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Volksstimme-Telefonforum zu den Aufgaben der Zivil- und Strafgerichte Bei Konflikten unter Nachbarn: Erst zum Schlichter, dann zum Richter

18.11.2010, 04:15

Auskunft zu den Aufgaben der Zivil- und Strafgerichte gaben am Dienstag beim Volksstimme-Telefonforum die Richter Miriam Soehring und Christian Löffler vom Landgericht Magdeburg sowie Hinderk Wybrands und Frank Gärtner vom Amtsgericht Magdeburg. Anja Gildemeister notierte Fragen und Antworten.

Frage: Wofür ist das Amtsgericht zuständig?

Antwort: In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind die Amtsgerichte insbesondere zuständig für Ansprüche bis zu einem Wert von 5000 Euro, Wohnungsstreitigkeiten, Kindschafts- und Unterhaltssachen sowie Familiensachen. Daneben ist das Amtsgericht Vollstreckungs-, Insolvenz-, Versteigerungs-, Nachlass- und Vormundschaftsgericht sowie Grundbuchamt.

Frage: Ich habe seit langem Streit mit meinem Nachbarn. An welches Gericht kann ich mich mit meinen Problemen wenden?

Antwort: In Sachsen-Anhalt ist bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten und bei Ehrenschutzklagen (also bei Beleidigung oder Verleumdung) ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle gesetzlich vorgeschrieben. Andernfalls wäre eine Klage unzulässig. Wenden Sie sich an die für Ihren Wohnort oder Stadtteil zuständige Schiedsstelle, an einen Notar oder an einen Rechtsanwalt. Die Schiedsstellen sind eingerichtet worden, um Streitigkeiten zu befrieden. Beachten Sie bitte, dass die Schiedsleute ehrenamtlich arbeiten und keine ausgebildeten Juristen sind. Sie können deshalb auch keine Entscheidungen treffen, es geht um außergerichtliche Konfliktlösung.

Frage: Wie teuer wird die Anrufung einer Schlichtungsstelle für mich?

Antwort: Für die Schlichtung als solche wird eine Gebühr von 25 Euro erhoben. Kommt eine Einigung zustande, erhöht sich diese Gebühr auf 50 Euro. In Ausnahmefällen kann diese Gebühr auf bis zu 75 Euro erhöht werden. Grundsätzlich sind diese Gebühren als Kostenvorschuss durch die antragstellende Partei zu entrichten. Die Schlichtungspersonen erheben ferner Auslagen, zum Beispiel Schreibauslagen oder Postzustellungskosten.

Frage: Ich bin Opfer eines Verkehrsunfalles geworden. An wen muss ich meine Ansprüche auf Schadensersatz richten?

Antwort: Hauptansprechpartner ist die gegnerische Haftpflichtversicherung, die auch die Prozesse für den Fahrer und den Halter führt.

Frage: Wer kann Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen?

Antwort: Rechtsuchende, die die erforderlichen Mittel für die Beratung und außergerichtliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht selbst aufbringen können, haben die Möglichkeit, Beratungshilfe und später gegebenenfalls auch Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung sind ein geringes oder gar kein Einkommen und die Erfolgsaussicht der Klage. Sinnlose Klagen werden nicht finanziert. Beantragen Sie beim Amtsgericht Ihres Wohnortes einen Beratungshilfeschein, gehen Sie damit zu einem Anwalt. Dieser wird Ihren Fall prüfen und gegebenenfalls Prozesskostenhilfe beantragen. Ihr eigener Kostenanteil für die außergerichtliche Beratung beträgt zehn Euro.

Frage: Ich habe bei der Polizei eine Strafanzeige erstattet. Bekomme ich weitere Informationen zum Verlauf des Verfahrens?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft teilt Ihnen den Ausgang des Ermittlungsverfahrens mit. Wenn Sie Akteneinsicht wüschen, können Sie dies nur über einen Rechtsanwalt beantragen.

Frage: Wer bestimmt, welcher Richter ein Verfahren bekommt?

Antwort: Weder kann sich der Richter einen Fall aussuchen noch kann sich der Bürger einen Richter für seinen Fall aussuchen. Vielmehr erfolgt die Verteilung der Fälle nach dem sogenannten Geschäftverteilungsplan, der jährlich im Voraus erstellt wird. Gängige Verteilungssysteme arbeiten zum Beispiel mit den Endziffern der Aktenzeichen oder mit den Anfangsbuchstaben der Familiennamen der Beklagten.

