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Arbeitsmarkt Zehn Jahre ohne Henkel in Genthin

Vor zehn Jahren zog sich Henkel aus Genthin zurück. Das erschütterte die Region. Heute gibt es mehr Arbeitsplätze als zu Henkel-Zeiten.

Von Simone Pötschke 02.08.2018, 01:01

Genthin l 2000 Menschen gingen in Genthin im Juli 2008 auf die Straße, um für den Erhalt des Henkel-Standortes zu kämpfen. Unter ihnen Fritz Franke, Genthiner Henkel-Betriebsratsvorsitzender, und Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU), heutiger Ministerpräsident.

Zehn Jahre später: Fritz Franke ist heute Ruheständler. Er geht gedanklich noch einmal die Strecke entlang, die der Demo-Zug damals nahm. Bewegte Zeiten und eine Menge Erfahrungen verbindet er damit. Fernsehteams rissen sich um Interviews mit ihm, schlaflose Nächte – einfach irre, erinnert er sich. Heute kann er entspannter durch die Straßen Genthins gehen. Ein Blick auf das ehemalige Henkel-Gelände, auf dem sich ein moderner Industriepark etabliert hat, versöhnt ihn: „Ich freue mich wirklich, wenn ich sehe, was hier entstanden ist. Mittlerweile stehen hier deutlich mehr Mitarbeiter in Arbeit als zu Henkel-Zeiten.“

Mit Henkel gingen 240 Arbeitsplatze verloren, nahezu doppelt so viele haben die Unternehmen geschaffen, die sich hier in den vergangenen Jahren angesiedelt haben. Ministerpräsident Reiner Haseloff führte vor zehn Jahren als Wirtschaftsminister Gespräche zur Zukunft des Standortes, stellte sich aber auch den aufgebrachten Genthiner Henkel-Mitarbeitern, denen der Verlust des Arbeitsplatzes drohte.

Die Politik habe auf solche Unternehmensentscheidungen nur begrenzt Einfluss, machte er schon vor zehn Jahren klar. Dennoch sagt er heute: „ Wir haben erreicht, dass Alternativen gefunden wurden und der Standort sich weiterentwickeln konnte. Im Chemiepark Genthin ist auch nach dem Rückzug von Henkel nie das Licht ausgegangen. Trotz mancher Rückschläge hat er eine positive Entwicklung genommen.“ Genthin habe gezeigt, dass es sich lohne, um einen Industriestandort zu kämpfen und für Neuansiedlungen zu werben.

Haseloff spricht damit auch die unruhigen Jahre nach dem Henkel-Weggang an. Das Werk wurde zunächst an die Hansa Group verkauft, es wurde weiter produziert und im Millionen-Bereich investiert. 2012 ging eine neue Tensid-Anlage in Betrieb. Allerdings geriet die Hansa Group danach finanziell in Schieflage und stellte im Juli 2014 einen Insolvenzantrag. Im November kauften die Alambeigi-Brüder mit der Gemini Holding das Werk. Im Frühjahr 2015 gab es eine Razzia im Waschmittelwerk Genthin und an anderen Standorten der insolventen Hansa Group. Die Alambeigi-Brüder wurden vorübergehend verhaftet. Sie sollen Bilanzen gefälscht haben. Im Mai 2015 meldete auch die Gemini Holding Insolvenz an.

Die Insolvenzen der Unternehmen, räumt heute auch Genthins ehemaliger Bürgermeister Thomas Barz (CDU) ein, waren lange Zeit ein Problem für Genthin. Barz sieht das Rezept für das Überleben des Industrieparks darin, dass die Unternehmen untereinander sehr gut vernetzt seien und sich gegenseitig unterstützen.

Für die Vermarktung des Industrieparks Genthin engagiert sich heute unter anderem die landeseigene Investitions- und Marketinggesellschaft. So werden Flächen und Bestandsimmobilien bei Messen und Unternehmensansprachen regelmäßig angeboten. Zudem findet sich der Industriepark in einer Online-Standortdatenbank. Diese Bemühungen waren erfolgreich.

So hat sich beispielsweise 2014 mit finanzieller Förderung des Landes in Höhe von über vier Millionen Euro, das Gesamt-Investitionsvolumen betrug 18 Millionen Euro, die Solvay P&S GmbH angesiedelt. Damals entstanden 30 neue Arbeitsplätze. Das Unternehmen stellt in Genthin Spezialtenside für Wasch- und Putzmittel sowie Körperpflegeprodukte her. Neben Solvay zählen Sinamas Cepsa und die Inprotec AG zu den Großen des Industrieparks.

Sinarmas Cepsa betreibt in Genthin eine Sulfieranlage. Rohstoffe zur Waschmittelherstellung und zum Einsatz in der Körperpflege werden hergestellt. Die Inprotec AG produziert Granulate und Pulver. 2010 investierte das Unternehmen 7,5 Millionen Euro in eine neue Neutralisations- und Kristallisationslinie zur Herstellung eines Flammenschutzgranulats. Die AG beabsichtigt auch zukünftig, in den Ausbau des Standortes Genthin im Millionenbereich zu investieren. Insgesamt sind elf Unternehmen angesiedelt, die mehr als 400 Fachkräfte beschäftigen. So kann es ruhig weitergehen“, meint Ex-Betriebsratsvorsitzender Fritz Franke.