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Mundhöhlenkrebs Krebsfrüherkennung beim Zahnarzt

Gar nicht selten tritt eine Krebserkrankung im Mundraum auf. Die ersten
Anzeichen deuten Betroffene oftmals falsch. Dabei kann der frühzeitige
Zahnarztbesuch das Leben retten.

Von Uwe Seidenfaden 10.06.2014, 03:26

Halle l In der DDR und im Westen Deutschlands nannte man ihn "Monsieur 100.000 Volt": Der französische Chansonnier Gilbert Bécaud war bekannt dafür, dass er sich auf der Bühne total verausgabte - nicht selten mit der Zigarette in der Hand. Vor 16 Jahren erkrankte er an Mundhöhlenkrebs. Drei Jahre später starb er.

Bis heute führt diese bösartige Erkrankung, im Vergleich zu Brust-, Lungen- und Darmkrebs, ein Schattendasein. Wenige kennen die Risiken. Dabei sind Tumoren in der Mundhöhle und auf der Zunge keineswegs selten. Unter über 50-jährigen Männern sind sie die fünfthäufigste Krebs-Todesursache. Betroffen sind aber auch jüngere Männer und Frauen, so Prof. Dr. Dr. Alexander Eckert, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Uni Halle-Wittenberg auf einem Medienseminar der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt.

Rauchen und Alkohol schädigen Zellen

Das Tückische an dieser Krankheit ist, dass die Patienten die Erkrankung im Frühstadien meist nicht erkennen. Oft werden schlecht heilende und blutende Wundstellen an der Zuge, den Zähnen oder anderen Teilen des Mundraumes nicht ernst genommen, zumal wenn sie nicht schmerzen. Mancher Patient verwechselt sie mit Druckstellen von Zahnprothesen, so der Oberarzt. "Wenn aber solche Wundstellen nach maximal zwei Wochen noch immer bestehen, sollte jeder Betroffene unbedingt einen Zahnarzt aufsuchen", rät Professor Eckert.

Über die Entstehung der häufigsten bösartigen Geschwulste im Mundraum - der sogenannten Plattenepithelkarzinome - hat die Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten Neues herausgefunden. Am Beginn stehen vielfach chronische Schleimhautschädigungen durch regelmäßiges Rauchen, insbesondere in Verbindung mit häufigem Alkoholkonsum und wahrscheinlich weiteren Giften in scharf gebratenem oder gegrillten Fleisch. Diese Risiken können aber nicht die Erkrankung junger Nichtraucher und Nichttrinker erklären.

Ein weiteres Risiko sind vermutlich sogenannte Warzenviren, auch Humane Papillomaviren (HPV) genannt. Darauf weisen mehrere internationale Studien der vergangenen Jahre hin. Humane Papillomaviren nisten sich gewöhnlich frühzeitig im Genitalgewebe von Frauen und Männern ein und können unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen. Es ist möglich, dass diese Viren bei bestimmten Sexulapraktiken in den Mundraum gelangen und dort später Krebs auslösen. Ob junge Frauen, die eine HPV-Impfung erhalten haben, auch vor Mundhöhlenkrebs geschützt sind, können Mediziner noch nicht bestätigen.

Die erste Wahl der Therapie ist die Operation, so Professor Eckert. Patienten sollten wissen, dass das Operationsgebiet stets größer als der Tumorherd ist. Oftmals werden deshalb nicht nur Zähne und Weichgewebe entfernt, sondern auch Teile der Kieferknochen. Die entnommenen Stücke werden später durch künstliche Titanimplantate, Haut- und Gewebe- lappen sowie Knochenmaterial aus Schulter, Ellenbogen oder Wadenbein ersetzt bzw. rekonstruiert.

Die operativen Eingriffe, aber auch die Chemotherapie, haben Auswirkungen auf die Ernährung und das Sprechen, so dass sich meist eine längere Rehabilitationsphase mit Unterstützung von Logopäden und anderen Therapeuten anschließt. Bestrahlungen können in Einzelfällen eine Alternative sein, allerdings sollte der akute Nutzen und die Langzeit-Bestrahlungschädigungen gut abgewogen werden.

Intensive Suche nach Diagnosemethoden

Oftmals haben Mundhöhlenkarzinome bereits vor der ärztlichen Diagnose Lymphknotenmetastasen gebildet, die dann mit behandelt werden müssen. Ein sicheres Indiz für schlechtere Überlebenschancen ist ein metastasiertes Plattenepithelkarzinom in der Mundhöhle prinzipiell dennoch nicht. Die Wissenschaft sucht derzeit noch nach zuverlässigeren Diagnosetechniken, beispielsweise die Kombination bestimmter Eiweißmoleküle auf der Krebszelloberfläche. Dabei sind den Forschern der Hallenser Universität bereits einige Fortschritte gelungen, so Professor Eckert. Weltweit begannen inzwischen erste klinische Studien mit Patienten, die zusätzlich zur Operation eine Therapie mit Antikörpern wie beispielsweise Cetuximab erhalten haben.

Da es keine offiziellen Früherkennungsuntersuchungen auf Mundhöhlenkrebs gibt, raten die Zahnärzte allen Patienten, auf die tägliche Mundhygiene zu achten, die bekannten Risikofaktoren (Rauchen und Alkoholmissbrauch) zu vermeiden und mindestens einmal jährlich den Zahnarzt zur allgemeinen Kontrolluntersuchung aufzusuchen.