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Abwasserkosten Kanalbau muss nicht teuer sein

Brandenburg schafft die teuren Kanalbau-Beiträge ab. Auch Sachsen-Anhalts Koalition wollte das hier ermöglichen. Doch es wird geblockt.

Von Jens Schmidt 11.12.2017, 00:01

Magdeburg l Für Klärwerk und Kanäle müssen die meisten Hausbesitzer in Sachsen-Anhalt bislang Baukosten-Beiträge zahlen. Da sind für ein Einfamilienhaus schnell zwischen 2000 und 6000 Euro fällig. Es gäbe eine sanftere Alternative: Die Kosten fürs Kanalnetz werden über die Monatsgebühren für Abwasser und Wasser beglichen. Die Gebühren zahlt jeder, ob Besitzer oder Mieter, und so wird die Finanzlast auf alle Verbraucher verteilt.

Andere Bundesländer machen das schon so. Sachsen-Anhalts Koalition versprach 2016, das hier auch zu ermöglichen. Doch die Parteien – voran die CDU-Fraktion – stehen auf der Bremse. Dabei hatte das Innenministerium bereits im Frühjahr 2017 eine Gesetzesformulierung vorgeschlagen. Doch da der einflussreiche Städte- und Gemeindebund „Bedenken“ und vor allem die CDU in der Gemeindepolitik das Sagen hat, passierte nichts. In den Kommunalverwaltungen hat man offenbar wenig Lust auf neue aufgeladene Diskussionen zum strittigen Thema Abwasser. Deren „Sorgen“: Man weiß angeblich noch nicht so recht, wie man mit jenen umgeht, die bereits Beiträge bezahlt haben.

Nun: Nachbarländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zeigen, wie der Systemwechsel funktioniert. Dort dürfen die Kommunen selbst entscheiden, ob sie zum Gebührenprinzip wechseln. Gemacht haben das etwa Rheinsberg sowie der Trink- und Abwasserverband Gransee. Die für beide Kommunen zuständige Geschäftsführerin Anke Freitag fällt ein klares Urteil: „Das neue System ist besser, weil es gerechter ist und es kaum noch Streitigkeiten gibt.“ Und was passiert mit jenen, die schon Tausende Euro Beiträge überwiesen hatten? Ganz einfach: Der Verband zahlte den Besitzern ihr Geld zurück. Immerhin 18 Millionen Euro. Dafür nahm der Verband Kredite auf. Dafür sind 1,4 Prozent Zinsen fällig. Doch das ist vergleichsweise wenig, in den 90er Jahren hätten die Banken dafür 8 Prozent verlangt. „Insofern ist die Zeit für eine Umstellung jetzt günstig“, sagt Freitag.

Fallen die hohen Beiträge weg, müssen die Gebühren etwas steigen, um die laufenden Kosten und die Investitionen zu finanzieren. Bei einem familientypischen Verbrauch von 100 Kubikmetern im Jahr sind für Wasser und Abwasser jetzt 742 Euro fällig. Vor der Umstellung waren es 85 Euro weniger. „Da muss man durch“, sagt Geschäftsführerin Freitag. „Aber das kann man gut begründen.“ Zuvor wurden durch die hohen Baukosten-Beiträge der Grundstücksbesitzer die Gebühren niedriger gehalten. Das bevorteilte die Mieter. „Jetzt ist es ausgeglichen.“ Schließlich haben alle Einwohner etwas davon, wenn Abwässer geklärt werden.

Für den Bundesverband der Grundstücksnutzer sind solche Kommunen wie in Brandenburg beispielgebend. „Wir fordern seit langem eine komplette und flächendeckende Gebührenfinanzierung“, sagt Verbandssprecher Holger Becker in Berlin.

Auch Sachsen-Anhalt Interessenverband Haus und Grund findet die Gebührenlösung besser. Vor allem: Wenn in einigen Jahren die Klärwerke erneuert werden – oder aber die oft überdimensionierten Anlagen verkleinert werden müssen, könnten die Hauseigentümer erneut mit hohen Beiträgen zur Kasse gebeten werden. „Wir befürchten das", sagt Landeschef Holger Neumann.

In vielen Verwaltungen und in der Rechtsprechung herrscht allerdings die Auffassung vor: Kommt der Anschluss, steigt der Grundstückswert – davon profitiert der Eigentümer, weswegen er auch mehr zahlen soll. Darüber kommt es immer wieder zu juristischem Streit. So haben in Sachsen-Anhalt Tausende für viel Geld voll erschlossenes Bauland gekauft - und mussten danach dennoch Kanalbaubeiträge zahlen. Oder: Voriges Jahr wurden 80.000 Haushalte und Betriebe zu Zahlungen gezwungen, obwohl die Kanalbauten schon 15 Jahre und länger zurückliegen. Dagegen laufen noch Klagen beim Bundesverfassungsgericht.

In Sachsen-Anhalt sind die Hürden für einen Wechsel aufs Gebührensystem bislang sehr hoch. Geschafft hat es etwa Magdeburg, weil an jedem Kanal Tausende Haushalte hängen und selbst moderate Gebühren ausreichen, um alles zu finanzieren. Auf dem Lande sieht es anders aus: Die Kosten langer Kanäle müssen von relativ wenigen Haushalten eingespielt werden.

Die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen einigte sich in ihrem Koalitionsvertrag daher auf einen salomonischen Weg: Die Kommunen können sich künftig frei entscheiden, welches System sie wollen. Dazu sollte das Kommunale Abgabengesetz geändert werden. Im Mai 2017 unterbreitete das Haus von Innenminister Holger Stahlknecht den Fraktionen einen Formulierungsvorschlag. „Doch die CDU hatte noch Klärungsbedarf", erinnert sich SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben. Und was meint die CDU im Dezember? „Es gibt noch Abstimmungsbedarf zwischen den Koalitionspartnern", sagt Innenpolitiker Chris Schulenburg. So? „Wir haben nichts gegen die Gesetzesänderung – im Gegenteil", sagt Erben von der SPD. Auch die Grünen wollen sie. Selbst die Linken in der Opposition sind dafür.

 

Beim Verband Haus-und Grund wundern sich einige schon lange über die Union.  Eigentlich ticken die Mitglieder ja eher konservativ: Doch in vielen Fragen trifft der Verband mit seinen Problemen bei der Linken auf mehr Verständnis als bei der CDU.

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