Frage: Was ist gerichtliche Mediation im Zivilverfahren?

Antwort: Mediation bedeutet Streitschlichtung. Sie ist bei fast allen Gerichten und bei allen Fällen möglich. Die Mediation wird von einem Richter durchgeführt, der den Fall nicht bearbeitet und dient dazu, die Probleme, die die Parteien miteinander haben, zu lösen. Wenn die Mediation positiv verläuft, führt sie zu einem Vergleich, der wie ein Urteil wirkt. Die Mediation ist nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Frage: Wofür sind die Landgerichte zuständig?

Antwort: Die Landgerichte sind zuständig in erster Instanz

m in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im ersten Rechtszug für alle Streitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind;

m für Ansprüche aus Amtshaftung;

m für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte mit Ausnahme der Familien- und Kindschaftssachen, für die das Oberlandesgericht zuständig ist;

m für Strafsachen im ersten Rechtszug zur Aburteilung von Verbrechen – insoweit auch als Schwurgericht – und Vergehen, soweit nicht das Amtsgericht oder ein höheres Gericht zuständig ist.

In zweiter Instanz sind die Landgerichte zuständig für Berufungen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse der Amtsgerichte als Zivilgericht und als Strafgericht (Strafrichter und Schöffengericht).

Frage: Kann mir ein Richter am Amtsgericht außerhalb eines Verfahrens rechtliche Fragen beantworten?

Antwort: Das darf er nicht, denn Richtern ist die Rechtsberatung nicht erlaubt.

Frage: Gibt es Fristen, binnen derer ein Richter einen Fall bearbeiten muss?

Antwort: Es gibt keine starren Fristen. Jeder Richter ist verpflichtet, ein Verfahren in angemessener Zeit zu bearbeiten. Was angemessen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Falls ab.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Berufung und Revision?

Antwort: Die Berufung ist eine weitere Tatsacheninstanz. Das bedeutet, das Verfahren wird noch einmal komplett aufgerollt, der Sachverhalt wird noch einmal überprüft. Das Revisionsgericht dagegen geht nur von der Akte aus und überprüft die richtige Rechtsanwendung. Zivil-Urteile unterhalb von 600 Euro sind nicht anfechtbar.

Frage: Während einer vierwöchigen Urlaubsreise ist mir ein Urteil per Post zugestellt worden. Nun bin ich wieder zu Hause, und die Berufungsfrist ist abgelaufen. Habe ich noch eine Chance, gegen das Urteil vorzugehen?

Antwort: Wer geplant längere Zeit nicht zu Hause ist, muss sich darum kümmern, dass jemand die Post öffnet und bearbeitet. Nur bei unverschuldeter Versäumnis der Frist, zum Beispiel durch einen ungeplanten Krankenhausaufenthalt, besteht die Möglichkeit, dass das Verfahren dennoch fortgesetzt wird.

Frage: Ich habe über ein Urteil des Bundesgerichtshofes in einer mietrechtlichen Angelegenheit gelesen, das genau meinen Fall betrifft. Muss mein Vermieter das Urteil befolgen?

Antwort: Der Vermieter muss das Urteil nicht befolgen, aber damit rechnen, dass er einen entsprechenden Prozess verliert, da sich das Gericht üblicherweise an höchstrichterliche Urteile hält.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Straf- und Zivilrecht bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden?

Antwort: Der Strafrichter verurteilt den Täter gegebenenfalls zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe. Der Zivilrichter spricht dem Geschädigten Schadensersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld zu.

Frage: Kann ich die Berufung ins Schöffenamt ablehnen?

Antwort: Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt, zu dessen Wahrnehmung jeder deutsche Staatsbürger verpflichtet ist. Nur bei besonderen persönlichen Umständen kann die Berufung ins Schöffenamt abgelehnt werden. Von der Übernahme des Schöffenamtes sind nur wenige Personen ausgeschlossen. Ein solcher Ausschlussgrund liegt beispielsweise bei einer nicht geringen strafrechtlichen Verurteilung vor oder wenn ein Ermittlungsverfahren läuft, welches zu einer solchen Strafe führen könnte. Daneben sind bestimmte Personen zur Übernahme eines Schöffenamtes nicht geeignet. So sollen Personen, die in Vermögensverfall geraten sind oder Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht für das Amt geeignet sind, nicht berufen werden.