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Helfer Oma und Opa Ganz allein bei den Großeltern

Die Nabelschnur ist längst durchschnitten. Und trotzdem ist es gar nicht so leicht, das Baby zum ersten Mal für ein paar Stunden in die Obhut der Großeltern zu geben. Planen Eltern die Betreuung jedoch peu à peu, fällt das deutlich leichter.

Von Eva Dignös und Kerstin Singer 03.09.2014, 01:17

Magdeburg/Düsseldorf l Es klingt wie die einfachste Sache der Welt: "Jetzt passe ich ein paar Stunden auf den Kleinen auf, und du unternimmst mal wieder allein etwas", bietet die Großmutter an. Doch das Alleinbleiben bei den Großeltern sollte gut vorbereitet werden, damit die Trennung zwischen Mutter und Kind nicht zu einer Störung der Bindung führt. "Kleine Kinder brauchen ihren sicheren Hafen", erklärt Susanne Thüme, Diplom-Psychologin und Leiterin der Erziehungs- und Familienberatungsstelle beim Jugendamt Magdeburg.


Häufige und kurze Kontakte zu den Großeltern seien besser, als gleich ein ganzes Wochenende gemeinsam zu verbringen. "Anfangs verlassen die Eltern nur für ein paar Minuten den Raum, dann verlängern sie schrittweise den Zeitraum, bis das Kind die Großeltern als Bezugspersonen akzeptiert", so Thüme. Nächster Schritt sind dann ein, zwei Stunden allein mit den Großeltern, in denen sich Opa und Oma auch intensiv mit dem Kind beschäftigen, beispielsweise gemeinsam auf den Spielplatz gehen. Erst wenn das gut klappe, könne man darüber nachdenken, das Kind auch mal über Nacht bei Oma und Opa zu lassen.

Eltern sollten nicht ohne Verabschiedung gehen

Doch viele Großeltern wohnen weit weg und sehen ihre Enkelkinder selten. Susanne Thüme rät dringend davon ab, hinzufahren und das Kind in der fremden Umgebung allein zu lassen. "Das wäre die totale Überforderung für das Kind", warnt sie. In der vertrauten Umgebung des eigenen Zuhauses sei es deutlich besser, die Großeltern kennenzulernen und auch mal mit ihnen allein zu bleiben. Wer weit weg wohne, könne über häufige Telefonate, zum Beispiel über Video-Telefonate mit Skype, auch langsam eine Beziehung zu den Enkelkindern aufbauen.


Das ersetze zwar nicht den direkten Kontakt, helfe aber, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das sollte auch nicht erschüttert werden, indem die Eltern ohne Verabschiedung verschwinden. "Niemals das Kind im Kinderwagen einschlafen und dann alleine bei den Großeltern aufwachen lassen", empfiehlt auch Yvonne Knuth, Leitende Hebamme am Städtischen Klinikum Magdeburg. Sie gibt in ihrer Hebammenpraxis auch Großelternkurse, bei denen solche Situationen besprochen werden.

Oft klaffen die Vorstellungen über Erziehung zwischen den Generationen auch deutlich auseinander. Knuth kann jedoch nur davon abraten, in Abwesenheit der Eltern die vermeintlichen Erziehungssünden auszubügeln. Denn das Kind fühle sich vor allem dann wohl, wenn die Dinge so blieben, wie es das auch gewohnt sei. Deshalb sollten im Vorfeld auch Vorlieben beim Essen, Einschlaf- oder Beruhigungsrituale an die Großeltern weitergegeben werden. "Am besten einfach auf einen Zettel aufschreiben, vielleicht auch ein mögliches Beruhigungsszenario", rät Psychologin Thüme.

Wann der richtige Zeitpunkt für die erste alleinige Zeit mit den Großeltern ist, hängt völlig vom Kind und seiner Beziehung zu Opa und Oma ab. Laut Hebamme Thüme ist es bereits ab acht Wochen nach der Geburt möglich, dass die Mutter mal kurz zum Frisör geht, wenn der Kontakt zur Oma intensiv ist. Aber nicht alle Mütter können die kinderfreie Zeit oft nicht genießen. "Die Sehnsucht nach dem Kind ist ein ganz natürliches Gefühl und Ausdruck der engen Bindung", sagt Nathalie Ries, Beraterin und Tagesmutter bei Kinderblick, einer Elternberatung in Düsseldorf.

Ihr Rat: "Nichts überstürzen, sondern auf das Bauchgefühl vertrauen. Mütter haben in der Regel ein sehr gutes Gespür dafür, was sie sich und ihrem Kind zumuten können." Wer sich unsicher sei, ob es seinem Kind bei Oma und Opa gut geht, lasse das auch das Kind spüren.

"Die Voraussetzungen, dass ein Kind die Großeltern als Bezugsperson akzeptiert, sind meist gut", ist die Erfahrung von Elternberaterin Ries. Denn Eltern und Großeltern haben oft unbewusst ganz ähnliche Verhaltensweisen, tragen oder füttern das Kind auf gleiche Weise, verwenden dieselben Kosenamen, haben vielleicht sogar eine ähnliche Stimmlage. "Das sorgt für Vertrautheit."

Für den Notfall in der Nähe bleiben und erreichbar sein

Die Eingewöhnungszeit tut nicht nur dem Kind gut, denn auch Großeltern müssen sich an ihre neue Rolle gewöhnen. "Die Betreuung eines kleinen Kindes kann ganz schön fordernd sein", sagt Thüme. Knuth rät auch, sich für die gemeinsame Zeit mit dem Kind nichts anderes mehr vorzunehmen, was noch erledigt werden muss.

So gut die Vorbereitung auch war: Das Leben mit Kindern ist unberechenbar, und deshalb kann auch ein Kind, das Oma und Opa eigentlich gut kennt, plötzlich untröstlich zu weinen anfangen. "Im Notfall sollten die Eltern immer schnell beim Kind sein und auch selbst die Ruhe bewahren können", rät Thüme.

Die Großeltern wiederum sollten Anrufe der Eltern nicht als Kontrolle verstehen, sondern als Chance, Probleme schnell zu lösen. Und auch wenn es etwas Geduld erfordert: Das Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Großeltern langsam aufzubauen, lohnt sich. Denn sowohl Yvonne Knuth als auch Susanne Thüme halten gute Großeltern für einen wichtigen Baustein im Familienleben der Kinder.