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Prozess Landtag beschmiert – 2.000 Euro Strafe für Gaza-Protest

Rund 70.000 Euro Schaden: Nach einer Farbattacke am Landtag fiel eine teure Reinigung an. Was der Angeklagte gestand – und warum der Richter trotzdem auf eine Geldstrafe entschied.

Von dpa Aktualisiert: 02.09.2025, 17:38
Der 25-Jährige gestand, mit weiteren Tätern die Fassade des Landtags in Hannover verschandelt zu haben.
Der 25-Jährige gestand, mit weiteren Tätern die Fassade des Landtags in Hannover verschandelt zu haben. Julian Stratenschulte/dpa

Hannover - Aus Protest gegen die Situation in Gaza beschmierten mehrere Täter im vergangenen Jahr mit roter Farbe den Landtag in Hannover mit Parolen und einem islamistischen Symbol. Dafür ist einer der Täter nun zu einer Geldstrafe verurteilt worden – und damit einer Haftstrafe entgangen.

Der 25-Jährige wurde wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung vom Amtsgericht Hannover nach nur einem Verhandlungstag zu 100 Tagessätzen je 20 Euro verurteilt. Er muss also 2.000 Euro zahlen. Der Richter folgte damit der Forderung des Staatsanwalts. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger behielt sich vor, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Bei seinem Urteil berücksichtigte der Richter zugunsten des Angeklagten, dass dieser gestanden habe, zum Zeitpunkt der Tat unbestraft gewesen sei und in der Tat weder Zerstörungswut noch individuelle Interessen zu erkennen seien. Zu den Lasten des Angeklagten legte er hingegen die „erhebliche Schadenssumme“ von rund 70.000 Euro.

Angeklagter habe Familie in Gaza

Der Verteidiger des Angeklagten bezeichnete die Situation in Gaza mehrfach als „Genozid“ und Gaza als „das größte Freiluftgefängnis der Welt“. Deutschland unterstütze diesen Genozid indirekt in erheblichem Maße. Vor diesem Hintergrund habe sich sein Mandant – der sich ethnisch den Palästinensern zugehörig fühle und in Gaza Familie habe – machtlos gefühlt.

Der Angeklagte habe lange Zeit auf legalen Demonstrationen friedlich sein Anliegen vertreten, jedoch aus seiner Sicht ohne Wirkung. Er habe deshalb die Tat am Landtag begangen, um Aufmerksamkeit auf die Lage in Gaza zu ziehen.

Der Richter glaubte dem im Landkreis Nienburg/Weser wohnhaften 25-Jährigen dessen persönliche Betroffenheit. Dennoch gebe es ausreichend legale Möglichkeiten, sich für die eigene politische Sache einzusetzen. Niemand habe ein Recht darauf, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung vom eigenen Anliegen zu überzeugen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag, Wiard Siebels, sagte zur Farbattacke: „Wer das Parlament beschmiert, greift nicht nur irgendein Gebäude an – er beschädigt das zentrale Symbol unserer Demokratie.“ Das sei kein Protest mehr, sondern eine „klare Missachtung der gemeinsamen Spielregeln unseres demokratischen Miteinanders“.

Angeklagter räumt einen Teil der Schmierereien ein

Der 25-Jährige gestand, in einer Septembernacht des vergangenen Jahres mit weiteren bisher unbekannten Tätern die Fassade des Landtags in Hannover verschandelt zu haben. Mit roter Farbe habe er die denkmalgeschützte Außenansicht unter anderem mit den Wörtern „Free Gaza“ beschmiert und besprüht. Der Angeklagte bestritt jedoch, auch das nach unten zeigende rote Dreieck – ein Symbol der islamistischen Hamas – angebracht zu haben. 

Eine als Zeugin geladene Polizistin hatte auf Überwachungskameras eine Tätergruppe von bis zu sechs Personen ausfindig gemacht. Jedoch wurde nur der 25-Jährige identifiziert. Bei einer Durchsuchung seien die Kleidung eines Täters und Farbspuren gefunden worden.

Der Angeklagte hat neben der Strafe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Laut Gesetz kann gemeinschädliche Sachbeschädigung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Der Verteidiger hatte für seinen Mandanten lediglich 50 Tagessätze je 15 Euro gefordert, also in Summe 750 Euro.

Rund 70.000 Euro für Reinigung und Instandsetzung

Die Substanz der Fassade wurde laut dem Leiter des Gebäudemanagements des Landtags derart beeinträchtigt, dass Kosten von rund 70.000 Euro für Reinigung und Instandsetzung entstanden. Eine abschließende Rechnung liege aber noch nicht vor. Diese Kosten hat laut dem Richter vorerst der Steuerzahler zu tragen.

Drei verschiedene Unternehmen wurden beauftragt, um die denkmalgeschützte Fassade schrittweise wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen. Nach der oberflächlichen Reinigung sei unter anderem mit Lasertechnik jene Farbe entfernt worden, die bereits in die Fassade eingedrungen war.

Der Angeklagte soll darüber hinaus ein Kunstobjekt auf der Leineschlossbrücke mit roter Farbe besprüht haben. Hier sei ebenfalls eine aufwendige Reinigung erforderlich gewesen.