1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Mutterglück mit ärztlicher Hilfe

Befruchtung Mutterglück mit ärztlicher Hilfe

Ärzte haben in Magdeburg über die Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin diskutiert.

Von Uwe Seidenfaden 21.03.2017, 00:01

Magdeburg l Es ist nicht immer leicht, den richtigen Partner für die Familien-Gründung zu finden und gleichzeitig beruflich auf sicheren Füßen zu stehen. Den „Schwarzen Peter“ im Spiel des Lebens haben meist die Frauen, deren biologische Uhr hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit oftmals schneller als diejenige der Männer tickt.

„In den vergangenen Jahrzehnten stieg bei uns das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes auf 35,2 Jahre an“, sagt Professor Dr. Jürgen Kleinstein, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie. Immer öfter sind daher Methoden der künstlichen Befruchtung erforderlich, um den Kinderwusch zu erfüllen. Die am häufigsten angewendete Methode ist die In-vitro-Fertilisation (IVF). Dabei werden die Eizellen einer Frau mit den Spermien ihres Partners (oder eines Samenspenders) im Labor zusammengebracht. Um die Chancen einer Schwangerschaft zu erhöhen, dürfen Mediziner in Deutschland die Embryonen bis zum fünften Tag im Labor reifen lassen, bevor zwei bis drei in die Gebärmutter eingesetzt werden.

Ist die Quantität oder Qualität der männlichen Spermien eingeschränkt, können Mediziner Spermien mit mikrochirurgischen Verfahren aus den Hoden beziehungsweise den Nebenhoden entnehmen und einzeln in eine Eizelle einbringen.

In Deutschland gelten gleichgeschlechtliche Paare gesellschaftlich als weitgehend akzeptiert. Auf Hürden stoßen sie bei der Familienplanung, zum Beispiel bei der Adoption eines fremden Kindes oder der Embryo-Adoption. Bei letzteren handelt es sich um Embryonen, die im Rahmen einer IVF-Behandlung gezeugt, aber zur Herbeiführung der Schwangerschaft nicht mehr notwendig waren und deshalb tiefgefroren aufbewahrt wurden. Ob diese sogenannten Schneeflockenkinder von anderen Paaren adoptiert werden dürfen, ist in Deutschland rechtlich noch ungeklärt. Im Süden Deutschlands unterstützen einige IVF-Kliniken das Netzwerk Embryonenspende, sagte Dr. Friedrich Gagsteiger vom Kinderwunschzentrum in Ulm. Andere Kliniken helfen auch lesbischen Frauen bei der „Insemination“ mit Spendersamen, sofern diese Frauen in festen Partnerschaften leben. Für homosexuelle Paare besteht im Rahmen eines sogenannten Co-Parenting und in Queer-Familien (Absprachen zwischen schwulen und lesbischen Paaren) die Möglichkeit, ein Kind aufzuziehen. Gleichgesinnte kommunizieren darüber meist auf Internet-Plattformen wie Wunschkind e.V. oder Kinderwunsch e.V.

In Deutschland hat der Schutz des ungeborenen Lebens einen sehr hohen Stellenwert. Das sogenannte Embryonenschutzgesetz untersagt daher Maßnahmen wie die Eizellspende und die Leihmutterschaft. „Die Folge unterschiedlicher Länderregelungen ist ein weltweiter Reproduktionstourismus“, so Dr. Gagsteiger. Schätzungen gehen von jährlich bis zu 10 000 Frauen aus Deutschland aus, die in EU-Staaten wie Tschechien und Spanien eine Eizellspende bekommen.

Es betrifft hauptsächlich Frauen, deren eigene Eizellreserve weitgehend erschöpft ist. Strafbar ist das für EU-Bürgerinnen nicht. Allerdings erstatten in einem solchen Fall nicht die deutschen Krankenkassen die Behandlungskosten. Sie liegen meist in einem höheren vierstelligen Bereich. Die in Deutschland angebotenen alternativen Möglichkeiten der Kryokonservierung eigener Eizellen in den 20er Lebensjahren als sogenannte Fertilitäts-Reserve werden vergleichweise selten genutzt, informierte Professor Kleinstein. Außerdem werden die Kosten auch nicht von den Krankenkassen getragen.

In Deutschland verboten sind nicht nur Eizellspenden, sondern auch Leihmutterschaften. Paare suchen daher ihr Glück oftmals in Asien oder den USA. „Die rechtlichen Voraussetzungen in anderen Ländern sind derzeit im hohen Maße veränderlich“, sagte Dr. Gagsteiger. Die Paare, die sich zu dieser Maßnahme entscheiden, sollten neben den Kosten alle ethischen und juristischen Aspekte gut überlegen.

Da in Deutschland nur die Frau, die ein Kind selbst austrägt, als leibliche Mutter anerkannt wird, ist bei Verdacht auf eine Leihmutterschaft mit vielen behördlichen Problemen zu rechnen. Zukünftig setzen die Mediziner auf moderne Alternativen zur Leihmutterschaft, die auch in Deutschland rechtlich erlaubt sind. Dazu zählt die Gebärmutter-Transplantation, die weltweit erst wenige Male durchgeführt wurde. In den nächsten Jahren rechnen die Kinderwunsch-Ärzte mit den ersten Schwangerschaften nach dieser Organtransplantation auch in Deutschland.