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Auszeichnung Wenn alte Studenten im Internet ulken

Karin Braune leitet als Seniorenstudentin eine Online-Gruppe. Für die wurde ihr jetzt der „Goldene Internetpreis“ verliehen.

Von Elisa Sowieja 04.11.2015, 00:01

Magdeburg l „Gehen Sie mal mit Ihrem Smartphone auf den QR-Code hier. Der führt zu unserer Internetseite.“ Solche Sätze sagt Karin Braune häufiger. Und als Jungspund, der sie zum ersten Mal erlebt, muss man dann zwangsläufig grinsen. Mit ihren 71 Jahren plaudert sie wie selbstverständlich über Internetdienste wie Skype und Google Docs, einmal sogar über ein soziales Netzwerk, von dem man selbst noch nie gehört hat.

Braune ist ja auch nicht erst seit gestern im Netz unterwegs. 2010, zu dieser Zeit war sie schon sechs Jahre lang Seniorenstudentin, hat sie an der Otto-von-Guericke-Universität die Leitung der damals frisch gegründeten Online-Gruppe „Magdeburger Halbkugeln“ übernommen. Das Besondere: Sie vereint alte und junge Studenten. Gemeinsam basteln sie an Projekten rund ums Thema Mediennutzung. Sie bauen Bildcollagen am Computer, produzieren Hörspiele und drehen kurze Filme. Die Ergebnisse stellen sie auf ihre Internetseite.

Das Konzept hat die Magdeburgerin für den „Goldenen Internetpreis“ eingereicht, einen bundesweiten Wettbewerb für ältere Internetnutzer – und prompt gewonnen. Am Montag wurde sie in Berlin als einer von sechs Siegern ausgezeichnet. Preisgeld: 800 Euro.

„Das nehme ich natürlich nicht für mich!“, stellt Braune hastig klar. Dann lächelt sie. „Damit unternehmen wir etwas Schönes in der Gruppe.“ Zu der gehören momentan sieben Senioren und drei junge Studenten der Medienbildung. Letztere lassen sich die Mitarbeit bei den „Halbkugeln“ über zwei Semester als Kurs anrechnen.

In die Treffen bringen sie ihr technisches Know-how ein, etwa bei Bildbearbeitung oder Filmschnitt. „Wir können aber auch etwas weitergeben“, sagt die Frau im 22. Semester: „Lebenserfahrung!“

Auf das Verhältnis zu den Jungen ist Braune besonders stolz: „Bisher hat jeder von ihnen ein drittes Semester drangehangen, obwohl es nicht angerechnet wird.“ Das liegt vermutlich auch daran, dass die Alten einen ausgeprägten Sinn für Humor haben. Erst neulich haben sie den wieder in einem Filmchen bewiesen. Thema: SMS-Parken.

In der Hauptrolle: die Gruppenälteste – mit 92 (!) Jahren. Handlungskern: Die Protagonistin saust unter preiswürdigem Mimikspiel mit ihrem Flitzer durch die Stadt. Am Zielparkplatz angekommen, spaziert sie an einer genervten Schlange vorbei, an deren Beginn ein hipper Muskelshirtträger im Schneckentempo einen Parkautomaten mit Kleingeld füttert. Lässig zückt sie ihr Smartphone und holt sich ihren Parkschein per SMS. Der Rest guckt dumm aus der Wäsche. Abspann.

Dieses Video hat Karin Braune übrigens auch für den Wettbewerb eingereicht. Bestimmt ein dicker Pluspunkt.

Als sie sich vor elf Jahren an der Uni einschrieb, hatte die Magdeburgerin eigentlich etwas ganz anderes im Sinn als das Internet. „Ich wollte schon nach der Schule Psychologie studieren“, erzählt sie. „Nur leider hat es damals mit dem Studienplatz nicht geklappt.“ Also entschied sie sich für Ökonomie und arbeitete später in der Stadtverwaltung.

Als Braune dann mit 60 in Rente ging, schrieb sie sich sofort an der Uni ein. Die passende Fachliteratur lag schon zu Hause. „Die hatte ich über die Jahre in meiner Freizeit gelesen.“ Ihr Faible für Psychologie-Bücher ging sogar soweit, dass sie sich damals vom Begrüßungsgeld Sigmund Freud und Alfred Adler kaufte.

An ihre erste Vorlesung als Seniorenstudentin dann erinnert sich die heute 71-Jährige noch gut. „Da hatte ich schon ein bisschen Herzklopfen.“ Um nicht aufzufallen, setzte sie sich im Hörsaal in eine der letzten Reihen. Doch schon zwei Wochen später, sagt sie, war die Aufregung verflogen.

Damals besuchte sie noch zwei bis drei Psychologie-Vorlesungen pro Woche. Durch ihre Online-Gruppe ist es inzwischen nur noch eine. „Wir sind schließlich viel unterwegs, zum Beispiel zu Dreharbeiten“, erklärt die Magdeburgerin. Doch das ist Zeit, die sie sich gern nimmt: „Die neuen Studenten in unserer Gruppe sind mir immer auf Anhieb sympathisch“, schwärmt sie. „Über die Jahre haben sich sogar Freundschaften entwickelt.“

Eine solche Freundin wohnt in Leipzig. Mit ihr hat Karin Braune regelmäßig Kontakt. Selbstverständlich nicht per Brief. „Wir skypen.“

Die „Magdeburger Halbkugeln“ finden Sie unter: uni-halbkugeln.weebly.com