Österreich Von der kleinsten Großstadt der Welt ins Weinparadies
Im Südburgenland erfährt man, was Josef Haydn und den “englischen Patienten“ verbindet.

Willkommen in der kleinsten Großstadt der Welt. Diesen Titel hat sich Eisenstadt, Landeshauptstadt des Burgenlandes – das ist das jüngste österreichische Bundesland – selbst verpasst. Die gut 14.000-Einwohner-Kommune kokettiert augenzwinkernd damit, dass sie trotzdem all das vorweisen kann, was ihre größeren Schwestern wie Wien, Bratislava oder Budapest auch haben. Das meint nicht Flughafen, U- oder Straßenbahn oder einen majestätischen Fluss, der durch das Stadtgebiet rauscht. Das meint jede Menge Geschichte und Kultur.
Eisenstadt verfügt über eine zauberhafte Innenstadt, gleichzeitig putzige Einkaufszone. Etwa einen Kilometer lang und einen halben Kilometer breit. Lauschige Cafés, kleine Läden, Wohlfühlprogramm.
Am West-Ende der Mini-City thront das prächtige Barock-Schloss Esterhazy, ein Sitz des mächtigen ungarischen Adelsgeschlechts. Er gehört noch heute der Familie, ist gleichzeitig ein Museum, in dessen Glanz und Geschichtsträchtigkeit man sich locker ein paar Tage versenken kann.
Haydn-Spaß
Star-Komponist Joseph Haydn (1732-1809) verbrachte mehr als 30 Jahre seines Lebens auf Schloss Esterhazy und wurde dafür vergleichsweise fürstlich bezahlt. Neben einem ordentlichen Salär gab es jeden Monat ein Fässchen von den Esterhazyschen Weingütern. Dafür musste der Musiker täglich zwei Mal zum Rapport beim Chef und haarklein berichten, wie es mit der aktuellen Komposition vorangeht.
Einen eigenen Saal hatte er auch. Der große Saal des Schlosses, 28 Meter lang, 14 Meter breit und 12 Meter hoch, verfügt, auch Dank der hohen und speziell gegliederten Decke, über eine perfekte Akustik. Heißt natürlich – Haydn-Saal. Hier im Eisenstädter Schloss erfährt man wirklich alles über den Komponisten. Auch, dass er, als sein Gönner Fürst Nicolaus 1790 starb, vom unmusikalischen Nachfolge-Herrscher mitsamt des kompletten Orchesters in Pension geschickt wurde. Großes Glück für Haydn: Das Einkommen lief weiter, als Freiberufler ging er nach Wien, wo er das berühmte Kaiserquartett (auch Melodie der deutschen Nationalhymne) komponierte. Und nach London – hier entstand zum Beispiel die heute in jedem Grundschul-Musikunterricht behandelte Sinfonie mit dem Paukenschlag.Weitere Informationen auf: esterhazy.at/schloss-esterhazy
Der „Englische Patient“
Bucklige Welt heißt das Grenzland von Steiermark und Burgenland. Und genauso sieht es hier auch aus. Schon von weitem sieht man auf dem Gipfel eines Buckels Burg Bernstein thronen. Der junge Schlossherr Erasmus Almassy empfängt uns mit einem Rundgang. Üppig bewachsener, verwunschener Burggraben, Zimmer mit uralten Möbeln, jedes mit einem eigenen Kamin, der vom Flur aus beheizt wird. Knarzende Holzböden, prächtiger Fernblick aus den winzigen Fenstern.
Das Schloss fungiert von Mitte Mai bis in den Herbst hinein als besonderes Hotel. Mit Nostalgie-Garantie und ohne Fernseher. “Im Winter bekommen wir das hier nicht warm“, sagt der Schlossherr. Elf Öfen in neun Zimmern wie vor hundert Jahren rund um die Uhr mit Holz beheizen – das ist einfach nicht zu schaffen.
Abendessen gibt es in der Schlossküche. An der acht Meter langen Tafel direkt neben dem bullernden Holzherd. In den der Hausherr gerade eine selbstgemachte Pastete geschoben hat. Hier, auf Burg Bernstein, ist Ladislaus von Almassy (1895-1951) aufgewachsen. Tollkühner Wüstenpilot, Afrikaforscher und deutscher Spion im zweiten Weltkrieg. Sein Leben wurde im Hollywood-Erfolg “Der englische Patient“ mit Ralph Fiennes verfilmt.
Immer wieder wird der Besucher an verschiedenen Stellen der Burg an den prominenten Bewohner erinnert: In Vitrinen, an den Wänden, auf Kaminsimsen. Ladislaus von Almassys Fliegerbuch, seine Armbanduhr…
Die dicken Sandsteinmauern im Innenhof speichern die Sonnenwärme. Die perfekte Erholung: Einfach auf einer Bank unter den blaublühenden Glyzinien-Ranken sitzen, den extrem beruhigenden Soundtrack von Burg Bernstein inhalieren: Brummende Hummeln, flötende Amseln, leises Geschirrklappern aus der Schlossküche.
