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Forschung SED-Beauftragter: Auf Unrechtsopfer mehr Rücksicht nehmen

Die gesundheitlichen und psychischen Probleme früherer Heimkinder, politischer Häftlinge oder Dopingopfer müssten in der Praxis stärker berücksichtigt werden. Dabei soll die Forschung helfen.

Von dpa 11.06.2025, 13:35
Es gebe nach wie vor ein „Wissensdefizit“, so der Politikwissenschaftler.
Es gebe nach wie vor ein „Wissensdefizit“, so der Politikwissenschaftler. Michael Reichel/dpa

Der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi, beklagt den Umgang mit SED-Unrechtsopfern. Die Langzeitfolgen, mit denen Betroffenen zu kämpfen haben, würden von Ärzten, Behörden und auch zunehmend in Altenpflegeheimen noch nicht ausreichend ernst genommen, so Wurschi. 

Eine Veranstaltung zum Abschluss des Forschungsprojekts „Gesundheitliche Langzeitfolgen von SED-Unrecht“ am Mittwoch richte sich deshalb an Personen aus Medizin, Therapie, Politik aber auch an Menschen in der öffentlichen Verwaltung und Betroffenenarbeit. Es gebe nach wie vor ein „Wissensdefizit“, so der Politikwissenschaftler, „dass man mit in dieser Hinsicht traumatisierten Menschen zusammenarbeitet und dass diese Problemlagen keine persönlichen sind, sondern eigentlich aufgrund ihrer Biografie entstanden sind“.

Gesetzesnovelle ermöglicht leichteren Zugang zu Hilfeleistungen

Ein Forschungsverbund der Universitätskliniken Jena, Leipzig, Magdeburg und Rostock hat über einen Zeitraum von vier Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse zur gesundheitlichen Situation von Betroffenen des SED-Unrechts untersucht. Die Erkenntnisse flossen auch in eine Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze im September 2024 ein. Für Opfer von SED-Unrecht soll es demnach künftig deutlich einfacher werden, einen Anspruch auf Hilfeleistung oder eine Reha-Maßnahme zu erhalten, so der Jenaer Psychologieprofessor und Sprecher des Forschungsverbunds, Bernhard Strauß. Bislang sei dafür der akribische Nachweis eines unmittelbaren kausalen Zusammenhangs nötig gewesen. Das sei in der Praxis aber nahezu „eine Unmöglichkeit“, so Strauß. 

Stichprobenvergleich zeigt Krankheitsanfälligkeit bei Unrechtsopfern

Vergleichende Stichprobenuntersuchungen mit Opfern von Stasi-Zersetzungsmaßnahmen und Personen mit DDR-Sozialisation, die keine Zersetzung erlebt haben, hätten etwa biologische Unterschiede gezeigt, so Strauß. „Zum Beispiel haben die Zersetzungsopfer auffälligere Entzündungsparameter. Also das ist ja ein Indikator auch für eine höhere Anfälligkeit für körperliche Erkrankungen“, so der Mediziner. Künftig sollen nachweislich von SED-Unrecht Betroffene deshalb bereits Hilfe erhalten können, wenn ihr Krankheitsbild einem für Unrechtsopfer typischem Bild entspreche. 

Forschung schätzt allein die Zahl der Dopingopfer auf bis zu 25.000

Ein entsprechender Kriterienkatalog soll nun in Zusammenarbeit unter anderem des Bundesjustiz- und des Bundessozialministeriums mit einem Expertengremium erarbeitet werden, so Strauß. Die aktuelle Forschung schätze die Zahl der DDR-Dopingopfer in Spitzen- und Breitensport auf bis zu 25.000 Personen. Die Zahl der von Zersetzung Betroffenen sei deutlich schwieriger zu schätzen, liege nach Ansicht des Experten aber mindestens im fünfstelligen Bereich.

Der Landesbeauftragte sieht in den Forschungsergebnissen auch eine späte Anerkennung für viele der Betroffenen. „Dass vonseiten der Wissenschaft nachgewiesen wird, dass ihr Gefühl beziehungsweise ihr Gesundheitszustand, mit dem sie sich auseinanderzusetzen haben, wirklich von der Repression aus DDR-Zeiten auch ursächlich mitkommt, ist eine große Befriedigung“, so Wurschi.