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Inkontinenz Was hilft bei Blasenschwäche?

Im Volksstimme-Telefonforum standen Magdeburger Fachärzte zum Thema Inkontinenz den Lesern Rede und Antwort.

Von Uwe Seidenfaden 15.03.2017, 00:01

Wie kann es zu einem ungewollten Harnverlust kommen?

Die Ursachen können sehr vielfältig sein. Sie reichen von psychisch-nervösen Belastungen, infektiösen Blasenentzündungen, über Blasensteine bis hin zu alterungsbedingten Veränderungen der Schließmuskulatur und Tumoren. Bei Männern muss man auch an eine gutartige Prostatavergrößerung denken, deren Begleiterscheinung das Nachtröpfeln ist. Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus können ebenfalls einen Einfluss auf den unfreiwilligen Harnverlust haben. Nicht zuletzt können auch Operationen am kleinen Becken dafür verantwortlich sein.

Schon bei leichten körperlichen Belastungen, etwa beim Husten, hat meine Mutter (76 Jahre) unfreiwilligen Harnabgang. Bislang benutzt sie nur Inkontinenzeinlagen. Gibt es Alternativen?

Es gibt verschiedene Formen der Inkontinenz. Bei Frauen besonders häufig ist die sogenannte Belastungsinkontinenz, bei der es zum unwillkürlichen Urinabgang bei einer körperlichen Belastung kommt. Oft ist der Grund eine Schädigung des Schließmuskels der Blase und Beckenmuskulatur infolge des Alters oder Schädigung durch Schwangerschaft und Geburt. Eine leichte bis mittelschwere Form der Belastungsinkontinenz kann mit einer Beckenbodengymnastik bzw. einer elektrischen Stimulation der Muskulatur behandelt werden. Am besten wird dieses Training vorbeugend während einer Schwangerschaft, nach einer Geburt und in den Wechseljahren durchgeführt. Je ausgeprägter die Beckenbodenschwäche ist und je länger sie besteht, je geringer sind die Erfolgsaussichten des Trainings.

Schon wenige Minuten, nachdem ich auf Toilette war, habe ich erneut einen Harndrang. Beim Urinieren verspüre ich ein Brennen und Stechen. Was raten Sie?

Die geschilderten Symptome sprechen für eine Blasenentzündung. Gegen die Infektion der unteren Harnwege gibt es wirksame Antibiotika und Sulfonamide. Um die Harnwegsinfektionen künftig zu vermeiden, empfiehlt sich, reichlich zu trinken (täglich etwa zwei Liter Flüssigkeit). Dadurch werden Infektionskeime leichter aus dem Körper herausgespült. Kälte und Zugluft sind zu meiden. Zudem empfiehlt es sich, leichte und lockere Unterwäsche aus Baumwolle zu tragen. Enge Slips aus Kunstfasern begünstigen dagegen die Vermehrung der Erreger.

Ich, weiblich und 69 Jahre alt, habe einen unfreiwilligen Harnverlust, wenn ich beispielsweise husten oder stark lachen muss. Das ist mir sehr unangenehm. Was kann ich dagegen tun?

Die von Ihnen geschilderten Symptome sind ein Hinweis auf eine Belastungsinkontinenz. Typisch dafür ist, dass unter Belastung, also wenn der Druck auf die Blase etwa durch Husten erhöht wird, die Verschlussmuskeln nicht mehr standhalten. Die Folge ist ein unwillkürlicher Abgang von Urin. Oftmals entwickeln sich diese Beschwerden erst in den Wechseljahren. Eine Stärkung der Beckenboden-Muskulatur durch gezielte gymnastische Übungen und – bei Bedarf - mit zusätzlichen Hilfsmitteln bzw. eine lokale Hormontherapie (z. B. Salben und Zäpfchen) können die Symptome lindern.

Wann ist eine Inkontinenz-Operation ratsam? Was ist vom Einsatz von künstlichen Bändern zu halten?

Künstliche Bänder zur Behebung einer weiblichen Belastungsinkontinenz sollten heute nicht in der Primärtherapie Anwendung finden, da die Beschwerden nach wenigen Jahren wieder auftreten können und ein zweiter Bandeinsatz unmöglich ist. Operationen sind erst dann ein Mittel der Wahl, wenn konservative Therapien (Beckenbodengymnastik, Medikamente, lokal wirkende Hormone) nicht mehr helfen. Ein Ziel ist es, die Druckübertragung im Bereich der Harnröhre zu verbessern, um eine Kontinenz zu erreichen. Eine weitere Möglichkeit ist es, einen künstlichen Schließmuskel zu implantieren. Er besteht aus einer flüssigkeitsgefüllten Druckmanschette, die die Harnröhre umschließt und per Hand durch Drücken eines Ballons geöffnet werden kann.

Meine Mutter (85 Jahre) leidet unter einer starken Gebärmuttersenkung. Raten Sie noch zu einer Operation?

