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Pflichtkurse Expertenbericht: Deutschland braucht Kurse gegen Rassismus

Zu wenig Vertrauen in die Polizei und zunehmende Islamophobie - Diskriminierungsexperten des Europarats haben fünf Jahre lang die Entwicklungen in Deutschland beobachtet. Ihr Ergebnis ist ernüchternd. Sorge macht ihnen auch die AfD.

17.03.2020, 14:27

Straßburg (dpa) - Deutschland muss nach Ansicht des Anti-Diskriminierungs-Ausschusses des Europarats (ECRI) mehr Aufklärungsarbeit gegen Rassismus leisten.

In Schulen, Universitäten und bei der Polizei müssten entsprechende Kurse Pflicht werden, sagte die Finnin Reetta Toivanen, Mit-Autorin des am Dienstag vorgestellten Berichts des Gremiums. Der Ausschuss warnte zudem vor weiteren rechtsextremen Angriffen und empfahl mehr Unterstützung und Befugnisse für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

"Man muss mit verpflichtenden Kursen gegen Rassismus und Diskriminierung an die Unis gehen, von wo die meisten Mitarbeiter von Ministerien und Behörden kommen", sagte Toivanen der dpa. Die Bundesländer sollten in ihre Bildungsgesetze und in ihre Lehrpläne Menschenrechte und Gleichbehandlung aufnehmen, fordert der Bericht. Außerdem solle die Lehrerausbildung durch inklusive Unterrichtsmethoden in multikulturellen Klassen erweitert werden.

Bei der Polizei seien verpflichtende Kurse besonders wichtig, um sogenanntem Racial Profiling entgegenzuwirken, sagte Toivanen. Dabei werden Menschen auf Grundlage von Stereotypen und äußerlichen Merkmalen überprüft. Opfer diskriminierender und rassistischer Gewalt trauten sich oft nicht zur deutschen Polizei, weil es an Vertrauen fehle. "Auch wenn es hinreichende Beweise für ein extensives Racial Profiling gibt, sind sich viele Polizeidienste und -vertreter dessen nicht bewusst oder leugnen deren Existenz", heißt es in dem Report.

Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Martina Renner forderte als Konsequenz aus dem Bericht eine unabhängige deutsche Beschwerdestelle für Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Der Europarat mit Sitz in Straßburg hat zur Aufgabe, über die Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen. Die Berichte untersuchen jeweils einen Zeitraum von fünf Jahren. Der aktuelle Report zu Deutschland endet im Juni 2019 - vor den rassistisch motivierten Taten in Halle und Hanau.

Toivanen lobte, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere deutsche Politiker klar gegen die Taten positioniert hätten. "Das gibt es nicht in allen Ländern." Deutschland müsse aber noch mehr gegen Extremismus unternehmen. Polizei und Verfassungsschutz sollten gezielt für einen Ausstieg aus extremen Kreisen werben. Außerdem müsse das Mandat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) weiter gefasst werden.

Das ECRI-Gremium warnte außerdem vor einem Anstieg fremdenfeindlicher Angriffe. Vor allem der Grad an Islamophobie in der Gesellschaft steige. Die extreme Rechte wirke sich auch zunehmend auf den allgemeinen politischen Diskurs aus, warnt der Bericht. "Rassismus ist in zwei Unterorganisationen einer neuen Partei besonders offensichtlich", merkten die Berichterstatter über den rechtsnationalen "Flügel" und die "Junge Alternative" der AfD an.