Archäologie Rentiergeweih wirft neues Licht auf Altsteinzeit im Harz
Ein 12.000 Jahre altes Geweih und aufgeschlagene Langknochen belegen, dass Menschen Rentiere im Harz zerlegt und verwertet haben. Die Neuanalyse stammt aus einer historischen Grabung von 1936.

Elbingerode - Archäologen haben im Harz das bislang älteste bekannte Rentiergeweih der Region identifiziert. „Die rund 12.000 Jahre alte Abwurfstange eines männlichen Rentiers stammt aus der inzwischen zerstörten Höhle Zwergenloch bei Elbingerode“, sagte der Prähistoriker Marcel Weiß vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. „Das Objekt war bereits 1936 ausgegraben worden. Der Archäologe Paul Grimm hatte im Zwergenloch nach altsteinzeitlichen Spuren gesucht.“ Nun wurde der Fundkomplex erneut untersucht.
Neubewertung des historischen Fundes
Bei der Durchsicht der historischen Fundkiste stießen die Forscher neben dem Geweih auf zwei kleine Langknochen-Fragmente vom Rentier, jeweils nur drei bis sechs Zentimeter groß. „Diese Knochen wurden eindeutig von Menschen aufgeschlagen, um an das energiereiche Knochenmark zu gelangen“, sagte Weiß. Das passe zur Lebensweise der damaligen Jäger und Sammler, die in der späten Eiszeit dem mageren Wild hinterher zogen.
Die Datierungen der Knochen stimmen mit dem Alter der Abwurfstange überein. Es handle sich um das Geweih eines männlichen Tieres. „In der Eiszeit haben Rentiere wahrscheinlich im Frühjahr den Harz als Sommerweide genutzt“, sagte Weiß. „Damals zogen die Tiere im Frühling in die Berge und im Herbst wieder hinunter ins Harzvorland. Die Menschen haben ihnen entlang dieser Wanderwege nachgestellt.“
Knochenmark der Tiere spendete Fett zum Überleben
Die gefundene Abwurfstange ist etwa 50 Zentimeter lang, verzweigt, aber ohne Geweihschaufel. Die Knochenfragmente zeigen typische Schlagspuren. „Fett war überlebenswichtig. Das Knochenmark war eine der wichtigsten Energiequellen“, sagte Weiß. Der Fund fügt sich in das Bild spezialisierter Rentierjäger ein, wie sie aus der Ahrensburger Kultur bei Hamburg bekannt sind. Diese Menschen lebten vor etwa 12.800 bis 11.600 Jahren im nördlichen Mitteleuropa.
Neue Grabungen zur Altsteinzeitforschung im Harz
„Die Untersuchungen an den Altfunden sind deshalb so wichtig, weil es im Harz bisher nur wenige sichere altsteinzeitliche Nachweise gibt“, sagte Landesarchäologe Harald Meller. Dazu gehörten etwa eine rund 34.000 Jahre alte Knochenspitze aus der Hermannshöhle Rübeland oder altsteinzeitliche Objekte aus der Einhornhöhle bei Scharzfeld (Niedersachsen). „Der Harz ist ein nahezu weißer Fleck der Altsteinzeitforschung“, sagte der Landesarchäologe. „Wir planen, im kommenden Jahr neue Untersuchungen zu starten.“ Zunächst müssten frühere Fundstellen erneut geprüft werden, insbesondere jene, aus denen Museumsstücke stammen. Ziel sei es, der frühen Besiedlungsgeschichte des Harzes weiter auf die Spur zu kommen.