Blaumachen erwünscht
In Steinberg-Dörfl stellt Josef Koo (64) wie vor 100 Jahren Stoffe im Blaudruck-Verfahren her. Alles in Handarbeit: Mit Walzen wird auf den weißen Leinenstoff ein Muster aus Pech aufgetragen. Dann wird der Stoff in eine riesige Wanne voll bräunlicher Brühe, ein Extrakt aus der Pflanze Färberwaid, getaucht. Und schließlich in die Sonne gehängt. Durch das Licht färbt sich der Stoff langsam blau. Josefs Garten sieht aus wie aus einer 70er-Jahre Waschmittelwerbung. Hundert Meter Leinen mit (nicht strahlend weißen, sondern) mehr oder weniger blitzblauen Stoffbahnen. “Hier muss man einfach warten, bis die richtige Farbe erreicht ist“, erklärt der Handwerker. Daher kommt der Begriff “Blaumachen“. Die fertigen Stoffe sind bei Designern und Produzenten in der ganzen Welt begehrt.
Weitere Informationen auf: www.originalblaudruck.at
Radeln mit Genuss
Weinidylle heißt Österreichs kleinstes Weinanbaugebiet, ganz im Süden des Burgenlandes. Trotzdem braucht man Tage, um die Tropfen auch nur einigermaßen durchzuprobieren. Ideales Fortbewegungsmittel ist dabei das Fahrrad. Die Radwege führen von Weinberg zu Weinberg. Einkehr im Weingut Wiesler-Schreiner in Eisenberg. Patron Thomas Schreiner kredenzt: Uhudler-Frizzante, Jungen Riesling, Welschriesling, Chardonnay, Zweigelt, Blaufränkischen… “Immer nur einen kleinen Probeschluck“, sagt Winzer Thomas. Schließlich geht es später wieder aufs Rad.
Die Reifen knirschen über den Iron Curtain-Trail, das ist der Radweg entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Obwohl wir immer brav geradeaus am Flüsschen Pinka langradeln, wechseln wir gefühlt alle paar Minuten von Österreich nach Ungarn wieder nach Österreich. Die Dörfer heißen in schönem Wechsel Deutsch-Schützen, Pornoapati, Bildein, Szentpeterfa, Moschendorf… Ein Zeichen, dass das viele Jahre brutal in West und Ost getrennte Europa längst wieder zusammengewachsen ist.
Zurück geht es durch die Weinberge. Ständig muss man neu entscheiden a) weiterstrampeln, b) bei einem der zahlreichen Heurigen einkehren. Zum Beispiel bei Winzer Andreas Grosz in Gaas. Auf einen frischen Welschriesling, dazu ein schuhsohlengroßes, duftend frisches Brot, satt belegt mit saurer Extrawurst (in hauchdünne Scheiben geschnittene Sülze mit Essig und Zwiebeln). “Alles selbstgemacht“, sagt Andreas. Den grandiosen Talblick gibt es gratis dazu.
Wie von einem Riesen nach Zufallsprinzip hingewürfelt liegen die uralten Kellerstöckl, kleine Weinhäuschen, in der Landschaft verteilt. Franz-Josef Vurglics hat, wie viele hier, sein Kellerstöckl zum Ferienhäuschen umgebaut. Wohnen auf der Obstwiese unter uralten Kirsch- und Apfelbäumen, zwischen Fliederbüschen und Walnussbäumen.
Wer Durst hat, kehrt nebenan bei Pepo ein. Eigentlich heißt er Josef, Josef Wiesler. Seine architektonisch hypermoderne Vinothek ist zwischen all den historischen Weinberghäuschen dennoch kein Fremdkörper, sondern eher passende Ergänzung. Hier gibt es eine feine Auslese der besten Weine aus der Umgebung. Spätestens nach dem zweiten Chardonnay vom Weingut Stubits oder Rotburger vom Schützenhof möchte man hier sowieso nicht wieder weg. Notfalls kann man gleich in der dazugehörigen Wohnothek übernachten – stylische Holz-Kuben mit allem Komfort. www.ratschen.at
Falls, was äußerst wahrscheinlich ist, das mit dem Durchprobieren der heimischen Weine nicht in einer Woche klappt – unbedingt nochmal ins Südburgenland. Und nochmal. Und…

Das Burgenland ist Österreichs jüngstes Bundesland. Erst seit 1921 gehört das frühere Deutsch-Westungarn dazu. Hier leben knapp 20.000 Menschen, neben Deutsch wird in einigen Gemeinden auch kroatisch und ungarisch gesprochen. Seit dem Fall des eisernen Vorhangs 1989 ist das Burgenland keine abgehängte Grenzregion mehr, sondern liegt mitten in Europa.
Anreise: Am schnellsten mit dem Flieger nach Wien, weiter mit Bahn oder Mietwagen
Nachtzug z.B von Berlin, Hamburg oder Hannover nach Wien ab 29 Euro www.nightjet.com
Übernachten: Historische Romantik auf Burg Bernstein, www.burgbernstein.at
Wohnen im Weinberghäuschen bei Franz Josef www.franzjosefamratschenberg.at
Einkehren: Probier-Paradies im Buschenschank am Fuße des Eisenbergs www.wieslerschreiner.at
Bauernbrot mit Ausblick www.weingut-grosz.at