Verbrechen, schreibt der Autor. "Jedes Jahr werden Mordaufträge auch an deutsche Mitglieder weitergegeben." Einmal habe ihm ein deutscher "Bruder" einen Eimer mit zwei verwesenden menschlichen Köpfen gezeigt, schreibt er. Für Mitglieder, die Probleme mit der Justiz haben, gebe es eine spezielle Kasse, aus der Anwalts- und Gerichtskosten bezahlt würden.
Den kürzlich geschlossenen Frieden zwischen den deutschen Hells Angels und Bandidos nennt Detrois "Augenwischerei". Die illegalen Geschäfte, die Machtfülle der Klubs, würden bestehenbleiben. Ein Verbot hält der Ex-Rocker zwar für schwierig, aber für sinnvoll, "um die Öffentlichkeit zu schützen, weil es immer irrer wird". So verzeichneten die Klubs großen Zulauf – die Mitgliederzahlen hätten sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt.
Dass Detrois so offen redet, ist außergewöhnlich. 2007 haben ihn die "Brüder" seinem Bericht zufolge aus dem Klub geschmissen. "Bad Boy Uli" sagt, es sei eine Intrige gewesen. Ein Führungsmitglied der Hells Angels nennt als Grund in dem "Stern"-Interview einen Deal mit 30 Kilo Koks. Detrois kontert, "damit habe ich nichts zu tun, die beiden Dealer wurden rechtskräftig verurteilt und das Verfahren gegen mich wurde eingestellt".
Der Aussteiger führt einen weiteren Grund für seinen Gang an die Öffentlichkeit an: Als die Hells Angels seine Schwester bedroht hätten, habe er etwas getan, was ein Hells Angel eigentlich niemals tut – er ging zur Polizei.
Kurz darauf habe ihn die Polizei darüber informiert, dass die ehemaligen Kumpel seinen Tod wollten, berichtet Detrois. Bei einem Treffen der deutschen Führungsriege in Frankfurt habe man zwei russischen Killern ein Kopfgeld ausgezahlt. Danach sei er zeitweise beschützt worden wie die Bundeskanzlerin, meint er. "Sicherheitsstufe 1, gepanzerte Limousinen, es ging mit sechs Leuten in den Edeka und draußen stand noch einer vor der Tür." Die Polizei dürfte nicht erfreut darüber sein, dass solche – und andere Details – nun in dem Buch veröffentlicht werden.
Inzwischen habe er keinen Personenschutz mehr, sagt der ehemalige Hells Angel, "ich bin ein Einzelkämpfer, versuche mit der Bedrohung so gut wie möglich umzugehen". Er ist zornig, dass die Behörden in Sachen Mordauftrag nichts unternähmen.
Die Buch-Veröffentlichung, die Interviews, die er zurzeit gibt, all das biete ihm keinen Schutz. Im Gegenteil: Detrois geht davon aus, dass ihm die Hells Angels jetzt erst recht nach dem Leben trachten: "Im Zusammenhang mit dem Buch wird vom Ausland aus nun Druck aufgebaut. Sie müssen handeln, denn so etwas darf nicht wieder passieren, und es muss ein Fanal gesetzt werden. Damit alle, die nach mir kommen, eindrucksvoll gewarnt werden, je wieder etwas gegen die Hells Angels in der Öffentlichkeit zu sagen."
Und wenn sie ihn erwischen? "Ich habe mein Leben in vollen Zügen genossen", sagt Detrois. "Wir sehen uns auf meiner Beerdigung."