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Barby 17 Urnen im Schrank entdeckt

17 Urnen wurden auf dem Barbyer Friedhof in zwei Einkaufstaschen gefunden. Die dafür verantwortliche Mitarbeiterin wurde entlassen.

Von Thomas Linßner 23.12.2016, 00:01

Barby l Es ist ein unglaublicher Vorgang, der die Hinterbliebenen bis in Mark erschüttert. Ihre Lieben, zumeist waren sie Eltern oder Ehepartner, wurden nach der Trauerfeier nicht anonym beigesetzt, sondern über Jahre gehortet. Im Verdacht steht die Verantwortliche des Barbyer Friedhofs, die seit 2005 dort tätig war. Weil sie dort ihren Pflegeaufgaben nicht nachgekommen sei, wurde sie bereits im Juni dieses Jahres in den städtischen Bauhofes versetzt. Eine Kollegin trat die Nachfolge an.

Als Ende vergangener Woche Winterarbeiten auf dem Friedhof stattfanden, machten Bauhofmitarbeiter einen makaberen Fund: In einem ehemaligen Gewächshaus entdeckten sie zwei große Einkaufstaschen mit neun Urnen darin. Sie waren mit Laub überhäuft. „Ich habe erst gedacht, da hat jemand Müll über die Mauer geworfen“, erinnert sich einer der Stadtarbeiter.

Laut der Namensschildchen war schnell klar: Die Einäscherungen fanden zwischen Oktober 2014 und Mai 2015 statt. Aufgeschreckt durch diesen Fund nahmen die Amtsleiter Karin Knopf und Holger Goldschmidt zusammen mit Bauhof-Vorarbeiter Günter Franke das Friedhofsverwaltungsgebäude unter die Lupe. Und sie wurden erneut fündig: Im Kleiderschrank eines selten genutzten Nebenraums lagerten weitere acht Urnen. Wie üblich steckten die Aschekapseln in Schmuckurnen, so wie sie nach der Trauerfeier übergeben wurden. Hier lagen die Sterbedaten zwischen August 2011 und Mai 2015.

Dass sie die Urnen ordnungsgemäß beisetzte, habe die damalige Friedhofsverantwortliche in den üblichen Arbeitsnachweisen schriftlich bestätigt. „Es hat für uns keinen Grund gegeben, dem zu misstrauen“, sagt Bürgermeister Jens Strube. Kontrolliert wurde das Graben der 70 Zentimeter tiefen Löcher und die anschließende Beisetzung nicht. Der Bürgermeister verweist darauf, dass den Ort der anonymen Bestattungen nur die damit beauftragte Person kennt. Das sei in der Friedhofssatzung so geregelt.

Mit 16 der 17 Beisetzungen war das Barbyer Bestattungsunternehmen Schmidt/Edler beauftragt worden. „Die Leute rufen bei uns an und sind aufgebracht. Dabei können wir gar nichts dafür“, ist Gabriele Edler bestürzt. Sie muss ihnen dann immer wieder klar machen, dass nach der Trauerfeier die jeweilige Urne in städtische Hände übergeben wurde. „Das ist seit einigen Jahren so geregelt“, betont Edler, „früher haben wir auch das Loch gegraben und wieder verschlossen.“ Aus Kostengründen hatte die Stadt Barby diese Leistung selbst übernommen. Nach diesem Skandal kündigte der Bürgermeister sofort an, die alte Regelung wieder herzustellen.

 „Wir überlegen uns noch, ob wir rechtliche Schritte gegen die damalige Friedhofsverantwortliche einleiten“, so Bestatterin Gabriele Edler. Sie befürchtet die Rufschädigung ihres Unternehmens. Einheitsgemeinde-Bürgermeister Jens Strube und Barbys Ortsbürgermeister Ernst Neugebauer setzten sich sofort mit den Hinterbliebenen in Verbindung, der Schadesbegrenzung wegen. Was nicht so einfach ist, da einige nicht mehr in der Elbestadt wohnen oder schwer zu erreichen sind.

„Die Reaktionen sind Gott sei Dank ähnlich: Die Leute sind durchweg betroffen, aber erleichtert, dass die Sache jetzt in Ordnung gekommen ist“, glaubt Strube. Damit meint er die Gruppenbeisetzung der Urnen in zwei Etappen bis Dienstag. Dennoch seien die Hinterbliebenen „sehr aufgewühlt“, als sie es erfuhren. Unter ihnen sind auch zwei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung, die quasi Kolleginnen der Beschuldigten  sind.

Neugebauer, der Jahrzehnte als Pfarrer in Barby tätig war, versucht die Leute pietätvoll zu beruhigen: „Sämtliche Urnen wurden Anfang der Woche auf würdevolle Weise beigesetzt.“ Warum die Friedhofsverantwortliche so gehandelt hat, ist vollkommen unklar. Mit dem Sachverhalt konfrontiert, leugne sie jegliche Schuld, so Strube. „Wir haben den Fall bei der Polizei angezeigt, die nun ermittelt.“

Es müsse zweifelsfrei geklärt werden, ob nicht in den Jahren vor 2011 weitere Urnen ein ähnliches Schicksal ereilte, die auf die „Grüne Wiese“ sollten.  „Es ist für uns ein Rätsel, was im Kopf unserer ehemaligen Mitarbeiterin vor gegangen ist“, schüttelt Amtsleiter Holger Goldschmidt den Kopf. Und ebenso rätselhaft sei der Lagerungsort der Urnen über die Jahre. „Wir haben regelmäßige Arbeitsschutzkontrollen im Friedhofsgebäude gemacht. Da war nichts.“ Und dennoch  fand man die Urnen plötzlich in dem Schrank.

Für Wolfgang Ruland, Obermeister der Bestatterinnung Sachsen-Anhalt, ist das ein  „ungeheuerlicher Vorgang“, der einzig und allein in Verantwortung der Stadt Barby liege. „Der Fall ist für mich einmalig. Landesweit und ich glaube auch bundesweit“, sagt Wolfgang Ruland.