Parteitag in Wolfenbüttel Machtwechsel bei der SPD – Lies beerbt Weil
Olaf Lies kommt an die Spitze – und übernimmt gleich doppelt: als Ministerpräsident und SPD-Chef in Niedersachsen. Wie der Sozialdemokrat tickt.

Wolfenbüttel - Olaf Lies ist neuer Parteichef der SPD Niedersachsen. Der 58-Jährige, der seit Dienstag auch niedersächsischer Ministerpräsident ist, erhielt beim Parteitag in Wolfenbüttel 96,39 Prozent der Delegiertenstimmen. Ex-Regierungschef Stephan Weil hatte angekündigt, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren.
Die Personalie kam nicht überraschend – Lies galt als gesetzt. Er war bereits von 2010 bis 2012 Landesvorsitzender. Schon damals strebte er den Posten des Ministerpräsidenten an. In einer Mitgliederbefragung über die Spitzenkandidatur bei der Wahl 2013 unterlag er jedoch knapp – ausgerechnet Stephan Weil. Dass dieser ihm nun den Weg freimacht, sendet auch ein Signal an die Partei – und verleiht dem Wechsel an der Spitze eine strategische Dimension.
Rückzug mit Kalkül?
Weil begründete seinen Rückzug Anfang April vor allem mit persönlichen Motiven: Mit 66 Jahren mache sich das Alter bemerkbar, sagte er. Die CDU wirft der SPD hingegen ein bloßes parteitaktisches Manöver vor, um Lies vor der nächsten Landtagswahl 2027 einen Amtsbonus zu ermöglichen.
Der Friesländer Lies, der zu Hause unter anderem Minischweine und Esel hält, hat in Hannover einen Ruf als Umarmer und geschickter Redner. Damit hebt er sich ab vom zwar beliebten, aber eher reserviert auftretenden Juristen Weil.
Enger Vertrauter mit Regierungserfahrung
Politisch sind die beiden hingegen eng verbunden: Zwölf Jahre lang gehörte Lies durchgängig den von Weil geführten Landesregierungen an. Von 2013 bis 2017 war er Wirtschaftsminister, von 2017 bis 2022 Umweltminister und seither erneut Wirtschaftsminister. Bei den Koalitionsverhandlungen im Bund leitete er vor wenigen Wochen die SPD-Arbeitsgruppe im Bereich Klima und Energie.
Die Nachfolge von „Landesvater“ Weil anzutreten, wird für Lies dennoch eine Herausforderung. Weil war in der Partei unangefochten, mit seiner ruhigen, bodenständigen Art schaffte er es, dass die SPD im Land zuletzt immer bessere Wahlergebnisse erzielte als bundesweit. Und: Weil agierte häufig auch als Brückenbauer zwischen der Landes- und Bundespolitik, auch wenn er keine Führungsrolle in der Bundes-SPD hatte.
Für die niedersächsischen Sozialdemokraten ist das Ende der Ära Weil ein Einschnitt, denn Niedersachsen stellt einen der stärksten SPD-Landesverbände. Mit Parteichef Lars Klingbeil, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Fraktionschef Matthias Miersch kommen gleich drei führende Sozialdemokraten aus dem Bundesland.
Energiepolitiker mit Profil
Um sich an der Parteispitze zu behaupten, dürfte Lies auf Themen setzen, in denen er als besonders kompetent gilt – allen voran die Energiepolitik. Den Ausbau erneuerbarer Energien sieht er als eine große Chance für Niedersachsen, wenngleich er die Energiewende pragmatischer angeht als der grüne Koalitionspartner. So forcierte Lies den Aufbau der LNG-Terminals und äußerte Zweifel am Kohleausstieg bis 2030.
Daneben machte Lies als Verfechter des Deutschlandtickets von sich reden, obwohl er selbst ein Liebhaber von Autos und Motorrädern ist. Drei VWs und zwei Motorräder besitze er, heißt es. Im Aufsichtsrat von Volkswagen, dem auch der Ministerpräsident automatisch angehört, kennt sich Lies übrigens bereits aus - von 2013 bis 2017 war er schon einmal Mitglied des Gremiums.