Bildung Nach Ernsts Rücktritt gerät SPD unter Zugzwang
Der Rücktritt von Brandenburgs Bildungsministerin Ernst offenbart tiefe Gräben zwischen zwei Koalitionsfraktionen und der SPD-geführten Landesregierung. Der grüne Bündnispartner stellt Forderungen an den designierten SPD-Bildungsminister Freiberg.

Potsdam - Nach dem Rücktritt von Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) verschärft sich in der rot-schwarz-grünen Koalition der Streit um die Bildungspolitik. Dabei geht es weiter um Ernsts Pläne, zur Abfederung des Lehrermangels 200 nicht besetzbare Lehrerstellen für Schulassistenten umzuwidmen. Die Grünen-Landtagsfraktion verlangte am Dienstag die Rücknahme des Vorhabens, CDU-Fraktionschef Jan Redmann dagegen trat den Kritikern von Ernsts Plänen in der SPD-Fraktion vehement entgegen.
Die SPD im Landtag unter Daniel Keller zog sich in Klausur nach Neuruppin zurück, auch um mit dem designierten Bildungsminister Steffen Freiberg über Lösungen für die Bildungskrise zu beraten. Die SPD steht im Zugzwang: Soll es um Kontinuität in der Bildung gehen, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sie will, oder geht Freiberg auf die Kritiker von Ernsts Plänen in der SPD und bei den Grünen zu? Im nächsten Jahr steht in Brandenburg die Landtagswahl an. In zwei Umfragen in den vergangenen Monaten lag die AfD vor der SPD, in einer Umfrage war die SPD vorn.
Grünen-Fraktionschefin Petra Budke forderte Freiberg am Dienstag dazu auf, statt der dauerhaften Umwidmung von 200 Lehrerstellen mindestens 215 zusätzliche Stellen für multiprofessionelle Teams mit Verwaltungskräften und Schulsozialarbeitern zu schaffen. „Es geht uns darum, die Lehrerstellen dauerhaft im System zu behalten, auch wenn sie aktuell nicht besetzt werden könnten“, unterstrich Budke. Sie forderte auch, die Obergrenzen bei der Zahl der Schüler pro Klasse nicht zu erhöhen.
Redmann stellte sich dagegen hinter Ernsts Vorschläge. „Wer jetzt kritisiert hat, dass die Medizin, die Britta Ernst vorgeschlagen hat, zu bitter war, ist natürlich in der Pflicht, eigene alternative Vorschläge zu präsentieren, die gefälliger sind“, sagte er. Sie müssten das Problem gleichzeitig aber ebenso lösen. „Mir sind diese Alternativvorschläge bislang nicht bekannt.“
Ernsts Plan, 200 der im kommenden Schuljahr benötigten rund 1800 neuen Lehrerstellen für Schulassistenzen dauerhaft umzuwidmen, hätte dazu geführt, dass zusätzliche Angebote etwa im Förderunterricht und der Ganztagsbetreuung hätten eingeschränkt werden müssen. Nachdem es dagegen in der eigenen SPD-Fraktion und bei den mitregierenden Grünen Widerstand gab, war Ernst am Montag zurückgetreten. Ihre Nachfolge soll Bildungsstaatssekretär Freiberg am 10. Mai antreten.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Redmann sieht Brandenburg wegen des Lehrermangels in einer „sehr kritischen Situation“: „Es besteht das akute Risiko, dass wir insbesondere in den ländlichen Regionen Brandenburgs in eine Situation kommen, in der so viel Unterricht ausfällt, dass Abschlüsse nicht mehr gemacht werden können“, sagte er. „Das wäre eine Bankrotterklärung für den Staat insgesamt.“
Der Bildungspolitiker der AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, sieht auch Klippen für Ministerpräsident Woidke: „Man muss auch deutlich sagen, dass anscheinend der Zwist zwischen SPD-Fraktion und Landesregierung mittlerweile so groß ist, dass auch der Stuhl von Dietmar Woidke zu wackeln beginnt.“ Hohloch forderte Freiberg auf, die geplante Verbeamtung von Lehrkräften mit Bachelor-Abschluss umgehend zurückzunehmen. Für den Unterricht in den Schulen seien vollständig ausgebildete Pädagogen notwendig, sagte Hohloch.
Die Linksfraktion signalisierte der Grünen-Fraktionschefin Unterstützung für ihre Forderung. „Besser spät als nie, Frau Budke“, sagte Bildungspolitikerin Kathrin Dannenberg. Der Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag, Péter Vida, sieht eine Dauerbaustelle in der Bildungspolitik im Land. „Köpfe austauschen bringt wenig.“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beurteilt den Ernsts Rücktritt als Ergebnis fehlender Einigkeit aller Beteiligten. Vorschläge des Bildungsressorts seien mitunter „von oben herab“ gemacht worden und hätten immer weniger Akzeptanz bei Schulen und Kitas gefunden, sagte Gewerkschaftschef Günther Fuchs der Deutschen Presse-Agentur. Versäumnisse sieht Fuchs beim Angehen des Problems fehlender Lehrkräfte.