Extremes Radrennen Von Frankreich in die Türkei in 12 Tagen: Wie Lars Uhlemann aus Leipzig 4.000 Kilometer schaffen will
Lars Uhlemann aus Leipzig nimmt am Transcontinental Race teil, einem der härtesten Radrennen der Welt. Er plant, die 4.000 Kilometer von Frankreich in die Türkei in nur zwölf Tagen zu schaffen. Warum er die Strapazen auf sich nimmt.

Leipzig. - Lars Uhlemann radelt langsam an den Cospudener See in Leipzig heran, am Imbiss tönt Reggae-Musik aus Lautsprechern, die Hitze brennt. Der 40-Jährige blickt kurz auf den See, Zeit für einen kurzen Sprung ins Wasser bleibt nicht. Er muss gleich wieder aufbrechen – einmal um den Cossi, danach um den Zwenkauer See.
„Das ist aber nur die kleine Runde“, sagt er und muss selbst lachen. „Die großen Touren hatte ich in den letzten Wochen. Ich kann mich jetzt nicht mehr so verausgaben.“ Es ist Mitte Juli, Uhlemann steht kurz vor der Abreise in Richtung Roubaix in Nordfrankreich – von dort startet am Sonntag sein wohl größtes Abenteuer.
Start des Transcontinental Race - 4000 Kilometer quer durch Europa
Der Leipziger Extrem-Radfahrer nimmt am Transcontinental Race teil, es ist das längste Ultradistanz-Radrennen Europas: 4.000 Kilometer in höchstens 16 Tagen.
Es geht über Frankreich, Italien, Kroatien, Slowenien und den Kosovo bis in die Türkei. „Ich will es schneller schaffen, in zehn bis zwölf Tagen“, sagt Uhlemann. Dafür müsste er rund 350 Kilometer am Tag fahren – je nach Gelände. „In den Bergen ist man nicht so schnell, dafür reißt man an anderen Tagen mehr.“
4.000 Kilometer in zwölf Tagen
Uhlemann ist jemand, der das große Ganze gut auf wenige Worte bringen kann. Er freut sich über die, die diese extremen Herausforderungen bestaunen. Er selbst ist vor allem fokussiert, macht nicht viel Aufhebens um sich.
„Ich habe mir das Ziel gesetzt und jetzt schaffe ich das einfach. Fertig.“ Und so geht das schon die ganzen vergangenen Jahre. Uhlemann begann vor etwa fünf Jahren mit dem Extremradfahren.
Ich wollte wissen, wie weit ich komme. Also dachte ich mir: Ich fahre von Leipzig nach Berlin.
Lars Uhlemann, Extrem-Radsportler
Es musste gleich zu Beginn ein größeres Projekt sein: „Ich wollte wissen, wie weit ich komme. Also dachte ich mir: Ich fahre von Leipzig nach Berlin.“ Von da an war er drin in seiner Leistungsspirale, die Touren wurden immer länger und anstrengender.
Früher Beginn des Extremradfahrens
So fuhr Uhlemann von Berlin nach Kopenhagen und auch von Hamburg zum Nordkap – 3.100 Kilometer waren das. „Ich packte immer noch eins oben drauf und wollte sehen, was noch geht.“ Er erzählt so etwas ganz nüchtern, dabei sind das unglaubliche Strecken.
Dann habe er plötzlich einen Geistesblitz gehabt: In 30 Tagen von Leipzig nach Marrakesch in Marokko. Gedacht, getan. Die Tour machte er im vergangenen Jahr – und es war heftig. „Ich hatte nicht erwartet, dass Spanien so viele Berge hat. Es ging hoch, runter, hoch – voll im Saft, Entspannung, voll im Saft. Das war echt krass.“
Herausforderung von Leipzig nach Marrakesch
In Afrika herrschten 56 Grad, er ging über seine Grenzen. „Ich war jeden Tag müde, so grundschläfrig. Vor Marrakesch habe ich gefroren, weil ich nicht genug getrunken hatte.“
Tagelang sei er keiner Menschenseele begegnet, hunderte Kilometer weit fehlte Schatten. „Da überlegst Du Dir schon, was ist, wenn Du eine Panne hast oder vom Rad fällst. Psychisch war das die absolute Grenze.“ In Erinnerung blieben ihm auch Hunde, die ihn verfolgten.
„Das waren keine Tiere, die gestreichelt werden wollten. Die waren auf der Jagd. Hinfallen war keine Option.“ Als Leistung sieht er nicht nur die 4.100 Kilometer, die er gefahren ist, sondern auch, „sich aus Gedankenstrudeln ziehen zu können und weiterzumachen“.

Uhlemann braucht diese Bewegung und Aktion, Stillstand macht ihn nervös. Das war schon als Kind so. „Und sicher wurde da auch der Grundstein für hohe Ansprüche an mich gelegt. 150 Prozent waren für mich nicht genug, ich wollte mich selbst übertrumpfen und Grenzen ausreizen.“
Fokus auf mentale Stärke
Auch ein Satz seines Vaters habe ihn geprägt, nachdem ihn zwei Jungs in der Schule angegriffen hatten. „Ein Uhlemann gibt nicht auf.“ Also gab es am nächsten Tag die Retourkutsche.
Lars Uhlemann hat sich früh in den Sport gestürzt. Als kleiner Junge fuhr er mit dem Rad um den Hasselbacher See an der thüringischen Grenze. Später ging er in den Kampfsport, es folgte über viele Jahre Bogenschießen bis zum Sachsenmeister.
