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Poliomyelitis Impfen gegen Kinderlähmung

Heute ist Welt-Polio-Tag. Kinderlähmung gilt hierzulande seit 50 Jahren
als ausgerottet. Doch noch immer müssen Sachsen-Anhalter betreut werden,
die damals als Kinder erkrankten.

28.10.2014, 01:08

Magdeburg/Berlin (dpa) l Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist eine hoch ansteckende Krankheit. Sie trifft nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor allem Kinder unter fünf Jahren. Eine von 200 Infektionen mit dem Poliovirus führt zu dauerhaften Lähmungen.

Die akute Form der Poliomyelitis gilt laut Robert-Koch-Institut in Berlin in Deutschland seit den 1960er dank neuer Impfstoffe als ausgerottet. Jedoch trat Polio zuletzt vermehrt in Pakistan, Syrien, Afghanistan und Israel auf. "Vor einer erneuten Einschleppung des Virus nach Sachsen-Anhalt ist das Land deshalb gerüstet", sagte Constanze Gottschalk, Beauftragte für Gesundheit und Hygienemanagement im Landesamt für Verbraucherschutz. Allein im Jahr 2013 hätten im Schnitt 95,7 Prozent aller Schulanfänger Sachsen-Anhalts die erforderlichen Impfungen bekommen. Das Impfziel liege bei 90 Prozent.

Obwohl es in Deutschland als ausgerottet gilt, leiden in Sachsen-Anhalt noch immer hunderte Menschen an den Spätfolgen. Allein in Magdeburg treffen sich regelmäßig 26 Betroffene in der Selbsthilfegruppe Polio. "Die Beschwerden des Post-Polio-Syndroms sind unheilbar", sagt Detlef Hoppe, Sprecher der Gruppe. "Es kann nicht besser werden, es kann sich höchstens verschlimmern." Die Betroffenen litten unter Lähmungen und Muskelschwäche. Sie kämen regelmäßig in der Gruppe zusammen, um sich über ihre Sorgen und Behandlungsmöglichkeiten austauschen.

Detlef Hoppe hat keine Kinderlähmung gehabt. Aber er engagiert sich in der Gruppe, weil seine Lebensgefährtin von Post-Polio betroffen ist. Im Alter von sieben Jahren infizierte sie sich mit der Kinderkrankheit, gegen die es bis Mitte der 1950er Jahre keine Massen-Impfungen gab. Mit 60 Jahren erlitt sie einen erneuten Krankheitsschub - und leidet nun schon seit 13 Jahren an Muskelschwäche und Schmerzen.

"Im gesamten Bundesgebiet liegen die Schätzungen bei 50.000 Post-Polio-Patienten", sagte Stefan Vielhaber, Leiter des Muskelzentrums des Uniklinikums Magdeburg. In Sachsen-Anhalt seien es Hunderte. "Bei unseren Patienten kommt die gesamte Behandlungspalette zum Einsatz." So gebe es Physiotherapie und Krankengymnastik zum Muskelaufbau.

Prothesen und andere Hilfsmittel könnten Fehlstellungen und Muskelverkürzungen korrigieren. Logopädie müsse bei Schluck- und Atemstörungen angewendet werden. Mehrmals monatlich können Betroffene zudem zur speziellen Beratung ins Magdeburger Muskelzentrum kommen.

1988 startete die WHO ein globales Programm zur Ausrottung der Kinderlähmung. Die Zahl der Infektionen ist seither um weit mehr als 99 Prozent zurückgegangen - von geschätzt 350.000 im Jahr 1988 auf 406 im Jahr 2013. In diesem Jahr trat die Krankheit nur noch in drei Ländern gehäuft auf: Afghanistan, Nigeria und Pakistan. 1988 waren noch 125 Länder betroffen. In Deutschland gab es 1992 die letzten Polio-Fälle.

Registriert wurden zwischenzeitlich jedoch etwa 40 Polio-Fälle in Syrien, wo aufgrund des Bürgerkriegs die Impfquoten stark gesunken waren. Ein Impfprogramm von WHO und dem UN-Kinderhilfswerk Unicef bei mehr als 22 Millionen Kindern konnte die Viruszirkulation bis April 2014 jedoch wieder eindämmen. In Deutschland wurden aus Syrien geflohene Kinder seit November 2013 deshalb vorsichtshalber auf Polio getestet - in fast 600 Stuhlproben wurde jedoch kein Poliovirus nachgewiesen und die Beobachtung daraufhin im April wegen des sehr geringen Einschleppungsrisikos wieder eingestellt.

Zum Welt-Polio-Tag weisen Organisationen darauf hin, dass die Zahl der Polio-Infektionen wieder zunehmen könnte. Er fällt auf den 28. Oktober, den Geburtstag des US-Mediziners Jonas Salk (1914-1995). Der Forscher hatte den ersten Impfstoff gegen Polio entwickelt.