Erneuerbare Energien Trübe Aussichten für die Solarbranche
Millionen Solaranlagen, aber kaum noch deutsche Technik: Immer neue Insolvenzanträge belasten die längst angeschlagene Branche. Auch beim Eigenheim lässt der Solarboom hierzulande laut Experten nach.

Berlin - Ein „Solar Valley“ im Osten Deutschlands sollte das Aushängeschild für die Produktion deutscher Solarzellen sein. Von der einstigen Spitzenposition ist nach einer Pleitewelle in der Branche aber nicht mehr viel übrig. Solarmodulhersteller können vor allem dem Preisdruck aus Asien kaum standhalten - und 2025 geht die Krise mit Insolvenzanträgen weiter. Für den Solarmodulhersteller Meyer Burger etwa ist derzeit die Suche nach Investoren im Gang.
Beim Vertrieb und der Montage von Photovoltaik-Anlagen (PV) ist Deutschland laut Experten wirtschaftlich noch gut aufgestellt - aber wie lange? Nach Boom-Jahren schwächelt der Ausbau der Solarenergie im Vergleich zum Vorjahr. „Zwischen 2019 und 2023 verzehnfachte sich die Photovoltaik-Nachfrage bei Eigenheimbesitzern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig. Zuletzt sei sie in Deutschlands Eigenheimsiedlungen aber spürbar zurückgegangen.
Nischenmärkte als Chance?
Der Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Volker Quaschning, ist überzeugt, die einzige Chance im Bereich der Produktion seien Nischenmärkte. Aber auch deutsche Hersteller von Komponenten wie Wechselrichtern oder Batteriespeichern stehen inzwischen schon massiv unter Kostendruck durch ausländische Konkurrenz, meinte er.
In einem Feld der Spezialisierung, der Solarglas-Herstellung, traf die Krise jetzt auch die Glasmanufaktur Brandenburg GmbH in der Lausitz. Das Unternehmen - laut Verband wohl das letzte dieser Art in Deutschland - musste im Juli einen Insolvenzantrag stellen. Zwei Wirtschaftsminister in Brandenburg hatten sich bei der ehemaligen Bundesregierung für den Schutz der heimischen Solarglasindustrie mit Hilfe eines Resilienzbonus und für Anti-Dumping-Maßnahmen der EU eingesetzt.
Die meisten PV-Anlagen kommen aus China
Knapp 5,3 Millionen Photovoltaikanlagen sind in Deutschland auf Dächern, Balkonen, Freiflächen und teilweise auch auf Gewässern installiert. Die meisten kommen aus China. Das asiatische Land produziert mit staatlichen Subventionen zu deutlich niedrigeren Preisen.
Photovoltaik erzeugt inzwischen eine installierte Leistung von etwa 107,5 Gigawatt in Deutschland und deckt nach Einschätzung des Solarwirtschaft-Verbandes rund 15 Prozent des deutschen Strombedarfs. Bis 2030 sollen es nach dem Ziel der Bundesregierung 215 Gigawatt sein.
„Das ist kein Selbstläufer“, meinte BSW-Hauptgeschäftsführer Körnig. Um das politische Ausbauziel zu schaffen, müsse die installierte Photovoltaik-Leistung deutlich zulegen und vor allem auch der Speicherausbau erheblich beschleunigt werden.
In den Vorjahren lief es laut Verband richtig gut, weil Marktbarrieren abgebaut worden seien. Zudem investierten die Menschen in der Corona-Pandemie viel ins Eigenheim. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe die Suche nach Unabhängigkeit bei der Energieversorgung verstärkt. „Inzwischen ist die solare Sonderkonjunktur wieder abgeflaut“, so Körnig.
Investorensuche für Meyer Burger
Beim Schweizer Solarmodul-Hersteller Meyer Burger ruht an den Standorten in Sachsen und Sachsen-Anhalt mit zusammen um die 500 Mitarbeiter die Produktion. Der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther sieht aber Sanierungschancen: „Meyer Burger hat exzellente Produkte, hervorragendes Know-how und eine hochmoderne Fertigung.“ Die Insolvenz biete Investoren „jetzt die Möglichkeit, den Betrieb ohne Altverbindlichkeiten zu übernehmen“, sagte er. „Es gibt eine Reihe von Interessenten, mit denen wir aktuell verhandeln.“
Allzu viel Zeit für eine Rettung des Unternehmens dürfte nicht bleiben. Das Insolvenzgeld, um ausstehende Löhne und Gehälter zu ersetzen, läuft Flöther zufolge für die zwei Meyer Burger-Standorte in Bitterfeld-Wolfen und Hohenstein-Ernstthal bis Ende Juli beziehungsweise Ende August. Im nordhessischen Landkreis Kassel dauert beim Solartechnik-Hersteller SMA das Sparprogramm an. Um die 700 Stellen sollen bis Ende 2025 in Deutschland wegfallen, weltweit 1.100.
Forderung nach „Resilienz-Bonus“ bislang erfolglos
Aus Sicht des Direktors des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, Andreas Bett, ist seit der Bundestagswahl Verunsicherung bei Investoren zu spüren. Viele fragten sich, ob unter Schwarz-Rot der Ausbau der erneuerbaren Energien womöglich gebremst werde.
Es sollte staatliche Unterstützung geben, um die Solarbranche wiederzubeleben, so der Solarforscher. Eine Chance könnte auch der „Net Zero Industry Act“ der EU sein. Das bedeutet, die Produktion von CO2-freien Technologien in Europa soll angekurbelt und die Abhängigkeit von Import verringert werden. Hersteller in Deutschland riefen 2024 immer wieder nach einem „Resilienz-Bonus“ zur Förderung heimischer Solarmodule.
Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man stehe im Austausch mit der Branche „zu der wirtschaftlich sehr herausfordernden Marktsituation“. Die Signale von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) deuteten bislang auch darauf hin, dass sich bei den politischen Zielen für die Energiewende einiges ändern könnte.
Solarforscher: „Es ist nicht alles hoffnungslos“
Trotz der tiefen Krise setzt Solarforscher Bett auf Innovationen aus Deutschland: „Es ist nicht alles hoffnungslos, und ohne Forschung hat man überhaupt keine Chance mehr.“ Er verweist etwa auf das Unternehmen NexWafe, das sogenannte Wafer - einfach gesagt: Silizium-Scheiben - mit einem neuen Verfahren kostengünstiger herstellen will. Die Ausgründung des Fraunhofer-Instituts will eine neue Fabrik am Industriestandort Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt eröffnen, wo einst ein „Solar Valley“ blühen sollte.

