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Regional Dialog mit den Bürgern fehlt

Seit fast einem Jahr regiert Corona die Geschicke Wolmirstedts mit

23.01.2021, 07:49

Wie sich das Stadtleben unter Pandemiebedingungen trotzdem entwickelt, will Volksstimme-Reporterin Gudrun Billowie von Bürgermeisterin Marlies Cassuhn wissen.

Frau Cassuhn, Ende 2020 hat der Stadtrat unter anderem den Neubau des Stadions sowie den Verkauf der Jahnhalle beschlossen und damit einen Schlusspunkt unter jahrelange Debatten gesetzt. Wie fühlt sich das an?

Marlies Cassuhn: Für die Verwaltung ist es wichtig, dass wir diese Entscheidungen haben. Sie sind die Basis, von der wir starten können. Von den Bürgern werden wir jedoch daran gemessen, wie wir diese Beschlüsse umsetzen, wie das Stadion gebaut wird.

Auch den Verkauf der Jahnhalle empfinden wir als Befreiung, das jahrelange Lavieren hört auf. Nun werden alle Akten in Kisten gepackt und im Archiv verwahrt. Im Übrigen sind alle, Politik und Verwaltung, sehr, sehr glücklich darüber, dass es in der Jahnhalle weiterhin eine sportliche Nutzung geben wird.

Wie geht es weiter mit dem Sechs-Millionen-Neubau Stadion?

Da gibt es jetzt richtig viel zu tun, nicht nur finanziell, sondern auch bei der Planung, den Vergaben bis hin zur Baugenehmigung. Außerdem werden wir weiterhin Anträge auf finanzielle Unterstützung stellen, beispielsweise beim Umweltministerium. Die 1,18 Millionen Euro aus dem Innenministerium und die 580 000 Euro aus dem Verkehrsministerium sind uns sicher.

Die dritte Dauerbaustelle ist die Gutenberg-Schule. Wie ist dort der aktuelle Stand?

Der Landkreis möchte den Schultausch ohne Gebäudetausch und muss nun gegenüber dem Landesverwaltungsamt nachweisen, dass die Sanierung der Harnisch-Schule die wirtschaftlich günstigste Variante ist.

Wie der Name sagt, ist eine Bürgermeisterin für die Bürger da. Wie gelingt der Kontakt in Zeiten der Kontaktbeschränkungen?

Schwer. Mir fehlt der direkte Dialog mit den Bürgern. Mir fehlt der spontane Dialog auf der Straße, weil kaum jemand unterwegs ist, und mir fehlt der Dialog, der sich bei Veranstaltungen ergibt, weil keine Veranstaltungen mehr stattfinden.

Darüber hinaus bedaure ich sehr, dass wir die geplanten Bürgerversammlungen nicht mehr anbieten konnten. Der Auftakt im Januar 2020, als wir den künftigen Stadtpark vorgestellt hatten, war vielversprechend. Auf Nachfrage haben die Bürger sogar zwei Versammlungen pro Jahr gewünscht. Das wollten wir gerne aufgreifen. Im September sollte es eine Bürgerversammlung zu den Themen Breitband, Radwege und Stadtentwicklung geben. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die Bürger mitzunehmen und es ist sehr schade, dass wir wegen Corona nicht in den Dialog kommen konnten.

Suchen Bürger andere Wege, die Bürgermeisterin zu erreichen?

Es gibt keine E-Mail-Flut oder mehr Telefonanrufe. Die Bürger nutzen nach wie vor die Stadtratssprechstunden und den Behördenmelder „Sag’s uns einfach“.

Der Landkreis sieht in Wolmirstedt ein Modellprojekt beim Impfen der über 80-Jährigen. Wie läuft’s?

Wir unterstützen die Initiative des Landkreises sehr gern. Inzwischen sind auch alle 800 Briefe an die über 80-jährigen Wolmirstedter verschickt worden. Dabei hat uns vor allem die Technik geholfen. Im Einwohnermeldeamt wurde ein Raster eingesetzt, das die Adressen aller über 80-Jährigen herausgefiltert hat, die Briefe wurden gedruckt. Auch alles andere lief automatisch. Beim Bestücken der Briefumschläge haben sehr viele Mitarbeiter geholfen.

