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Debatte um Rüstungskooperation US-Truppenabzug sorgt für Ärger in der Koalition

Der SPD ist Empörung über den geplanten US-Truppenabzug zu wenig. Sie will jetzt auch über Konsequenzen reden. Fraktionschef Mützenich macht einen Vorschlag, der beim Koalitionspartner gar nicht gut ankommt.

Von Michael Fischer, dpa 31.07.2020, 16:34

Berlin (dpa) - Der geplante US-Truppenabzug aus Deutschland sorgt nun auch innerhalb der Koalition in Berlin für Ärger. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will als Reaktion auf die angekündigte Reduzierung um 12 000 Soldaten die Rüstungskooperation mit den USA auf den Prüfstand stellen und stößt damit bei der Union auf Unverständnis und Kritik. Mützenich kritisiere zwar zu Recht das Verhalten von US-Präsident Donald Trump, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter der Deutschen Presse-Agentur. "Jedoch hat er leider nicht verstanden, dass wir unsere Freiheit, auch die Freiheit Unsinniges und Aberwitziges zu fordern, den jahrzehntelangen Sicherheitsgarantien der USA verdanken."

Auch der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte wies die Forderung Mützenichs zurück: "Die SPD sollte hier keiner weiteren Entfremdung innerhalb des Bündnisses das Wort reden." Die USA blieben weiter der wichtigste Partner Deutschlands außerhalb Europas.

Mützenich hatte der "Süddeutschen Zeitung" zuvor gesagt, Trump betreibe eine Politik aus "Willkür und Druck", die keine Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sein könne. "Vor diesem Hintergrund werden auch die Rüstungskooperationen in einem neuen Licht bewertet werden müssen." Am Freitag legte er nach: "Trump ist ein Egomane und ein Rassist", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). "Ich will nicht, dass Deutschland in größere Abhängigkeit von Donald Trump gerät."

Damit bricht ein alter Streit in der Koalition auf, in dem es darum geht, was Deutschland für die eigene Verteidigung und die der Nato leisten soll. Im Kern geht es dabei um die Höhe der Verteidigungsausgaben, aber auch um die deutsche Beteiligung an der atomaren Abschreckung.

- VERTEIDIGUNGSAUSGABEN: Trump begründet seinen Truppenabzug damit, dass Deutschland zu wenig für Verteidigung ausgibt und das Ausgaben-Ziel der Nato von zwei Prozent deutlich unterschreitet. Damit hat er recht: Die große Koalition von Union und SPD hat zwar die Militärausgaben deutlich erhöht, liegt aber immer noch mit 1,38 Prozent deutlich unter dem Nato-Richtwert. Die große Koalition ist sich zwar darüber einig, dass sie 2024 bei 1,5 Prozent liegen will. Da hört es dann aber schon auf. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) die zwei Prozent bis Anfang der 2030er Jahre erreichen wollen, drückt die SPD auf die Bremse.

- ATOMWAFFEN: Für zusätzliche Verärgerung sorgte auf US-Seite, dass Mützenich im Mai die Forderung nach einem Abzug der schätzungsweise etwa 20 noch in Deutschland verbliebenen Atomwaffen wieder aufwärmte. Die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, twitterte damals spöttisch: "Wenn Deutschland die nuklearen Fähigkeiten verringern und die Nato schwächen will, könnte Polen (...) diese Fähigkeiten vielleicht hier unterbringen." In Warschau mit seiner Grenze zu Russland gebe es jedenfalls ein Verständnis für die Risiken.

Der frühere US-Botschafter Richard Grenell, der schon im vergangenen Jahr mit einem Truppenabzug gedroht hatte und als wichtigster Einflüsterer Trumps in Sachen Deutschland-Bashing gilt, sagte der "Bild" jetzt: "Die fehlende Unterstützung der Nato und die zunehmenden Attacken auf US-Militärprogramme in Deutschland insbesondere von Mitgliedern der Regierungskoalition, waren sehr problematisch und beunruhigend für amerikanische Strategen."

Ist die SPD also schuld am US-Truppenabzug? Ganz so einfach ist es vielleicht nicht. Aber auch in der Union ist man der Auffassung, dass die Sozialdemokraten zumindest ihren Beitrag geleistet haben. "Mit der Diskussion um die Etaterhöhung und die nukleare Teilhabe hat die SPD die Zusammenarbeit im Bündnis zuletzt nicht einfacher gemacht", sagte CDU-Verteidigungspolitiker Otte.

Die Atomwaffen dürften auch ein Grund sein, warum Mützenich jetzt die Rüstungsprojekte mit den USA in Frage stellt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will unter anderem einen Teil der in die Jahre gekommenen Tornado-Kampfjets mit 45 F-18-Kampfflugzeugen des US-Herstellers Boeing ersetzen. Sie sollen teilweise dafür ausgerüstet werden, im Ernstfall die in Deutschland stationierten US-Atombomben abzuwerfen. In der SPD ist das Projekt daher sehr umstritten.

Das ist aber noch nicht alles. Die Bundeswehr hat traditionell eine enge Rüstungskooperation mit den USA:

- Die derzeitigen Transporthubschrauber vom Typ CH-53 sind bereits aus amerikanischer Produktion, die Nachfolger sollen es auch sein. Dafür sind zwei US-Hersteller im Rennen.

- Zu den Großgeräten der Bundeswehr aus den USA zählen auch das Aufklärungsflugzeug P-3 Orion von Lockheed und die Patriot-Raketenabwehrsysteme von Raytheon.

- Umgekehrt hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren nach aktuellen Angaben des Wirtschaftsministeriums Rüstungsexporte im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro in die USA genehmigt.

Die Skepsis gegenüber der Aufrüstung der Bundeswehr ist in der SPD nach dem Wechsel an der Parteispitze mit dem linksorientierten Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans noch einmal gewachsen. Einig ist man sich bei den Sozialdemokraten aber nicht. Außenminister Heiko Maas hat sich zum Beispiel mehrfach von der Forderung nach einem Abzug der auf dem Fliegerhorst Büchel in der rheinland-pfälzischen Eifel stationierten Atomwaffen distanziert: "Wenn man sich lediglich davon verabschiedet und sagt, ich will damit nichts zu tun haben, wird es nicht eine einzige Atombombe weniger auf der Welt geben", sagt er.

Dafür bekommt Mützenich Beifall aus anderen Parteien. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin hatte bereits am Donnerstag gefordert, die Rüstungskooperation mit den USA abzubrechen. "Donald Trump hat Partnerschaft durch Erpressung ersetzt", sagte er dem Nachrichtenportal "t-online.de". "Solange Trump auf Kollisionskurs ist, darf es keine Rüstungsdeals mehr mit den USA gaben."

Und auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ist mit Mützenich auf einer Linie: "Es wäre besser, die Amerikaner würden ihre Atomwaffen aus Deutschland und Europa abziehen als ihre Soldaten." Die Linke geht dagegen noch einen Schritt weiter und würde gerne alle US-Truppen inklusive Atombomben loswerden.

© dpa-infocom, dpa:200731-99-988956/6