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Prozess in Frankfurt am Main Lübcke-Mord: Laut Angeklagtem gab es keine Mitwisser

Die Angehörigen wollten Details aus der Tatnacht erfahren: Für die Witwe und die Söhne von Walter Lübcke war der Mittwoch ein wichtiger Tag im Mordprozess gegen den mutmaßlichen Täter. Ihr Anwalt sieht wichtige Erkenntnisse.

19.08.2020, 16:25
Alex Grimm
Alex Grimm Getty Images Europe/Pool

Frankfurt/Main (dpa) - Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben die Hinterbliebenen über ihren Anwalt Fragen an den Angeklagten gestellt.

Der Verteidiger wollte von Stephan Ernst, der die Bluttat gestanden hat, insbesondere etwas über die Stunden davor erfahren und stellte Fragen nach weiteren Mitwissern außer dem Mitangeklagten Markus H., der bei der Tat ebenfalls anwesend gewesen sein soll. "Von meiner Seite: nein", sagte der mutmaßliche Rechtsterrorist dazu. Er wisse aber nicht, ob der wegen Beihilfe angeklagte H. womöglich mit jemandem gesprochen habe.

Holger Matt, der Anwalt der Familie Lübcke, die als Nebenkläger an dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt teilnimmt, hielt Ernst mehrfach die Angaben aus dessen Geständnis vor, etwa zur gemeinsamen Planung. "Stimmt das?" fragte er jedes Mal nach. "Ja", antwortete Ernst jeweils knapp. Erst nach längerem Schweigen antwortete er dagegen auf die Frage, ob er sich vor der Tat nie Gedanken über die Familie gemacht habe, der er den Ehemann und Vater nehmen würde. "Nein, habe ich nicht", erwiderte er schließlich zögernd und vermied dabei den direkten Blickkontakt zu der Familie. Auch über Lübcke als Menschen, der kurz vor dem Ruhestand stand und noch Pläne für sein Leben hatte, habe er sich "keine Gedanken gemacht", räumte er ein.

"Für die Familie war der heutige Vormittag sehr schmerzlich, weil erneut die schrecklichen Details aus der Tatnacht zur Sprache kamen", sagte Dirk Metz, der Sprecher der Familie, anschließend. "Er war aber zugleich in den vertiefenden Erläuterungen des Geständnisses ein sehr wichtiger Teil der Hauptverhandlung." Anwalt Matt habe mit seinen Fragen für den Prozess wichtige Erkenntnisse aus den Ausführungen des Hauptangeklagten gewinnen können. "Danach steht für die Nebenklage fest, dass die beiden Angeklagten die Tat aus ihrem Hass heraus seit langem gemeinsam geplant und sie auch am 1. Juni letzten Jahres gemeinsam in Wolfhagen-Istha durchgeführt haben, indem der arg- und ahnungslose Walter Lübcke aus niederen Beweggründen und heimtückisch erschossen wurde", betonte Metz.

Ernst, ein 46-jähriger Deutscher, hatte vor zwei Wochen in einer von seinem Verteidiger verlesenen Einlassung die Tat gestanden und seitdem auf Fragen der Richter und der Bundesanwaltschaft geantwortet. Außer Ernst ist Markus H. in dem Verfahren vor dem Staatsschutzsenat wegen Beihilfe angeklagt. Die Bundesanwaltschaft geht von rechtsextremistischen Tatmotiven aus.

Offen ließ Ernst, der in seiner Einlassung auch um die Möglichkeit gebeten hatte, an einem Aussteigerprogramm teilnehmen zu können, woraus er konkret aussteigen wollte - ob er etwa entgegen seiner bisherigen Äußerungen doch noch Teil einer organisierten Szene gewesen sei.

Im weiteren Verlauf des Verhandlungstages ging es erstmals konkreter um Markus H., der Ernst radikalisiert und politisch beeinflusst haben soll. Mehrere Polizeibeamte sagten als Zeugen zur Auswertung seines Computers und seiner Telefone beziehungsweise zu Chatprotokollen aus. Diese waren teilweise ebenso gelöscht wie Computerdateien, die zahlreiche Beispiele rechtsextremer Literatur wie "Mein Kampf" oder das Parteiprogramm der NSDAP enthielten sowie antisemitische Schriften und Bücher zu Waffen und Uniformen. Auf Fotos posierte H. vor der Reichskriegsflagge, in Uniform, mit Waffen oder mit Hitlergruß. Wer die Dateien gelöscht hatte und wann das geschehen war, blieb dabei zunächst ungeklärt.

Der Prozess wird am 27. August mit der Vernehmung eines weiteren Polizeibeamten als Zeugen fortgesetzt.

© dpa-infocom, dpa:200819-99-229590/4