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Lungenentzündung Unterschätztes Risiko

Alle Jahre wieder steigt in den Wintermonaten die Zahl der Atemwegsinfektionen - so auch die der Lungenentzündung.

Von Uwe Seidenfaden 07.11.2017, 02:00

Magdeburg l Gefragt nach den häufigsten Todesursachen nennen die meisten Bundesbürger Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs. Vergessen werden oftmals die Lungenentzündungen (Pneumonien). Nach Schätzungen des deutschen Kompetenznetzes CapNet – einem ärztlichen Expertengremium, das bundesweit wissenschaftliche Studien durchführt - erkranken jährlich 350.000 bis 500.000 Menschen zu Hause an einer Lungenentzündung.

In Deutschland ist die Lungenentzündung unter allen Infektionskrankheiten die häufigste Todesursache. Unter den an einer Pneumonie gestorbenen Menschen waren so beliebte Schauspieler wie Heinz Schubert (Ein Herz und eine Seele), Leslie Nielson (Die nackte Kanone) und Heinz Weiss (Traumschiff-Kapitän), aber auch die Jazz-Legende Miles Davis und der berüchtigte Gangsterboss Al Capone.

Die Pneumonie ist eine Entzündung des Lungengewebes, insbesondere der mikroskopisch kleinen Lungenbläschen, die unerlässlich für die Atmung sind. „Häufigster Verursacher der Entzündung ist ein Bakterium namens Streptococcus pneumoniae“, so Professor Dr. Jens Schreiber, Direktor der Klinik für Pneumologie am Magdeburger Uniklinikum Magdeburg. Die meisten Menschen tragen diesen Keim zeitlebens in der Nasenschleimhaut, ohne dass sie es bemerken. Ein gesundes Immunsystem hält die Bakterien unter Kontrolle. In den sonnenarmen Herbst- und Wintermonaten rebellieren Bakterien und Viren öfter gegen die Körperabwehr. Wechselnde Aufenthalte in Räumen mit warmer, trockener Luft und der nasskalten Außenwelt machen es ihnen leicht. Und wenn dann auch noch Atemgifte wie Zigarettenrauch und chronische Erkrankungen wie COPD, Diabetes mellitus oder eine Herzschwäche hinzukommen, können sich die Mikroben gut vermehren und bis in die kleinsten Lungengefäße vordringen. Dort führen sie durch Entzündungsreaktionen zu massiven Zellschäden, gelangen in den Blutkreislauf und können dann in kurzer Zeit lebenswichtige Organe lahmlegen. Die sogenannte Sepsis zählt zu den sehr ernsten Komplikationen, die nicht selten zum Tod führen.

Husten, zum Teil mit Auswurf, Schüttelfrost und Fieber, Atemnot, ein erhöhter Puls und stechende Brustschmerzen sind häufige Symptome einer Pneumonie, so Professor Schreiber. Bei älteren Menschen ist zu berücksichtigen, dass die Körpertemperatur manchmal auch bei einer Lungenentzündung nicht oder kaum erhöht sein kann. Beim Abhören der Lunge mit dem Stethoskop kann der Arzt jedoch oft typische Rasselgeräusche hören. Sie entstehen beim Ein- und Ausatmen durch die entzündlich-verklebten Lungenbläschen. Röntgenbild und Blutanalysen dienen letztlich der Diagnosestellung.

Da Lungenentzündungen besonders für ältere Menschen lebensbedrohlich sein können, werden sie oftmals sofort in ein Krankenhaus gebracht. Eine schwere Lungenentzündung wird mit Antibiotika behandelt. Sie können durch Medikamente zur Fiebersenkung und Schleimlösung, für den Flüssigkeitsausgleich und zur Schmerzlinderung ergänzt werden.

Die Ständige Impfkommission STIKO am Robert-Koch-Institut in Berlin – ein ärztliches Expertengremium – rät allen Menschen über 60 Jahren außerdem zu Schutzimpfungen gegen Pneumokokken und Grippeerreger. „Die Schutzimpfungen bieten zwar keinen hundertprozentigen Schutz vor Atemwegsinfektionen. Sie helfen aber, das Risiko schwerer Komplikationen mit Todesfolge bei Lungeninfektionen zu senken“, so Professor Schreiber. Die Grippeimpfung sollte alljährlich vor Beginn der Grippesaison erfolgen.

„Jetzt im November ist der richtige Zeitpunkt, nach diesen Schutzimpfungen beim Hausarzt zu fragen“, empfiehlt Susanne Glasmacher, Biologin und Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts. Wer bereits eine Pneumokokken-Impfung hatte, benötigt nach sechs Jahren eine Auffrischung. Auskunft über die früheren Impfungen, die ein Patient bekommen hat, gibt der Eintrag im gelben Impfpass. Den Impfausweis sollte man in jedem Fall mit in die Arztpraxis bringen.

Um das Risiko einer Lungenentzündung zu reduzieren hilft es, ganzjährig die körpereigenen Abwehrkräfte zu unterstützen, z.B. durch sportliche Aktivitäten. Hilfreich sind auch abwechselnd warme und kühle Wassergüsse nach Kneipp, Sauna-Aufenthalte sowie eine vitaminreiche, gesunde Ernährung mit viel Gemüse und Obst. Rauchen hingegen fördert Entzündungsprozesse in den Blut- und Lungengefäßen.

Übrigens: Auch wer nicht auf Lunge raucht und nur pafft, schadet den Gefäßen, so Professor Schreiber. Beim Rauchen gilt deshalb, jede einzelne Zigarette ist eine zu viel.