1. Startseite
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Migrationsministerium: Protokollnotiz zur Flüchtlingspolitik regt Opposition auf

Migrationsministerium Protokollnotiz zur Flüchtlingspolitik regt Opposition auf

Für die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung gibt es eine Milliarde Euro mehr Geld. Für Thüringens Regierungschef ein Teilerfolg. Die Opposition aber ist sauer - wegen einer Protokollerklärung des Freistaats.

Von dpa 11.05.2023, 11:40
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Martin Schutt/dpa

Erfurt - Thüringens Protokollnotiz zum Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern hat in der Opposition für Empörung gesorgt. „Als einziges Bundesland stellt sich Thüringen gegen die dringend notwendige Verschärfung des Asylrechts zur Begrenzung des Flüchtlingsstroms“, beklagte die CDU-Fraktion am Freitag. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) handele damit nicht im Interesse Thüringens.

Zuvor hatten sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern auf eine Aufstockung der Bundesmittel zur Finanzierung der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr verständigt. Der Bund hatte bei der Einigung eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber erst im November entschieden werden. Auf Thüringen dürften nach Berechnungen des Migrationsministeriums rund 26,3 Millionen Euro entfallen.

Thüringen hatte zur Einigung eine Protokollnotiz hinterlassen, in der die Landesregierung ein klares Bekenntnis des Bundes fordert, „die Kommunen und Länder aktuell und auch perspektivisch finanziell nicht allein zu lassen“. Es bedürfe eines atmenden Systems „bei dem nicht pauschale Summen, sondern Pro-Kopf-Finanzierungen zu Grunde gelegt werden, einschließlich der Kosten der Unterkunft“, heißt es in der Notiz.

Außerdem fordert der Freistaat darin einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik „anstatt einer Reihe aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen, der Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen und weiterer Abschottungsmaßnahmen“. Nötig seien auch Vereinfachungen der Arbeitsmöglichkeiten von geduldeten Flüchtlingen. „Das Chancen-Aufenthaltsrecht sollten auch Menschen nutzen können, die seit drei Jahren geduldet sind oder mit Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber in Deutschland leben.“

So ähnlich hatte es Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bereits im Vorfeld der Konferenz gefordert. Ramelow hatte sich für einen Spurwechsel ausgesprochen, um bestimmten Migranten den Weg in einen Job zu erleichtern.

Der migrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stefan Schard, griff Ramelow an: „Sein Gerede vom Spurwechsel verkennt die Realitäten in unseren Kommunen und an den Europäischen Außengrenzen.“

FDP-Gruppensprecher Thomas Kemmerich warf Ramelow vor, sich als „Held, der die Welt retten möchte“ zu inszenieren. „Tatsächlich löst seine Regierung damit keine Probleme im eigenen Land, sondern schafft beständig neue“, so Kemmerich.

Ramelow selbst wertete das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels als „Teilerfolg“. Man habe sich auf die drängendsten Aufgaben verständigt. So solle der Zugang der Geflüchteten stärker gesteuert werden, die Zahl und der Status der nach Deutschland gekommenen Menschen soll so früh wie möglich erfasst und Verfahren beschleunigt werden. Auch soll eine angemessene Unterbringung, Betreuung und Integration der Geflüchteten gewährleistet, aber auch Straftäterinnen und Straftäter zügig zurückgeführt werden.

„Der notwendige Paradigmenwechsel kann nur dann Erfolg haben, wenn er eine Vereinfachung und Erleichterung der Arbeitsmöglichkeiten von geduldeten Flüchtlingen beinhaltet“, bekräftigte Ramelow. Seiner Meinung nach sollten auch Menschen das Chancen-Aufenthaltsrecht nutzen können, die seit drei Jahren geduldet sind oder mit Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber in Deutschland leben. „Ein solcher Spurwechsel käme arbeitssuchenden Flüchtlingen wie auch der unter dem Fachkräftemangel leidenden Wirtschaft gleichermaßen zugute.“

Thüringens Migrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne) zeigte sich enttäuscht von den Beratungen. „Es gibt zwar nun doch eine finanzielle Unterstützung des Bundes, aber sie ist bei Weitem nicht ausreichend und ein Wandel in der Flüchtlingspolitik ist nicht zu erkennen“, sagte sie. Denstädt stellte sich gegen Asylrechtsverschärfungen. „Eine repressive Politik gegenüber Schutzsuchenden ist inhuman. Zudem hat sie bereits in den vergangenen Jahren nicht funktioniert und wird es auch künftig nicht.“ Man brauche Unterstützung bei Aufnahme, Asylverfahren und Arbeitserlaubnissen. „Nur mit gelingender Integration in das soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld können die bestehenden Herausforderungen zu Chancen für uns alle werden.“

Denstädts Ministerium steht selbst in der Kritik. Die Ausländerbehörden der Landkreise Gotha, Ilm, Saalfeld-Rudolstadt, Unstrut-Hainich und der kreisfreien Städte Weimar und Erfurt hatten sich in einem Brief an das Ressort gewandt und mehr Unterstützung gefordert. Außerdem wiesen die Autoren auf unterschiedliche Rechtsauffassungen bei der Auslegung des Chancen-Aufenthaltsrechts hin. Zuvor hatte die „Thüringer Allgemeine“ darüber berichtet. FDP-Gruppenchef Kemmerich forderte eine parlamentarische Aufarbeitung der Vorwürfe. Der AfD-Abgeordnete Stefan Möller kündigte an, das Schreiben zum Thema im Justizausschuss zu machen.