Entscheidend ist nicht das Alter und das Auftreten einer Gebärmuttersenkung, sondern die damit verbundenen Beschwerden. Operiert wird nur dann, wenn die Einschränkungen der Lebensqualität von den betroffenen Patienten als stark empfunden werden. Eine langfristige Therapie mit Pessaren (Silikon-Kautschukringen) sollte heute nicht mehr erfolgen.

Meine Mutter klagt seit Jahren über unfreiwilligem Harnverlust. Um das Problem zu lösen, trinkt sie relativ wenig. Wirklich besser wird es aber nicht. Was ist zu tun?

Eine geringe Flüssigkeitsaufnahme löst das Problem der Harninkontinenz nicht und kann dem Körper sogar schaden. Zur Therapie des unfreiwilligen Harnverlustes sollte Ihre Mutter sich in ärztliche Behandlung begeben.

Wegen eines häufigen Harndrangs hat mein Arzt mir ein Medikament verschrieben, das als Nebenwirkung zu Verstopfungen und Mundtrockenheit führt. Gibt es keine Alternative?

Wichtig ist es, zunächst die Ursache des häufigen Harndrangs festzustellen. Manchmal führt auch ein Blasentumor zu diesen Symptomen. Suchen Sie daher einen Urologen auf, der eine Blasenspiegelung vornehmen kann. Alternativen zu Medikamenten, die den übermäßigen Harndrang reduzieren sollen, gibt es sowohl in Pflasterform als auch als Medikamente, die direkt in die Blase gegeben werden und weniger Nebenwirkungen haben.

Ich bin 74 Jahre, männlich und hatte vor drei Jahren eine radikale Prostataoperation. Nunmehr habe ich Probleme mit einem unfreiwilligen Harnverlust. Ich brauche täglich mehrere Inkontinenzeinlagen. Mein Hausarzt meinte, ich muss in meinen Alter damit leben. Gibt es wirklich keine Alternative?

Auch ältere Menschen müssen nicht zwangsläufig mit starken Einschränkungen der Lebensqualität durch unfreiwilligen Harnverlust leben. Zur Behandlung der Harninkontinenz nach radikaler Prostata-OP hat sich bei Männern der Einsatz von künstlichen Bändern empfehlen. Bei sehr starkem Urinverlust gibt es außerdem die Möglichkeit des Einsatzes künstlicher Blasenschließmuskel. Lassen Sie sich von Urologen beraten.

Ich (männlich, 66 Jahre) habe in der Nacht oftmals Harndrang und muss dann auf Toilette gegen. Meist ist es dann aber nur eine geringe Harnmenge, die ich verliere. Was kann die Ursache sein?

Sie sollten einen Urologen aufsuchen. Eine häufige Ursache von Harndrang bei Männern im fortgeschrittenen Alter ist eine gutartige Prostatavergrößerung. Sie verhindert eine vollständige Entleerung der Blase. Dadurch kommt es oftmals auch zum Nachtröpfeln im Anschluss zum Toilettengang. Der Urologe sollte jedoch andere Ursachen wie beispielsweise eine Harnwegsinfektion oder Nebenwirkungen von verschiedenen Medikamenten (z. B. Diuretika bei der Behandlung des Bluthochdrucks) ausschließen, die zu ähnlichen Beschwerden führen können.

Meine Schwester hat seit vielen Jahren Multiple Sklerose (MS). In der Folge leidet sie unter einer überaktiven Blase. Man hat ihr gesagt, dass ein Blasenstimulator vielleicht die Symptome bessern kann. Was ist davon zu halten?

Ob Ihrer Schwester ein Blasenstimulator helfen kann, lässt sich im Rahmen eines Tests in der urologischen Klinik prüfen. Bei vielen MS-Patienten wurden damit gute Erfahrungen gemacht. Alternative bei überaktiver Blase ist auch die Anwendung des Nervengiftes Botox in der Harnblase, um den übermäßigen Harndrang zu reduzieren.

Unsere viereinhalbjährige Enkelin nässt noch immer im Bett ein. Müssen wir uns Sorgen machen?

Ihre Enkelin sollte in einer kinderurologischen Ambulanz vorgestellt werden. Mit nichtinvasiven Techniken wird der Kinderurologe nach organischen Gründen suchen. Danach richtet sich dann die Therapie für ihr Kind. Oft sind Reifungsstörungen dafür verantwortlich.

Mein Vater hat nur noch begrenzt Kontrolle über seine Blase. Er leidet seit längerer Zeit an einer neuromuskulären Erkrankung (Morbus Parkinson). Wie kann man ihm helfen?

Neurodegenerative Erkrankungen können zu einer sogenannten neuropathischen Blase führen. In der Folge erhält die Blase fehlerhafte Signale zur Entleerung. In manchen Fällen kann ein sogenanntes Toilettentraining helfen. Dabei werden individuell auf den Flüssigkeitshaushalt des Patienten abgestimmte Toilettenzeiten einzuhalten. Sprechen Sie mit dem Neurologen darüber.