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Ausstellung Exportschlager Magdeburger Recht

Das Kulturhistorische Museum Magdeburg präsentiert die „Faszination Stadt“ und den Siegeszug des Magdeburger Rechts in Europa.

Von Massimo Rogacki 30.08.2019, 01:01

Magdeburg l Städte sind eine Erfolgsgeschichte. Bis heute sind sie Kristallisationspunkte kulturellen Lebens, Handelsplätze und Orte der Kommunikation. Es beginnt im Europa des hohen Mittelalters. Dort nimmt die Erfolgsgeschichte der Siedlungsform ihren Ausgang, setzt der Boom der Städte ein.

Am Sonntag, 1. September, startet für Besucher die große Ausstellung im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg. Sie will diese „Faszination Stadt“ vermitteln. Dabei rückt sie die Ausbreitung des Magdeburger Rechts – ein wahrer Exportschlager unter den Stadtrechten – in den Mittelpunkt.

In rund 1000 Städten und Ortschaften in Mittel- und Ostmitteleuropa strahlte es aus. Und galt als „Garant für Aufschwung und Erfolg“, wie es im Kurzführer zur Ausstellung heißt. Das Magdeburger Recht stand für bürgerliche Freiheiten und städtische Selbstverwaltung. Bei strittigen Fragen konsultierten die Städte den Magdeburger Schöffenstuhl. Touristen, die heute die Altstädte von Stettin, Kiew oder Lwiw erkunden, können vielerorts Spuren des Magdeburger Rechts entdecken.

Um die „Faszination Stadt“ aufleben zu lassen, sind in den vergangenen Wochen Objekte aus Museen in Ost- und Mitteleuropa auf die Reise gegangen. 1000 Kilometer und mehr. Kuriere der Museen behielten sie dabei im Blick. Derweil warteten in Magdeburg die Restauratoren gespannt. Kontrolliert wurde, ob die Stücke den Transport gut überstanden haben. Sehr aufgeregt sei sie bei der Öffnung der Kisten gewesen, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Christina Link. An den kommenden 155 Ausstellungstagen werden über 400 Exponate auf 1200 Quadratmetern im Kulturhistorischen Museum präsentiert. Darunter Handschriften, Gemälde, Skulpturen, Schmuck oder archäologische Funde. Die Sonderausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Etat ist beachtlich. Über drei Millionen Euro kamen von Land und Bund, von Sparkassen und Stiftungen.

Eines der Highlights der Schau: Die vier herausragenden illustrierten Handschriften des Sachsenspiegels, des bedeutendsten Rechtsbuchs des Hochmittelalters, von Eike von Repgow. Die Ausbreitung des Magdeburger Rechts ging Hand in Hand mit der Ausbreitung des Sachsenspiegels, der Regelungen zu Land- und Lehnrecht enthielt. In der Forschung hat sich für beide die Bezeichnung „sächsisch-magdeburgisches Recht“ durchgesetzt. Zusammen waren die Sachsenspiegel-Handschriften seit über 25 Jahren in keiner Ausstellung zu sehen. Für Gabriele Köster, Direktorin der Magdeburger Museen, „eine Sensation“. Bei jeder einzelnen der Handschriften komme es schon selten vor, dass sie überhaupt auf Reisen gehe.

Besucher werden sie nicht für die gesamte Dauer der Ausstellung zu Gesicht bekommen – eine Vereinbarung des Museums mit den Leihgebern, Bibliotheken in Heidelberg, Oldenburg, Dresden und Wolfenbüttel. Die Handschriften sind zu empfindlich. Hochwertige Faksimiles ersetzen sie zum Ende der Ausstellung. Besucher sollten das als Anreiz begreifen, die Schau gleich mal in den ersten Wochen anzusteuern.

Zu entdecken gibt es allerdings noch viel mehr. Etwa eine Steintafel aus dem Rathaus von Buda aus dem 13. Jahrhundert. Eine Leihgabe aus dem Ungarischen Nationalmuseum in Budapest. Die Inschrift auf der Tafel fordert dazu auf, den Zuzug von Bürgern und Gästen zu bejubeln, Sünder aufzunehmen und die Rechtschaffenden zu belohnen.

