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Hauptstadt soll auf das Anderthalbfache anwachsen / Zwangsenteignungen befürchtet Viel Wirbel um Russlands "Geheimaktion Groß-Moskau"

Von Ulf Mauder 04.08.2011, 04:33

Moskau gilt mit mehr als zehn Millionen Einwohnern als Europas größte Stadt. Sie platzt aus allen Nähten. Deshalb soll Russlands Hauptstadt nun wachsen – auf etwa das Anderthalbfache.

Moskau (dpa). Von so einer Chance wie die russische Hauptstadt könne jede andere Megapolis dieser Welt nur träumen, sagt Moskaus Vizebürgermeister Wladimir Ressin. Der 75-Jährige frohlockt, dass die Metropole mit den mehr als zehn Millionen Einwohnern bald über sich hinauswächst. Um 1460 Quadratkilometer – das ist etwa das Anderthalbfache der bisherigen Stadtgröße – auf 2530 Quadratkilometer soll Moskau wachsen. Damit dehnt sich Moskau fast um die Fläche von Berlin und Hamburg aus.

Diese gigantische Eingemeindung des Moskauer Umlandes kommt ganz ohne jede Vorwarnung. Und das ärgert viele Moskauer, die sich einmal mehr vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Keinen Monat dauerte es von der Forderung des Präsidenten Dmitri Medwedew, die Stadt großzügig zu erweitern, bis zur Vorlage eines Generalplans. Gutachten? Öffentliche Debatten? Fehlanzeige.

Kritiker befürchten Zwangsenteignungen, das Ende der Selbstverwaltungen in den Umlandstädten und auch sonst allerhand sozialen Sprengstoff. Als "Geheimaktion Groß-Moskau" kommentierten Medien das Projekt. Es sei typisch für den Politikstil von Regierungschef Wladimir Putin, dem Ex-Geheimdienstoffizier, so ein Projekt in tiefster Verborgenheit ausbrüten zu lassen, schrieb das Magazin "Kommersant Wlast". Gegen die anstehenden Kosten dieses Jahrhundertvorhabens nähmen sich die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi am Schwarzen Meer mit geschätzten 24 Milliarden Euro Kosten wie "Taschengeld" aus.

"Die bisherige Fläche reicht einfach für nichts: nicht für neue Straßen, nicht für Geschäfte, nicht für Häuser", begründet Rathausvize Ressin in einem Interview mit der Boulevard-Zeitung "Komsomolskaja Prawda" diese historisch einmalig große Ausdehnung. Auch die Regierung soll den alten Stadtkern verlassen und ins neue Moskau ziehen. Zumindest diesem Teil des Plans können die Moskauer mehrheitlich Positives abgewinnen. Medwedew begründete die Ausdehnung außerdem mit dem dringend nötigen Bau eines internationalen Finanzplatzes nach dem Vorbild Frankfurts oder Londons.

Die Hauptstädter ärgern sich seit langem, dass die riesigen Stadtautobahnen immer wieder gesperrt werden. Staatsbeamte rasen mit Blaulicht und Sirenen durch die Stadt. Lange Staus sind die Folge. Zwar wird die Zahl der Bewohner durch den Flächenzuwachs zunächst nur um eine Viertelmillion steigen. Doch Experten erwarten, dass sich Hunderttausende von Auswärtigen in dem ausgewiesenen Gebiet niederlassen, um bald Moskauer zu werden. Ein Hauptstadt-Wohnsitz ist nicht leicht zu bekommen. Traditionell aber zieht es viele Russen wegen besserer Verdienstmöglichkeiten hierher.