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CDU, SPD, Grüne Unwetter ziehen über Kenia

Am Freitag wollen CDU, SPD und Grüne den Koalitionsvertrag festzurren. Droht die Koalitionsbildung noch zu platzen?

14.04.2016, 23:01

Magdeburg l Was waren das vor zwei Wochen noch für Töne? Eine „innovative“ Koalition kündigte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) an. Es gebe keine Dissenspunkte, die sich nicht ausräumen lassen würden. CDU, SPD und Grüne könnten ein Bündnis schmieden, dass ein Vorreiter für die politische Landschaft in Deutschland werden könne, hatte Haseloff vor den Koalitionsverhandlungen gesagt.

Das war am 1. April und alles andere als scherzhaft gemeint. Nun muss er darum kämpfen, dass die Kenia-Koalition zustande kommt.

Die Zeit des Sonnenscheins ist erst einmal vorbei. Es sind zwei heftige Unwetter über Kenia heraufgezogen. Das erste am Dienstag: Die Wahl des Landtagspräsidenten und seiner Stellvertreter gilt als Formalie. Doch Linken-Politiker Wulf Gallert fällt im ersten Anlauf als Vize durch.

Die Grünen sind stinksauer: Teile der CDU-Fraktion hätten den AfD-Kandidaten Daniel Rausch als Vize mitgewählt, nicht aber Gallert, heißt es. Die Demokratie sei in Gefahr, twittert Grünen-Landtagsabgeordneter Sebastian Striegel. Fraktionschefin Claudia Dalbert spricht von einer „massiven Belastung einer möglichen Zusammenarbeit mit der CDU.“

Harte Worte. Doch es wird deutlich: Den Grünen ist die Abgrenzung von der AfD genauso wichtig wie die Verantwortung zur Regierungsbildung. Das ist Teil der grünen DNA – und die soll auch die CDU bei einem Bündnis mittragen. Beim ersten Test – mitten in den Koalitionsverhandlungen – geht das gründlich schief. Die Grünen vermissen „Verlässlichkeit“. Einige vermuten, dass Teile der CDU mit einer Zusammenarbeit mit der AfD liebäugeln und eine Minderheitsregierung bevorzugen.

Diese Theorie wird am Mittwoch weiter genährt. Bei einer Kundgebung in Magdeburg demonstrieren 500 Bauern, Jäger und Forstleute dagegen, dass das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt möglicherweise an die Grünen gehen soll. In der ersten Reihe: CDU-Landtagsabgeordneter Markus Kurze – neben einem Plakat, auf dem es heißt: „Kein Ministerium an die Grünen! Dalbert verhindern!“

Wieder kracht es gewaltig. Kurze ist parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Auch Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) bekundet seine Solidarität.

Grünen-Landeschefin Cornelia Lüddemann schäumt: „Ich bin entsetzt. Darüber wird zu reden sein.“ Andere sprechen von „Chaostagen bei der Union“ oder von „Hetzen oder koalieren? Die CDU muss sich entscheiden“. Dalbert nennt den Auftritt von Kurze einen „deutlichen Dämpfer“ für die Koalitionsverhandlungen.

Der CDU-Politiker kann die Aufregung um seine Person nicht verstehen. „Ich kümmere mich um die Ängste und Sorgen der Menschen, unserer Wähler. Ich habe nur mein Grundrecht wahrgenommen, mich an einer Demo zu beteiligen“, sagt er am Donnerstag. Er habe den Eindruck, sein Auftreten werde aufgebauscht.

Im Koalitionsausschuss am heutigen Freitag sollen die Wogen geglättet werden. Das wird nicht einfach: Denn neben der Aufarbeitung der vergangenen Tage droht auch ein Streit um Inhalte und Personal. Es gebe „eine ganze Menge inhaltlicher Dissenspunkte“, heißt es. Kita-Kosten, Elbeausbau, Braunkohle-Ausstieg, Autobahnen – jetzt kommen die dicken Brocken auf den Tisch. Eigentlich durfte jede Arbeitsgruppe nur drei ungeklärte Themen „nach oben“ in den Koalitionsausschuss geben. Das hat nach Informationen der Volksstimme nicht überall geklappt: Allein in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Umwelt gibt es zehn Dissenspunkte.

Das Haus von Minister Hermann Onko Aeikens (CDU) ist außerdem im Zentrum eines weiteren Konflikts: Sowohl die Basis der CDU und als auch die Basis der Grünen melden Ansprüche an.

Heute soll auch erstmals über Personalien gesprochen werden. „Mit dem Auftritt von Kurze hat die CDU das Thema automatisch auf die Tagesordnung gehoben“, heißt es bei den Grünen. Die Partei fordert neben dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt noch ein zweites Haus. „Unverschämt und unverhältnismäßig“ sei diese Forderung angesichts des Wahlergebnisses von 5,2 Prozent, kritisiert Gerd Mangelsdorf, CDU-Kreischef im Jerichower Land. Er sagt: „Wenn es dazu wirklich kommt, kann ich bei uns auf dem Parteitag für gar nichts mehr garantieren.“

Die CDU will ihre Mitglieder nächste Woche Freitag über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen, SPD und Grüne entscheiden am Tag danach. Die Erwartungshaltung bei vielen in der Union ist klar. CDU-Landrat Uwe Schulze formuliert es so: „Die Basis erwartet die Handschrift der CDU im Koalitionsvertrag. Es darf nicht der Schwanz mit dem Hund wackeln.“

Ex-Landtagsfraktionschef André Schröder sagt: „Das Bild des Marienkäfers darf sich nicht wiederholen.“ Der Marienkäfer – viel Rot mit schwarzen Punkten – galt nach der Wahl 2011 als Symbol dafür, dass die CDU der SPD deutlich mehr Zugeständnisse gemacht hatte, als es das Wahlergebnis eigentlich zuließ.

Dass die nächsten fünf Jahre in einer Dreier-Konstellation alles andere als einfach werden, ist den meisten bei CDU, SPD und Grünen bewusst. Ein CDU-Politiker unkt: „Die Kenia-Koalition kann eine spaßige Sache werden. Da wird es manch einen Tanz unter der Palme geben.“