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Auszeichnung Mit viel Herzblut gegen den Trend

Kleine Buchhandlungen im Land versuchen, den großen Ketten und dem Online-Handel die Stirn zu bieten. Wie sich zeigt, erfolgreich.

Von Grit Warnat 29.08.2017, 01:01

Halberstadt/Magdeburg l Thomas Borchmann ist Vater von drei Kindern. Mit Herzblut verkauft der Buchhändler das, was er selbst seinen Kleinen zu lesen geben würde. Borchmann arbeitet in einem Laden für Kinder. „Junior“ heißt die liebevoll gestaltete Buchhandlung gleich um die Ecke vom Halberstädter Rathaus. Im November 2015 wurde sie eröffnet – zu einer Zeit, als Buchhändler schon längst gegen den Online-Versand kämpften.

In Sachsen-Anhalt hatten damals 20 Buchhandlungen dichtgemacht. Das lag weniger an der Online-Konkurrenz als am Alter der Chefs, die einst Geschäfte aus dem Volksbuchhandel weitergeführt hatten und dann in Rente gingen. Nachfolger – Fehlanzeige.

Trotzdem hatten sich in jenem Jahr Cornelia Bürger und Wiebke Borschinsky entschieden, gleich neben ihrem 2003 übernommenen Buchladen für die „Großen“ mit „Junior“ einen für Kinder und Jugendliche aufzumachen. Den beiden Müttern von kleinen und größeren Kindern gehe es um Leseförderung, sagen sie unisono, um das Begeistern fürs Buch in jungen Jahren. Und sie denken voraus: Wen einmal das Lesefieber gepackt hat, der könnte auch irgendwann Kunde im Laden nebenan sein.

Anerkennung gibt es durch leuchtende Kinderaugen und wiederkommende Jugendliche, sagen sie. Jetzt aber auch durch einen Preis. Am Donnerstag gehört „Junior“ zu insgesamt 117 kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen, die in Hannover von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet werden.

Offen ist noch der Auszeichnungsgrad und damit die Höhe des Preisgeldes. Minimal sind es 7000 Euro. Doch die beiden Geschäftsführerinnen wissen schon, wofür sie das Geld einsetzen: Für ihre Leseförder-Projekte. Da gibt es den Bilderbuchsonntag oder die Sprachförderkiste speziell für Kindergärten. Zum Welttag des Buches hatte Thomas Borchmann letztens 30 Schulklassen betreut. Er kümmert sich um den Lesezirkel für Mädchen und Jungen der 5. bis 12. Klasse. Sie schreiben auf, wie ihnen ein Buch gefallen hat. Die 12 Besten landen als Tipp für andere in einem Flyer.

Geehrt wird in Hannover auch Helga Weyhe aus Salzwedel. Mit 95 Jahren ist sie die älteste Buchhändlerin Deutschlands. Sie erhält den erstmals vergebenen Sonderpreis, der für langjährige und herausragende Verdienste um den deutschen Buchhandel vergeben wird. Grütters selbst wird die Laudatio halten auf die Frau, die seit 1965 in der Salzwedeler Innenstadt Bücher verkauft.

Es ist das emsige Kümmern um Kundschaft, das persönliche Gespräch, das kleine, oft alteingesessene Buchhandlungen dem Internet entgegensetzen.

Das muss wieder zunehmend geschätzt werden, denn der Kunde scheint sich doch rückzubesinnen auf den Buchhändler vor Ort. Beim Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels waren im vergangenen Jahr 80 sachsen-anhaltische Buchhandlungen Mitglied, 2015 waren es 84. Man spricht von einer Stabilisierung. Doch das Geschäft bleibt schwer. Cornelia Bürger nennt den Wegzug in der Region. Zudem gibt es im Buchmarkt nicht nur ein Ost-West-Gefälle, sondern auch ein Stadt-Land-Gefälle, konstatiert das Geomarketing-Unternehmen „Nexiga“. Das analysiert alljährlich den Buchmarkt. Vor allem im Osten Deutschlands würden die jährlichen Ausgaben für Bücher rund 20 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von aktuell 103,70 Euro liegen.

Wer da überleben will, braucht ein Alleinstellungsmerkmal. Das sagt Wolfram Wahle. Seine Buchhandlung in Magdeburg, die 2016 von Grütters mit dem Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurde, setzt – das hat Tradition in dem 176 Jahre alten Buchhaus – auf Regionalliteratur. Das geht bis hin zum Nachdruck bestimmter Titel. „Das Wichtigste aber bleibt das persönliche Gespräch, das Empfehlen“, sagt der Buchhändler. Sein Geschäft lebt wie viele der Inhabergeführten von der Stammkundschaft. Man kennt sich und damit die Geschmäcker. Das ist wichtig, um aus dem Meer der Neuerscheinungen das richtige Sortiment zu ordern.

Viele Kleine präsentieren ihren Laden auch immer stärker im Internet. Facebook, Twitter, Bestellservice. Bis Spätnachmittag bestellen und das Gewünschte reist schon in der Nacht in den Laden. „Wir werben sehr gezielt mit dieser Schnelligkeit“, sagt Wiebke Borschinsky. „Übertroffen werden wir da nur von der Apotheke.“