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Urteilsfindung KI in der Justiz: Richterbund zieht klare Grenze

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist aus vielen Teilen des Lebens kaum noch wegzudenken. Aber gerade für den sensiblen Bereich der Justiz benennt der Richterbund-Vorsitzende rote Linien.

Von dpa 26.08.2025, 04:00
Der Thüringer Richterbund lehnt das Schreiben von Urteilen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ab. (Symbolbild)
Der Thüringer Richterbund lehnt das Schreiben von Urteilen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ab. (Symbolbild) Hendrik Schmidt/dpa

Erfurt - Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz sieht der Thüringer Richterbund eine ganz klare Grenze. „Was aus meiner Sicht gar nicht geht, ist, dass Sie sich von ChatGPT die Urteile schreiben lassen“, sagte der Landesvorsitzende des Richterbundes, Holger Pröbstel, der Deutschen Presse-Agentur. Die Findung eines Urteils müsse immer Aufgabe eines Richters sein und bleiben. „Sonst können Sie die Justiz gleich ganz abschaffen“, so Pröbstel. Die KI dürfe für Gerichte – und auch für Staatsanwaltschaften – immer nur ein Hilfsmittel sein. „Sie darf aber nie den Richter ersetzen.“

Nach Angaben Pröbstels, der als Vorsitzender Richter am Landgericht Erfurt arbeitet, wird in der Justiz bundesweit bereits mit KI-Anwendungen gearbeitet, während in den Fachkreisen eine intensive Debatte darüber läuft, wie sich die entsprechende Nutzung ausweiten ließe.

KI schon bei Massenverfahren im Einsatz

So werde KI bereits in sogenannten Massenverfahren eingesetzt, etwa, wenn es um Fluggastrechte aus verspäteten oder ausgefallenen Flugverbindungen gehe. Dabei würden zum Beispiel Datenbestände aus Akten mittels KI zusammengefasst. Auch bei der Anonymisierung und Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen sei KI bereits teilweise im Einsatz, sagte Pröbstel. Dass sich der Mensch hier von Maschinen und Algorithmen helfen lasse, halte er für vertretbar.

Skeptisch sei er etwa gegenüber Überlegungen, mittels KI in Gerichtsverfahren den Strafrahmen zu bestimmen, sagte Pröbstel. So gebe es etwa Vorschläge, alle Urteile deutscher Gerichte etwa aus Drogenverfahren in eine Datenbank zu packen. Mit Hilfe von KI solle dann für einen neuen Fall ein Strafrahmen ermittelt werden, der sich an Durchschnittswerten aus dieser Datenbank orientiere. „Die Frage ist da natürlich immer: Welche Urteile stehen in dieser Datenbank und wie bewerten das die Algorithmen“, gab Pröbstel zu Bedenken.

Zugriff auf Algorithmen entscheidend

Aber schon, weil die Justiz auf diese Algorithmen keinen Zugriff habe, könne sie so nicht seriös arbeiten, weshalb auch die Ermittlung des Strafrahmens immer einem Richter vorbehalten bleiben müsse. „Der Herr der Algorithmen hat die KI in der Hand“, sagte Pröbstel.

Unter Thüringer Juristen ist die Offenheit gegenüber KI in ihrem Arbeitsalltag nach Pröbstels Wahrnehmung unterschiedlich ausgeprägt. Er vermute, dass gerade jüngere Richter und Staatsanwälte bereits damit arbeiten, in der Regel über ihre private Technik. Es sei deshalb wichtig, mit ihnen etwa im Rahmen von Fortbildungen über Chancen, aber auch Risiken dieser Technik zu sprechen.

Im Thüringer Richterbund sind sowohl Richter als auch Staatsanwälte organisiert. Er vertritt nach eigenen Angaben die beruflichen Interessen von Richtern und Staatsanwälten und hat derzeit etwa 360 Mitglieder.