1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Job & Bildung
  6. >
  7. Aufgaben vor dem Urlaub abgeben

Ferien-Freizeit Aufgaben vor dem Urlaub abgeben

Delegieren und anderen Arbeit auftragen, können viele nicht besonders gut. Es lässt sich aber lernen - eine Expertin erklärt wie.

01.07.2019, 23:01

Münster (dpa) l "Ich habe keine Zeit, das jemandem zu erklären", "Am Ende habe ich mehr Arbeit, als wenn ich es selbst mache" – die Hürden, Aufgaben oder Projekte im Job aus der Hand zu geben, sind hoch. Und die Ausreden sind vielfältig. Doch alle haben genug To-dos, die es sich zu delegieren lohnt – ob Führungskraft, Mitarbeiter oder Freiberufler. Warum es dennoch so schwerfällt, und wie Berufstätige das überwinden, erklärt Wirtschaftspsychologin und Business-Coach Eva Schulte-Austum.

Warum ist es überhaupt wichtig, delegieren zu lernen?
Unser Arbeitsalltag wird immer komplexer, die Anforderungen steigen, und auch Themen wie agiles Arbeiten und flexibles Reagieren haben in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Wir können nicht alles alleine schaffen, deshalb müssen wir Arbeit abgeben. Auch um Arbeitszeit produktiver zu nutzen, Stress und Überforderung zu reduzieren und mehr Zeit für Aufgaben zu haben, die wirklich wichtig sind.

Klingt gut. Was hindert uns daran, Arbeit abzugeben?
In meiner Tätigkeit als Business-Coach habe ich dazu einige Erklärungen immer wieder gehört. Ich nenne sie Glaubenssätze – Mythen, die uns davon abhalten, zu delegieren. Im Grunde steckt dahinter die Schwierigkeit, Vertrauen zu schenken. Da tun sich gerade Deutsche schwer, wie ich festgestellt habe.

Was sind denn die gängigsten Mythen?
Der erste dieser Glaubenssätze ist: "Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser." Viele geben Aufgaben deshalb einfach nicht aus der Hand. Aber auch die Haltung, "Niemand macht es so gut oder so schnell wie ich" ist beliebt. Daneben haben viele den Anspruch, dass ein Kollege oder Mitarbeiter erstmal in Vorleistung gehen muss, frei nach dem Motto "Vertrauen muss sich das Gegenüber erst verdienen". Andere wiederum denken "Misstrauen schützt vor schlechten Erfahrungen". Und sind zu skeptisch, etwas an andere abzugeben, damit sie am Ende nicht enttäuscht werden.

Wie aber können wir uns dann vor Enttäuschungen schützen, wenn nicht durch Misstrauen?
Ein wirkungsvoller Weg, positiv überrascht zu werden, ist dem Gegenüber zu vertrauen. Das lässt sich psychologisch erklären. Hier wirkt der Pygmalion-Effekt, die positive Form der selbsterfüllenden Prophezeiung. Wie wir über unser Gegenüber denken, nimmt direkt Einfluss auf sein Verhalten. Der Mechanismus ist simpel: Geschenktes Vertrauen verpflichtet, denn es setzt an einer sehr sensiblen Stelle an: unserer Ehre.

Menschen wollen intuitiv die Erwartungen des anderen erfüllen und strengen sich deshalb besonders stark an. Wer also positive Erfahrungen beim Delegieren machen möchte, der sollte dem Gegenüber einen gewissen Vertrauensvorschuss geben. Die Forschung zeigt: Geschenktes Vertrauen motiviert ungemein und treibt Menschen zu Höchstleistungen an. Machen wir positive Erfahrungen beim Abgeben von Aufgaben, fällt uns das Delegieren beim nächsten Mal automatisch leichter.

Sie sprechen auch von dem Mythos "Für Delegation habe ich keine Zeit". Was sind denn die besten Tipps, um diesen Irrglauben abzulegen?
Ich muss schrittweise mit dem Delegieren anfangen. Also mit kleinen und leichten Aufgaben beginnen und das steigern, wenn ich merke, dass die Aufgaben souverän erledigt werden. Man sollte Delegieren nämlich nicht nur als Möglichkeit sehen, dass eigene Arbeitspensum zu reduzieren – sondern auch als Chance, andere Menschen weiterzuentwickeln.

Grundsätzlich ist es hilfreich, sich vor Augen zu halten, welche Vorteile es mit sich bringt, Aufgaben abzugeben. Die Fähigkeit zu vertrauen sollte man als Kompetenz sehen, um die eigene Arbeitskraft effektiv einzusetzen und gesteckte Ziele gemeinsam zu erreichen.

Was muss ich also ganz konkret machen?
Klarheit erleichtert Delegieren. Stellen Sie sich regelmäßig die Frage: Welche der anstehenden Aufgaben kann auch jemand anderes erledigen? Am besten eigenen sich dafür einfache Projekte oder mehrere kleine Aufgaben, die zusammenhängen. Nur wenn Sie sich bewusst sind, welche Aufgaben Sie abgeben können, werden Sie es auch tun. Wer macht was bis wann? Das ist mitunter die wichtigste Frage, die Sie beantworten müssen.

Und: Priorisieren Sie richtig. Geben Sie Termine und Projekte ab, die von anderen erledigt werden können und mit anderen Aufgaben in ihrem Terminkalender kollidieren. Sie können schließlich nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen.

Und wie geht man mit der Angst vor Fehlern oder negativen Konsequenzen um, wenn man eine wichtige Aufgabe aus der Hand geben muss?
Die große Angst vor negativen Konsequenzen – und das ist erstmal leicht gesagt – kann man überwinden, wenn man weiß, dass man mit Fehlern umgehen kann. Ein gering ausgeprägtes Selbstvertrauen ist da hinderlich. Je sicherer wir uns selbst fühlen, desto weniger Angst haben wir davor, dass Fehler passieren. Es gilt immer: Eine gute Führungskraft kann mit Fehlern umgehen.

Wenn ich zum Beispiel in den Urlaub gehe und wirklich nicht erreichbar bin, kann es außerdem helfen, im Vorhinein eine Art Fragen-und-Antworten-Dokument vorzubereiten. Da halte ich fest: Welche Probleme könnten auftreten, wie wahrscheinlich ist das, und auf was kann ich vor meinem Urlaub schon eine Antwort geben?

Wenn ich an andere delegiere – wie viel Kontrolle muss dann sein?
Am besten man macht sich klar: Übermäßige Kontrolle wirkt wie Misstrauen, und das gibt natürlich dem Mitarbeiter oder dem Kollegen ein schlechtes Gefühl. Man kommt in eine Negativspirale. Wichtig ist, von Beginn an möglichst viel Transparenz zu schaffen und darüber zu sprechen, wie viel Kontrolle oder Erläuterungen der jeweilige Kollege möchte. Ich frage also: "Was genau brauchst du von mir?" Und am Ende kann derjenige, der To-dos übernimmt, das auch nur so gut machen, wie die Einführung war. Dafür sollte man sich Zeit nehmen.

Außerdem ist grundsätzlich ein bisschen mehr Gelassenheit ratsam. Die Deutschen sind manchmal schon sehr gewissenhaft. Dabei ist es wichtiger, nicht nur auf eine Aufgabe zu gucken und darauf, wie gut oder schlecht sie erfüllt wird, sondern auch auf Beziehungen. Wir arbeiten schließlich alle lieber für jemanden, der dankbar und freundlich ist, als für jemanden, der uns schlicht ignoriert.