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"Christchurch-Gipfel" in Paris Internetgiganten und Staaten wollen Online-Terror bekämpfen

Ein Terroranschlag mit Toten auf der Livestreaming-Plattform von Facebook - das soll es künftig nicht mehr geben. Branchenriesen stellen konkrete Schritte und Investitionen in Aussicht.

Von Christian Böhmer, dpa 15.05.2019, 20:17

Paris (dpa) - Im Kampf gegen Terrorvideos im Netz haben Internetgiganten wie Amazon, Facebook oder Google und 17 Staaten ein internationales Bündnis geschmiedet.

Anlass für den "Christchurch-Gipfel" in Paris war der Terroranschlag in Neuseeland Mitte März mit 51 Toten. Der Täter übertrug seinen Angriff mit einer Helmkamera über Facebook zu großen Teilen live ins Internet. Davon gibt es auch ein insgesamt 17-minütiges Video, das millionenfach angeklickt wurde.

"Es ist das erste Mal, dass Regierungen und Technikunternehmen zusammenkommen", sagte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. Sie hatte gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Initiative angestoßen. "Wir haben konkrete Maßnahmen beschlossen, damit sich ein Drama wie in Christchurch nicht wiederholen kann", sagte Ardern am Mittwoch.

In dem Aufruf wird versichert, dass die Grundsätze eines freien und offenen Internets sowie die Meinungsfreiheit respektiert werden.

Die Internet-Unternehmen Microsoft, Twitter, Facebook, Google und Amazon begrüßten die Initiative und stellten mehr konkrete Schritte sowie Investitionen zum Kampf gegen Terror-Inhalte im Netz in Aussicht. Sie betonten zugleich, dass es hier um komplexe Probleme gehe, bei denen die gesamte Gesellschaft gefordert sei. Die Unternehmen sagten laut Aufruf zu, Inhalte mit terroristischem Inhalt sofort zurückzuziehen.

Deutschland gehört nach französischen Angaben zu den insgesamt 17 Ländern, die den Aufruf mittragen. Weitere Staaten sind Kanada, Großbritannien, Australien und Japan. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump schloss sich hingegen nicht an. Das Weiße Haus erklärte, man unterstütze zwar die grundlegenden Ziele, sei aber derzeit nicht in der Lage, den Aufruf mitzutragen. Die Hintergründe blieben zunächst offen. Die "Washington Post" berichtete, Mitarbeiter der Regierungszentrale hätten Bedenken geäußert, dass das Papier möglicherweise gegen den 1. Zusatzartikel der US-Verfassung verstoße. Dieser untersagt es dem Kongress, Gesetze zu verabschieden, die die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken.

Facebook kündigte pünktlich zum "Christchurch-Gipfel" neue Einschränkungen für die Plattform an. So sollen Nutzer schon nach einer schwerwiegenden Regelverletzung "eine bestimmte Zeit lang" keine Live-Videos übertragen dürfen. Als ein Beispiel-Zeitraum für eine Sperrung wurden 30 Tage angegeben. Als Beispiel für einen schwerwiegenden Regelverstoß nannte Facebook die Weiterleitung eines Links zu einer Mitteilung einer Terrorgruppe ohne Einordnung.

Mehrere Staats- und Regierungschefs waren nach Paris gekommen, unter ihnen Jordaniens König Abdullah II. oder Kanadas Premier Justin Trudeau. Deutschland war laut Élyséekreisen als Beobachter eingebunden. Macron hatte bereits in der vergangenen Woche mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg über den Kampf gegen Hass im Netz beraten.

Frankreich führt im laufenden Jahr die Runde der großen Industriestaaten (G7). Zudem wurde das Land in den vergangenen Jahren schwer vom islamistischen Terrorismus getroffen - rund 250 Menschen wurden getötet.

Ardern sagte, der sogenannte Christchurch-Appell sei nur ein Ausgangspunkt: "Wir werden das nicht mit einer Erklärung regeln." Es gehe nicht um die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen. "Wir müssen jedoch wissen, wie Algorithmen unsere Gesellschaften beeinflussen können."

Mit dem Wort Algorithmus wird eine Reihe von Anweisungen bezeichnet, die in Computersystemen ausgeführt werden, um ein Problem oder eine Aufgabe zu bewältigen. Die Algorithmen von Facebook hatten zum Teil Probleme, von Nutzern neu hochgeladene Kopien des Christchurch-Videos zu entdecken, wenn sie etwas verändert worden waren. Facebook will nun in einem 7,5 Millionen Dollar teuren Forschungsprojekt gemeinsam mit Wissenschaftlern die Bilderkennung in Videoaufnahmen verbessern.

Neuseeland hatte nach dem Anschlag des australischen Rechtsextremisten rasch gehandelt und Sturmgewehre und halbautomatische Waffen verboten.

Europa war bisher im Kampf gegen Terrorpropaganda im Netz nicht tatenlos. Die EU-Kommission schlug 2018 vor, Internetfirmen unter Androhung empfindlicher Strafen zum raschen Löschen zu zwingen. Bei mehrmaligen Verstößen drohen dem Vorschlag zufolge Geldbußen. Dies ist allerdings noch nicht gültiges Recht, da die EU-Staaten und das Europaparlament sich noch auf eine gemeinsame Position einigen müssen.