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Musik Rolando Villazón: „Die Reifung eines Künstlers braucht Zeit“

Rolando Villazón ist eines der bekanntesten Gesichter der Klassik- Branche. Als Sänger, Regisseur, Moderator und auch Schriftsteller ist er weithin bekannt und beliebt. In der Mitte des Lebens rät er dem künstlerischen Nachwuchs, den Glauben an sich selbst nie aufzugeben.

Von dpa 09.05.2023, 06:58
Der mexikanisch-französische Opernsänger Rolando Villazón steht auf der Bühne der Semperoper.
Der mexikanisch-französische Opernsänger Rolando Villazón steht auf der Bühne der Semperoper. Robert Michael/dpa

Dresden - Opernsänger Rolando Villazón (51) hat mit den Erfahrungen seines Berufslebens viele Ratschläge für junge Künstler parat. „Die Karriere hängt in erster Linie mit dem Kopf zusammen, das ist noch wichtiger als die Stimme. Wichtig ist, was die Neuronen machen“, sagte der Tenor im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. „Die Reifung eines Künstlers braucht Zeit. Er muss immer danach streben, der Beste in seiner Kunst zu werden.“

Nach Ansicht von Villazón lässt sich eine Karriere in zwei Ebenen einteilen - eine professionelle und eine künstlerische. Beide seien wichtig. „Die berufliche Karriere mag vielleicht schon im Alter von 35 Jahren ihren Höhepunkt finden, die künstlerische geht aber immer weiter - das ist eine wunderbare Sache. Sie geht so weit, wie man das selber möchte, auch wenn man keine Berühmtheit ist. Das Ziel muss sein, sich immer weiter zu entwickeln, egal war die Kritiken sagen.“

Villazón singt an der Semperoper in Dresden derzeit die Titelpartie in Monteverdis „L'Orfeo“. Ende März war er an gleicher Wirkungsstätte als Regisseur der Bellini-Oper „La sonnambula“ zu erleben und errang auch damit einen großen Erfolg. Einen solchen Perspektivwechsel in so kurzer Zeit habe er noch nie gemacht, bekannte der Künstler. „Das war eine interessante Erfahrung. Ich liebe die Arbeit als Regisseur und Sänger gleichermaßen.“

„Wenn ich Regisseur bin, bin ich ganz Regisseur. Natürlich fließen dann auch meine Erfahrungen als Sänger ein“, erklärte Villazón. Das helfe ihm sehr, die Gefühle der Kollegen auf der Bühne zu begreifen. „Und wenn ich Sänger bin, dann bin ich nur Sänger. Ich spreche mit dem Regisseur als Sänger und aus dessen Perspektive.“ In beiden Fällen gehe es ihm darum, seine Rolle ganz ausfüllen.

„Ich liebe meine Arbeit. Meine Träume orientieren sich an der Realität. Eine Karriere ist nun mal, wie sie ist. Ich bin glücklich mit all den wunderbaren Sachen, die ich bisher machen konnte“, sagte Villazón. Als Künstler sei er aber immer neugierig geblieben und habe sich nach neuen Dingen umgeschaut. „Heute habe ich vielleicht mehr Ehrfurcht als in meiner Zeit als junger Künstler. Die Mitte des Lebens ist eine gute Zeit, man fühlt sich ausgeglichen und wohl im Geist und Körper.“

In prall gefüllten Terminkalendern mit Engagements schon Jahre voraus sieht Villazón kein Hemmnis für Kreativität. „Man fühlt sich ruhig mit der Aussicht auf schöne Vorhaben und bezieht daraus Energie. Andererseits kann es gefährlich sein, sich in dem Wissen zu wiegen, man müsse sich nicht mehr weiterbewegen.“ Ihm gebe eine solche Terminplanung Struktur. Zuletzt habe er nur ein paar Projekte als Regisseur gemacht und sich mehr auf das Sängerische konzentriert.

„Ich brauche viel Zeit, um mich auf neue Projekte vorzubereiten. Manchmal brauche ich drei Jahre, um eine Rolle zu lernen, zum Beispiel den Loge. Mit einem langen zeitlichen Vorlauf in der Planung kann ich mich also schon heute mit Dingen befassen, um sie dann wirklich ausfüllen zu können. Man braucht Zeit, um Werke zu verinnerlichen“, sagte Villazón.

Auch deshalb sei die Salzburger Mozartwoche - als deren Intendant Villazón fungiert - schon bis 2028 konzipiert. Neben anderen „Orfeo“- Produktionen plant er die Titelpartien in Mozarts „Idomeneo“ und „La clemenza die Tito“. Auch andere Dinge seien in Vorbereitung. Er wolle aber lieber nicht über Dinge sprechen, die noch nicht in trockenen Tüchern sind.

Nach Einschätzung von Villazón erholt sich die Musikwelt erst nach und nach von den Folgen der Corona-Pandemie: „Ich hatte zuerst Angst um die Mozartwoche zu Jahresbeginn. Aber es war eine der erfolgreichsten.“ Für Festivals scheine es derzeit besser zu laufen als für manche einzelnen Konzerte oder Opernproduktionen.

Villazón: „Vielleicht haben manche Leute noch zu viel Angst, sich in der Menge des Publikums zu infizieren. Vielleicht haben sie sich aber auch in der Pandemie gut Zuhause eingerichtet - mit einem Glas Wein vor dem Bildschirm.“ Im eigenen Haus habe man Kunst erleben können, teilweise ohne bezahlen zu müssen. „Wir müssen unser Publikum zurückgewinnen. Das echte Live-Erlebnis ist mit nichts anderem vergleichbar.“