Künstliche Intelligenz Wenn Maschinen fragen und antworten - Wie Politik KI nutzt
Künstliche Intelligenz unterstützt Thüringer Politiker beim Verfassen von Anfragen und Reden. Für die Verwaltung könnte das noch zur Belastung werden. Braucht es Waffengleichheit?

Erfurt - Thüringer Politiker lassen sich von Künstlicher Intelligenz bei ihrer Arbeit helfen. Der Einsatz generativer KI ist im Politikbetrieb in Erfurt verbreitet, aber unterschiedlich: Vom Redenschreiben über die Auswertung komplexer Texte bis hin zum Vorformulieren von Kleinen Anfragen reicht die Bandbreite. Teils steigern Abgeordnete nach eigenen Angaben ihre Produktivität, was Strukturen im Regierungsapparat zu verstopfen droht. Sollte KI also auch Einzug in die Verwaltung halten? Teils ist das schon Realität. Doch welche Folgen hat es, wenn Fragen an die Regierung von Maschinen kommen - und Maschinen im Namen der Regierung antworten?
Überlastung der Verwaltung droht
Der AfD-Politiker Ringo Mühlmann nutzt KI ausgiebig: Nach eigenen Angaben entwickelt er mit Hilfe von ChatGPT und Co Kleine Anfragen an das Innenministerium, wertet Antworten von dort mit KI aus und füttert sie mit Presseartikeln, um Themen für sich zu erschließen. Auch für die Erstellung von Anträgen nutze er es. „Ich habe auch schon Reden damit zumindest vorbereiten lassen.“ Auch Selbstbefassungsanträge im Innenausschuss entwickle er mit KI - die Ergebnisse seien aber nicht immer direkt brauchbar.
„KI hilft, den Teil der Arbeit einzusparen, in dem es um Formulierungen geht“, sagt Mühlmann. Ohne Kenntnisse vom Fachgebiet gebe es aber keine Zeitersparnis, weil die KI-Resultate nicht zuverlässig seien und überprüft werden müssten. Wer sich in seinem Thema nicht auskennt, brauche dafür viel Zeit.
Der CDU-Abgeordnete Andreas Bühl sieht die Gefahr einer Überlastung der Verwaltung und spricht von einem Missverhältnis. „Auf der einen Seite hat man die Abgeordneten, die frei darin sind, welche Mittel sie benutzen. Auf der anderen Seite hat man eine Verwaltung, die bei weitem nicht so frei ist, mit gleichen Mitteln zu antworten“, sagt er. „Das schafft natürlich eine einseitige Überforderung.“ Er selbst nutzt KI, um beispielsweise seine Reden zu schärfen oder geeignete Formulierungen zu finden.
Mehr Produktivität birgt Herausforderungen
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Thorsten Thiele erhöht der Einsatz von KI die Produktivität, weil Aufgaben, für die vorher Hilfskräfte gebraucht wurden, nun auch teilweise von KI erledigt werden können. „Und genau diese Produktivitätserhöhung, dass die das System herausfordert - ich glaube, das hat Politik tatsächlich auch für den eigenen Bereich noch viel zu wenig auf dem Schirm“, sagt Thiele, der Inhaber der Professur für Demokratieförderung und Digitalpolitik an der Universität Erfurt ist.
Für Aufsehen sorgte Mühlmanns Methode im Zuge einer Debatte über AfD-Anfragen zu Militärtransporten und kritischer Infrastruktur in Thüringen. Innenminister Georg Maier (SPD) hatte im „Handelsblatt“ von „steigender Intensität und Detailtiefe“ der AfD-Anfragen gesprochen. „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet“, hatte Maier gesagt. Mühlmann stritt das ab, räumte aber ein, dass er sich bei der Erstellung der Kleinen Anfragen von KI helfen lässt.
Regulierung nötig?
Mühlmann verweist auf seine Rolle als Oppositionspolitiker: Seine Aufgabe sei es, die Regierung zu kontrollieren. „Nur weil ich eventuell durch eine Produktivitätssteigerung dem Auftrag mehr nachkommen kann als es vielleicht in der Vergangenheit gewesen ist, sehe ich noch lange keinen Grund, deswegen auf diese Produktivitätssteigerung zu verzichten“, sagt er.
Der BSW-Abgeordnete Stefan Wogawa sieht aber auch Nachteile: „Die große Zahl von Anfragen hat aus meiner Sicht nur die Schattenseite, dass man natürlich die Verwaltung damit beschäftigt.“ Das könne die Verwaltung von anderen Aufgaben abhalten. Er wolle trotzdem nicht, dass das parlamentarische Fragerecht eingeschränkt werde. „Ganz im Gegenteil, es ist sehr wichtig.“ Wogawa nutzt KI für Reden und für die Auswertung komplexer Informationen. Für Anträge oder Gesetze werde Künstliche Intelligenz in der BSW-Fraktion nicht genutzt.
Verwaltung könnte ebenfalls KI einsetzen
Nach Einschätzung von Thiele könnte über eine Maximalanzahl von Fragen nachgedacht werden. „Dass man eher so kleinere, feine Instrumente einführt, die sicherstellen, dass das Instrument nicht zur Blockade missbraucht wird.“ Allerdings sei das Fragerecht ein wichtiges Druckmittel der Opposition. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn die Staatsmacht kontrollierbarer wird“, sagt Thiele. Allerdings stünden die repräsentativen Regime „unter den finanziellen und ökonomischen, strukturellen Bedingungen und den Anforderungen der Mediengesellschaft“ unter Druck.
Bühl fordert, der Verwaltung perspektivisch die KI-Nutzung zu ermöglichen. Das Fragerecht der Abgeordneten sei ein hohes Gut. Es sei nicht notwendig, dieses einzuschränken, „sondern man müsste eher schauen, dass die öffentliche Verwaltung auch mit Künstlicher Intelligenz antworten kann“. Wogawa hingegen ist skeptisch: „Das würde ja schon fast an Science-Fiction erinnern, wenn Künstliche Intelligenzen Fragen erzeugen und Künstliche Intelligenzen die dann beantworten. Schade um die Energie, die dafür aufgewendet wird.“
Politiker-Bots könnten zu Gewöhnungseffekt führen
Auch Thiele rechnet damit, dass die Produktivitätssteigerung durch KI-Anwendungen perspektivisch auf beiden Seiten stattfinden wird. Er glaubt, dass der Arbeitsaufwand auch wieder sinken kann, wenn der Grund-Digitalisierungsgrad von Behörden höher ist, sie sich stärker darauf einstellen, dass routinemäßig viel abgefragt wird und ihre Datengrundlagen verbessern. „Umgekehrt führt die Erwartung, dass alles abgefragt werden kann, zu einer Überproduktion von Daten“, gibt er zu bedenken.
Der Experte sieht im Einsatz von KI zur Erstellung Kleiner Anfragen oder als Hilfe für das Entstehen einer Rede nicht generell ein Problem. Demokratietheoretisch sei das eher unspektakulär, schließlich seien Reden etwa auch früher schon von Referenten geschrieben worden.
Interessanter sei die Frage, was passiere, wenn Politikerinnen und Politiker KI für ihre Außenrepräsentanz einsetzen - beispielsweise wenn ein Bundeskanzler-Bot auf Fragen von Bürgerinnen und Bürgern antworten würde. „Dann wird in der Politik Nähe suggeriert, in der Hoffnung, dadurch Politik verständlicher zu machen, die aber ganz schnell zu einem Gewöhnungseffekt führen würde.“