Irgendwann war er damit aber durch, sagt er. „Ein Freund sagte mal über mich: Wenn ich die Themen abgegrast habe, mache ich etwas Neues. Das stimmt schon.“ Er habe sich nicht ausgelastet gefühlt, stieg deshalb aufs extreme Radfahren um.
Uhlemann sucht auch im Job die Herausforderung
Auch im Job hat er mehrere Wege eingeschlagen. Uhlemann lernte nach der Schule Forstwirt, machte eine Weiterbildung zum Forstmaschinenfahrer. „Dann hatte ich das alles und dachte, Lkw-Fahren wäre das Richtige für mich.“
Aber es fehlte die Herausforderung, also nächster Schritt: Windkraftanlagen-Techniker, hoch oben. Manchmal macht er eine Trainingseinheit daraus, schnell hochzuklettern. „Ich brauche einen Job und Kollegen, die mich fordern.“
Seinen Sport muss Uhlemann neben der Arbeitszeit eintakten. Für die langen Touren nimmt er Urlaub. Vorher plant er sie gründlich durch: Er weiß, wo er Pausen für Verpflegung und Unterkunft einlegt, stellt sich auf das Gelände ein.
Extrem-Radsportler aus Leipzig sucht den Vergleich mit anderen
Meist hat er ein Zelt dabei, alle paar Tage muss er seine Powerbank für Navi, Handy und Uhr aufladen. Schwierig werde es bei langen Strecken durch Regen und Wind. „Da berghoch, da hat man keinen Bock mehr. Das sind Hänger, aber dann geht es weiter.“
Ich habe sogar meine Zahnbürste abgebrochen, um Gewicht zu sparen.
Lars Uhlemann, Extrem-Radsportler
Woher kommt diese mentale Kraft? „Weil ich mit Spaß angefangen und mich dann gesteigert habe. Es ist ein Herantasten an eigene Limits. Daraus zieht man die Sicherheit, es zu schaffen.“
Die Idee zum Transcontinental Race hatte er, weil er wissen will, wo er im direkten sportlichen Vergleich steht. Er ist einer von rund 300 Sportlern. Er trainiert seit Monaten mit einem Personal Coach, über eine App erhält er Trainings- und Essenspläne, auf Tour ist er auch mit einer Trainingspartnerin.
19 Stunden Fahrradfahren pro Tag
An diesem Morgen war er schon Joggen, abends geht es nochmal aufs Rad. Im Mai war er auf einer Tagesfahrt bis Stettin – 340 Kilometer, 19 Stunden. Bei einem Radmarathon im Harz Ende Juni schaffte er 300 Kilometer in elf Stunden.
Bei dem bevorstehenden Rennen will Uhlemann 18 bis 19 Stunden jeden Tag auf dem Rad sitzen, maximal fünf Stunden Schlaf sind eingerechnet. Unterwegs will er an Bushaltestellen und Tankstellen schlafen, mindestens jeden zweiten Tag in Pensionen, „damit sich der Körper auch tatsächlich erholt“.
Er hat sich auch mit den Klimabedingungen auf den verschiedenen Etappen beschäftigt, um seine Kleidung darauf abzustimmen. Jedes Gramm zu viel werde aussortiert. „Ich habe sogar meine Zahnbürste abgebrochen, um Gewicht zu sparen.“
Einsamkeit auf dem Rad
Die Zeit auf dem Rad kann einsam werden. „Die ersten zwei Tage ist es aufregend, dann beginnt der Alltag“, erzählt Uhlemann. Auf den ersten Touren musste er erst damit zurechtkommen, viel Zeit mit sich allein zu verbringen, sagt er. „Verbringe doch mal acht Stunden auf der Couch und starre an die Wand. Keine Ablenkung, nichts. Das ist echt schwer.“
Während der Fahrten tauchten Fragen auf, er denkt über seine Kindheit nach, mögliche Ängste, „warum ich so bin, wie ich bin, wie andere zu mir sind. Man kreist da echt viel um sich“. Deshalb hat er mit sich eine Abmachung: Nur ein bis zwei Stunden am Tag nachdenken, dann hört er Podcasts.
Zukünftige Pläne
Und im Ziel – große Euphorie? „Es wird so sein wie am Nordkap oder in Marrakesch: Ich will nur pennen.“ Nichts vom großen Glück sei da zu spüren. Dass er die Strecke nach Afrika geschafft hat, sei ihm erst vor ein paar Monaten auf dem Balkon richtig klar geworden. „Mensch, Du bist von hier nach Afrika gefahren.“
Ein paar Wochen brauche er, bis zu Hause wieder alles rund laufe. Familie und Freunde unterstützen ihn, „die beeindruckt, was ich mache“. Doch es soll das letzte Mal so extrem sein. „Es ist anstrengend, sich wochenlang neben der Arbeit vorzubereiten. Mein Tag beginnt um 5 Uhr und endet um 23 Uhr.“
Uhlemann hat stattdessen schon ein neues Ziel: „Starkstrom“, ein DJ- und Musikprojekt. Mit einem Freund produziert er bereits Techno, will auch Veranstaltungen planen. „Radfahren ist eine gute Grenzerfahrung. Jetzt will ich mehr für den Kopf machen, mich vielleicht auch länger an Dinge binden und was aufbauen. Es wird Zeit“, sagt er. Er muss jetzt aufbrechen: Lars Uhlemann setzt die Sonnenbrille auf, steigt auf sein Rad und fährt los, Richtung See.