Schulpolitik Gewerkschaft warnt vor Doppelkrise im Bildungswesen
Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW steht das neue Schuljahr in Sachsen unter düsteren Vorzeichen.

Dresden - Lehrermangel und kein Geld: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt vor Folgen einer Doppelkrise im sächsischen Bildungswesen. Lehrermangel sei schon seit Jahren ein Problem, sagte GEW-Chef Burkhard Naumann. „Neu ist: Jetzt gibt es auch kein Geld (...) Das ist ein gefährlicher Kurs zulasten der Bildungschancen junger Menschen in Sachsen. Viele Schulen stemmen ihren Alltag nur noch mit größter Kraftanstrengung.“
Nach Einschätzung der GEW müssten für eine komplette Unterrichtsversorgung inklusive Ergänzungsbereich über 4.000 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich eingestellt werden. Hinzu käme noch Ersatz für Lehrkräfte, die im vergangenen Schuljahr ausgeschieden seien. Allein durch die steigende Schülerzahl im neuen Schuljahr seien 770 weitere Lehrer erforderlich. Laut Kultusministerium gibt es nun 438 Menschen mehr im Schuldienst als im vergangenen Schuljahr.
Kritik an überhasteter Abordnung von Lehrkräften
Die Gewerkschaft listete eine ganze Reihe von Auswirkungen als Folge finanzieller Kürzungen auf. Die individuelle Förderung werde massiv eingeschränkt, der versprochene Ausbau der Schulassistenz bleibe aus. Um den Mangel besser zu verteilen, würden Lehrkräfte an andere Schularten und für andere Fächer abgeordnet. Die Kritik sei nicht, dass es Abordnungen gebe. Sie würden aber völlig überhastet gemacht, anstatt planvoll vorzugehen.
Laut GEW konzentriert sich das Kultusministerium auf die Quantität des Unterrichtes statt auf die Qualität der Bildung. Ohne ausreichend Personal sowie Geld für Förderung, Vertretung oder Unterstützung laufe das System „auf Verschleiß“. Man brauche eine Neuausrichtung der Bildungspolitik. „Die Krise kann nur gemeinsam bewältigt werden“, sagte Naumann. Ministerium, Gewerkschaft, Eltern und Schüler müssten an einen Tisch.
Dauerstress und Resignation in den Lehrerkollegien
GEW-Vize Claudia Maaß äußerte sich zum Maßnahmenpaket des Kultusministeriums, um den Unterrichtsausfall zu minimieren. Es gebe Unruhe und Unsicherheit an vielen Schulen. „Lehrkräfte, die bereits am Limit arbeiten, sollen noch mehr schultern.“ Es sei kein Ende, keine Besserung in Sicht. Dauerstress und Resignation seien die Folge. Ständig gebe es neue und kurzfristige Maßnahmen, die mit den Betroffenen nicht abgesprochen seien.
Das Kultusministerium hatte am Mittwoch seine Pläne für das am kommenden Montag beginnende Schuljahr vorgestellt. Kultusminister Conrad Clemens (CDU) zeigte sich optimistisch, den bisherigen Unterrichtsausfall von etwa neun Prozent aller Stunden zu senken.
Lehrerverband verweist auf Verunsicherung, Frust und Unmut
Der Sächsische Lehrerverband (SLV) - neben der GEW die zweite große Interessenvertretung der Lehrkräfte - warnte vor falschem Optimismus. „Statt Aufbruchstimmung herrscht vielerorts Verunsicherung, Frust und Unmut. Das Maßnahmenpaket stößt auf breite Ablehnung und die Lage an den Schulen ist angespannter denn je“, betonte SLV-Landeschef René Michel.
„Mit einer radikalen Abordnungsstrategie werden Lehrkräfte derzeit wie Spielfiguren auf einem Schachbrett hin und her geschoben mit dem Ziel, den Unterrichtsausfall gleichmäßig zu verteilen – aber nicht ihn zu verhindern“, so Michel. Dadurch würden funktionierende Teams auseinandergerissen, Abläufe gestört und ganze Kollegien verunsichert.
Der SLV rät allen Lehrkräften eindringlich, auf ihre Gesunderhaltung zu achten und arbeitsrechtliche Vorgaben genau zu prüfen. Wer sich durch dienstliche Anweisungen überfordert oder unrechtmäßig behandelt fühle, solle sich an die Personalräte oder die Rechtsabteilung des SLV wenden. Wer überfordert werde, müsse sich wehren, hieß es.