Wie geht es mit den Impfungen weiter?

Wenn der Impfstoff da ist, wollen wir die Sporthalle in der Gipfelstraße als Impfzentrum herrichten. Die ist barrierefrei zu erreichen, es gibt Parkplätze. Kommt der Impfstoff, sind wir vorbereitet.

Die Kitas und Horte sind geschlossen, bieten lediglich die Notbetreuung an. Fehlen die Elternbeiträge im Stadtsäckel?

Im ersten Lockdown wurden die Elternbeiträge nicht vollständig vom Land übernommen. Inzwischen übernimmt das Land die ausfallenden Kosten. Im Frühjahr haben wir die Haushaltssperre ausgesprochen und damit alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt. Es wurde nicht alles umgesetzt, was eigentlich geplant war. Damit ist es gelungen, einen soliden Abschluss des Jahres 2020 vorzulegen, trotz ungeplanter Ausgaben beispielsweise für Corona. Es gibt keinen negativen Haushaltsabschluss.

Der Stadtrat ist seit der letzten Kommunalwahl parteipolitisch bunter geworden, Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit?

Ich versuche, Entscheidungen sachlich und objektiv vorzubereiten, die Mehrheiten müssen sich im Stadtrat finden. Ich lebe mit Entscheidungen, die der Stadtrat trifft.

Haben sie sich über eine Entscheidung richtig geärgert?

Seit ich das Bürgermeisteramt übernommen habe, bin ich noch nie mit Frust über die Entscheidungen des Stadtrates nach Hause gegangen...davor schon. In der Verwaltung arbeiten wir gemeinsam daran, die Beschlüsse vorzubereiten.

Gerade in Corona-Zeiten wird das schnelle Internet immer wichtiger. Besonders in Farsleben und Mose hakt es noch. Wie geht es weiter?

MDDSL wollte am 18. Januar Rede und Antwort stehen, das ist nun auf den Hauptausschuss am 8. Februar verschoben. Wir versuchen dennoch, unsere Bemühungen zu intensivieren. Es gibt inzwischen Interesse von weiteren Unternehmen, Glasfaser zu verlegen.

Was nervt Sie besonders in der Corona-Zeit?

Ich kann auch schwierigen Zeiten Positives abgewinnen: Dinge lassen sich besser beenden, weil man nicht so getrieben ist. Es gibt auch keine Entscheidung zwischen Essen gehen und einem Ausschussbesuch. Schwierig ist, dass man sich so ausgeliefert fühlt. Man weiß nie, was kommt und es tut mir für jeden leid, der in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. Dem stehen wir ziemlich hilflos gegenüber. Außerdem weiß ich, wie schwer die Situation für Familien mit Kindern derzeit ist.

Persönlich leide ich sehr darunter, dass ich meine Enkel seit einem Jahr nicht persönlich gesehen habe, weil sie in Amerika leben. Neulich hat der zweijährige Felix gesagt „I need Oma“, ich brauche Oma.

Vielleicht besinnen wir uns in der ganzen Krise und danach aber auch wieder stärker darauf, was wir in der globalen und vernetzten Welt eigentlich vor der Haustür haben.

Worauf freuen sie sich, worauf können sich die Bürger 2021 freuen?

Auf die Umgestaltung des Stadtparks. Der wird hoffentlich genauso gut angenommen und pfleglich behandelt, wie die Weihnachtsbäumchen, die wir im Advent entlang der alten B189 aufgestellt haben.

Wir freuen uns auf den ersten Spatenstich für das Feuerwehrgerätehaus in Farsleben, wir wollen möglichst die Regionalmärkte fortsetzen, das Erntedankfest in Glindenberg und das Teichfest in Mose feiern sowie hoffentlich neue Elbeuer im neuen Wohngebiet „Siedlung“ begrüßen.