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Alltagskultur Archiv "Zettelwerk" in Halle ist einzigartig

Das Archiv Zettelwerk der Kunsthochschule Halle wächst. Statt Wegwerfgegenstand sind hier Zettel authentische Zeugen der letzten 100 Jahre.

03.02.2019, 09:07

Halle/Berlin (dpa/sa) l Zettel, wohin das Auge schaut. Schnell verzettelt? Der Eindruck täuscht. Hier wird akribisch gesammelt. Die Zettel als Momentaufnahmen der jeweiligen Zeit bekommen ein "Begleitschreiben". Darin stehen Informationen zu Was? Wann? Und woher? Es sind die Geschichten hinter den Objekten. Das Projekt heißt "Zettelwerk" und ist ein Archiv für Alltagsdrucksachen in Halle.

"Begonnen haben wir 2013 und jetzt sind es rund 5000 Objekte, darunter Kassenzettel, Gebrauchsanweisungen sowie Urkunden und Ausweise", sagt die Professorin für Kommunikationsdesign der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Anna Berkenbusch. "1000 Objekte sind eingescannt und somit digital erfasst. Und es wird weiter gesammelt, das ist ein stetiger Prozess." Berkenbusch erinnert sich: Ausgangspunkt war eine Studienfahrt nach England, an die Universität Reading bei London. Dort gibt es eine derartige Sammlung von Alltagskultur schon seit vielen Jahren.

Durch Impressionen aus Reading beeindruckt, schloss sich eine Gruppe von Studierenden des Kommunikationsdesigns zusammen und entwickelte erste Ideen zur Gründung eines eigenen Archivs. Dieses nannten sie Zettelwerk, wie die ehemalige Studentin Lea Sievertsen berichtet. Heute ist die Sammlung die Grundlage für ständig neue Studienprojekte wie Grundlagen-Workshops, Plakat- und Website-Gestaltung und Texte.

Der Fundus erstreckt sich auf einen Zeitraum von über 100 Jahren. Gesammelt wird unter anderem aus den Bereichen: Produktzettel, Verpackungen sowie Reise und Alltag. Der älteste Zettel ist ein königlicher Jagdschein aus Flensburg von 1905. "Aus der Zeit der Bundesrepublik und der DDR gibt es naturgemäß viele Fundstücke", sagt Berkenbusch. "Jeder kann uns seine Alltagsdrucksachen bringen und es gibt auch Objekte, die aus Haushaltsauflösungen oder der Entrümpelung von Dachböden stammen." In Tüten umhüllt und in säurefreien Archivkartons verpackt, wächst so das Zettel-Archiv für die Nachwelt.

"Die Idee, Alltagsgrafik zu sammeln, die sonst weggeworfen wird, ist interessant. Deshalb gab es auch zur Stadtausstellung in Halle eine Kooperation mit der Kunsthochschule", sagt die leitende Kuratorin beim Berliner Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Renate Flagmeier.

Aber warum dieses Archiv? "In Zeiten der Digitalisierung steigt offenbar das Interesse am Analogen", sagt einer der Unterstützer und damaliger Hochschulmitarbeiter, Ferdinand Ulrich. "Busfahrscheine, Kinotickets und Straßenbahnfahrscheine sind im Moment ihres Gebrauchs unscheinbare Dinge, aber heute sind sie spektakulär, weil sie mit Geschichten von Menschen verbunden sind."

Ein weiterer Grund für das Bewahren: Der Alltag verändert sich schneller als in früheren Zeiten. Ein Zettel ist eine authentische Zeitreise und erzählt Dinge, welche Geschichtsbücher kaum nennen. Was wäre, wenn es Zettelsammlungen aus der Antike und dem Mittelalter gäbe? Wie viel mehr würde uns an Informationen zur Verfügung stehen?

Ein Problem gibt es aber: "Der Platz für das Archiv wird langsam knapp und wir suchen nach neuen Räumlichkeiten", sagt Berkenbusch. Bis jetzt ist noch alles in einem Raum in der Hochschul-Bibliothek untergebracht.

Für die Öffentlichkeit ist ein Teil der Zettelsammlung in der Ausstellung "täglich geöffnet" vom 7. März bis zum 31. März 2019 im Volkspark Halle zu sehen.