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Glücksbringer Als Schornsteinfeger auf Deutschlands Dächern

Schornsteinfeger kommen bei der Arbeit viel herum. Ihr Aufgabengebiet wird immer größer, und damit auch die Verantwortung.

24.12.2019, 23:01

Erfurt (dpa) l Egal, an welcher Haustür er klingelt: Justin Otto wird fast immer herzlich begrüßt. Das liegt an seinem freundlichen Auftreten, aber auch an seinem Beruf. Der 20-Jährige ist angehender Schornsteinfeger – und Leute dieser Zunft haben einen besonderen Ruf: Wer ihre Arme, ihre Schulter oder einen ihrer goldenen Knöpfe berührt, auf den wartet Glück.

"Das gibt mir ein tolles Gefühl, wenn man mich als Glücksbringer sieht", erzählt Otto. Wobei das nicht das einzige ist, was dem Auszubildenden beim Schornsteinfeger-Betrieb Josephine Villmann in Erfurt gefällt. "Mein Alltag ist alles andere als monotone Arbeit. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen", so Otto.

Mit einer Bürste den Ruß aus den Schornsteinen zu fegen, das war vor 50 Jahren die Hauptaufgabe in dem Beruf. Zwischenzeitlich hat sich einiges gewandelt. Die Fachleute haben neben dem Schornstein sämtliche Heizungs-, Abgas- und Lüftungsanlagen eines Hauses im Blick.

Sie überprüfen etwa, ob die Anlagen betriebs- und brandsicher sind. "Mit komplizierten Messverfahren kontrollieren die Fachleute Emissionen jeglicher Art, etwa Feinstaub oder Kohlenmonoxid", erklärt Daniel Fürst, Vorsitzender des Zentralverbands Deutscher Schornsteinfeger. Auch sehen sich Schornsteinfeger an, ob Feuerstätten effizient arbeiten und ob Gasleitungen dicht sind.

Schornsteinfeger montieren zudem Rauchwarnmelder. Als Experten vor Ort begleiten sie die Energie- und Wärmewende. Dafür bewerten sie Gebäude und erstellen Energie- und Verbrauchsausweise. Daneben empfehlen sie im individuellen Fall sinnvolle energetische Sanierungsarbeiten am Haus. "Gerade dieser Mix aus unterschiedlichen Aufgaben macht den Beruf so interessant", findet Otto.

Und ein bisschen Nervenkitzel ist täglich dabei – nämlich dann, wenn es rauf aufs Dach geht. "Den Respekt vor der Höhe werde ich nie verlieren", sagt der Azubi. Ihm macht es auch nichts aus, bei Wind und Regen auf dem Dach zu balancieren. Schwindelfreiheit ist aber ein Muss.

Ansonsten sind keine Mindestvoraussetzungen festgeschrieben. "Die Erfahrung zeigt aber, dass mindestens ein Hauptschulabschluss oder besser noch ein Realschulabschluss nötig ist", so Fürst. Zudem sollte ein Berufseinsteiger aufgeweckt und kontaktfreudig sein sowie ein gewisses technisches Grundverständnis mitbringen.

Von Vorteil ist Interesse an physikalischen und chemischen Zusammenhängen. Das ist nötig, um Abgase und Verbrennungsrückstände messen und beurteilen zu können. Gute Mathe-Kenntnisse brauchen Schornsteinfeger, um zum Beispiel Volumenströme in Zahlenwerten in Arbeits-, Mess- und Prüfberichten anzugeben.

Was Otto an seinem Beruf gefällt: "Man ist ständig unterwegs", sagt er. Schornsteinfeger meistern ihren Arbeitsalltag in aller Regel alleine. Durch den ständigen Kundenkontakt sind sie aber trotzdem immer in Gesprächen – und sie haben viel Verantwortung.

Ein Beispiel: Der Schornsteinfeger muss merken, wenn etwas an der Anlagetechnik nicht stimmt oder die Gebäudehülle verändert wurde. "Der Austausch von Fenstern etwa in einem Haus oder die Dämmung von Außenwänden bedeutet, dass das Gebäude dichter wird", erläutert Fürst. Das wiederum kann die Verbrennungsluftversorgung von Feuerstätten beeinträchtigen und birgt ein großes Gefahrenpotenzial für die Bewohner.

Schornsteinfeger bekommen von ihrem Arbeitgeber einen Betriebswagen gestellt, um von Haus zu Haus zu fahren. Das Fahrzeug ist Werkstatt und Büro zugleich. Regelmäßig trifft man sich mit Chef oder Chefin im eigentlichen Büro und bespricht die anstehenden und erledigten Aufgaben.

Der Schornsteinfeger kümmert sich in aller Regel selbst um alles – von der Terminabsprache mit dem Kunden bis zum Bearbeiten der Gebäudedaten im Nachgang der durchgeführten Tätigkeiten. Das hat Vorteile: "Die Arbeitszeit kann, beispielsweise im Vergleich zur Industrie, sehr flexibel gestaltet werden", so Fürst.

Die Ausbildungsvergütung ist in einem Tarifvertrag geregelt. Danach erhalten Auszubildende laut Bundesagentur für Arbeit im ersten Jahr 520 Euro monatlich brutto, im zweiten 590 Euro und im dritten Jahr 690 Euro. In einigen Bundesländern gibt es laut Fürst Empfehlungen der Innungen – dort sind die Ausbildungsvergütungen dann höher.

Nach der Ausbildung beträgt das Einstiegsgehalt ab dem Jahr 2020 im Schnitt gut 2300 Euro. Wer weiterkommen will, kann den Meistertitel erwerben. Damit erhält man auch die Fachhochschulreife und kann zum Beispiel Anlagen-, Energie- oder Umwelttechnik studieren. Otto will den Weg in die Selbstständigkeit gehen: "Ich möchte eines Tages unbedingt einen eigenen Betrieb haben." Auf jeden Fall sind die Aussichten aus Verbandssicht großartig – nicht nur auf den Dächern Deutschlands.