Damit gibt sie Aufschluss darüber, was das Konzept Stadt bedeutete. Die Stadt sollte ein sicherer Ort sein, ein Ort, an dem sich Zuwanderer mit unterschiedlicher Herkunft niederlassen konnten. Kaufleute, Handwerker oder Arme sollten (zumindest in der Theorie) in ihr leben können. An anderer Stelle gezeigt wird die Statue von Themis, der Göttin der Gerechtigkeit, aus dem 18. Jahrhundert. Sie stand im Rathaus in Kiew – das Magdeburger Recht war auch dort Ende des 15. Jahrhunderts eingeführt worden.

Aus dem polnischen Toruń kommt ein Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert, das im Rathaus für die Vereidigung von Zeugen und Prozessbeteiligten genutzt wurde. Zu begutachten gibt es auch ein imposantes Zepter und den Ring der Krakauer Bürgermeister.

Imposant auch die Schöffenbank aus dem 13. Jahrhundert. Mit Ausnahme von Möbeln aus Klöstern oder Kirchen haben sich wenige derartige Stücke aus dem hohen Mittelalter bis heute so gut erhalten. Die ausgestellte Schöffenbank gehörte vermutlich zur Erstausstattung des alten Berliner Rathauses. Etwas gruselig: Die Prenzlauer „Schwurhände“. Die beiden mumifizierten Hände sollen der Legende nach den Prenzlauer Bürgermeistern Klaus Beltz und Zabel Grieben gehört haben. 1425 hatten sie die Einnahme der Stadt durch die Pommernherzöge ermöglicht. Nach der Rückeroberung durch den Markgrafen von Brandenburg wurden sie zum Tode verurteilt. Die abgetrennten Schwurhände illustrieren den Verrat und das grausige Schicksal der beiden. Ob all das eher Legende denn Wahrheit ist – schaut man sich am besten in der Ausstellung an.

„Faszination Stadt“ reiht sich in eine Vielzahl von herausragenden Mittelalter-Ausstellungen im Kulturhistorischen Museum in den vergangenen Jahren ein. Eine reine Mittelalter-Ausstellung will man indes nicht bieten, sagt Kuratorin Link.

Erzählt wird vom Erfolgsmodell Stadt. Die ersten Gründungen gab es in der griechischen und römischen Antike. In Magdeburg zu sehen ist außerdem der womöglich älteste Stadtplan der Welt, der Plan des antiken Nippur, im heutigen Irak. Die Tontafel veranschaulicht, dass bereits die Menschen im Alten Orient ein Bedürfnis nach Orientierung im städtischen Raum und bestimmten Strukturprinzipien besaßen. Der Plan, um 1400 vor Christi Geburt entstanden, ist bereits äußerst präzise.

Fazit: Der Besucher erfährt in einer sehr gut kuratierten Ausstellung viel Wissenswertes über den Austausch und die Vernetzung der Städte untereinander. Nach einem ersten Ausstellungsteil zur Entstehung der Städtelandschaft taucht er ein in die Sphären der Stadt. Es geht um die Geschichte des Rechts in Stadt und Land. Andere ebenfalls erfolgreich verbreitete Stadtrechte werden nicht ausgespart. Eine Stadtführung der besonderen Art soll die Ausstellung nach Ansicht der Museumschefin darstellen. Und das ist auch so.

Interessant: Die Städte haben keineswegs ihr eigenes Süppchen gekocht. In vielerlei Hinsicht steht Europe hier schon eng zusammen. Die Verständigung klappte über Grenzen hinweg. Schriftstücke zeugen von der vitalen Kommunikation der „Tochterstädte“ mit Magdeburg.

In den Archiven der ost- und mitteleuropäischen Städte wurden diese Dokumente erhalten. An die Geschichte des Magdeburger Rechts am Ort der Entstehung musste sich die Forschung über Sekundärquellen herantasten. Das Schöffenarchiv in Magdeburg ist im Dreißigjährigen Krieg 1631 verbrannt.