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Auszeichnung Preis für Firmenchefin Anika Fehse

Anika Fehse aus Hohenwarthe im Jerichower Land ist mit dem Unternehmerinnenpreis Sachsen-Anhalts gewürdigt worden.

Von Bernd Kaufholz 21.10.2017, 01:01

Magdeburg l Draußen, an der Bürotür, die zum Betriebshof führt, lehnen zwei Hufeisen. „Die bringen Glück“, lächelt Anika Fehse, als sie zu ihrem dicksten Brummi - dem 30-Tonnen-Sattelschlepper geht. „Und außerdem haben sie etwas mit meinem Hobby zu tun.“ Dazu später mehr.

Ein Mitarbeiter des Transportunternehmens mit Sitz in Hohenwarthe spritzt den Lkw sauber. „Muss doch schön aussehen“, sagt die 36 Jahre alte Unternehmerin. „Wir können doch beim Kunden nicht mit einer Drecklaube vorfahren.“

Dann klettert sie ins Fahrerhaus des Trucks mit der weißen „FEHSE“-Aufschrift und setzt sich für ein Foto hinters Lenkrad. „Allerdings darf ich nur Lkw bis 7,5 Tonnen fahren. Da springe ich auch schon mal ein, wenn kurzfristig ein Fahrer ausfällt.“ Aber einen Führerschein zu machen, der es ihr erlauben würde, Groß-Tonner zu fahren, dagegen habe sie sich bisher gesträubt. „Dann sitze ich ja nur noch auf dem Bock. und bin unterwegs“

Anika Fehse hat gestern Abend den Unternehmerinnenpreis des Verbandes selbstständiger Frauen Sachsen-Anhalts in der Kategorie „Mehr als fünf Mitarbeiter“ erhalten. Die Freude war groß, denn „als Chef wird man ja eher selten von außen gelobt“, sagt sie.

Wenn die Auszeichnung dazu beitrage, dass sich die Personalsituation entspannt und neue Mitarbeiter den Weg zu ihr fänden, dann hätte sich die Ehrung mehr als gelohnt. Denn die chronische Unterbesetzung macht auch dem mittelständischen Unternehmen zu schaffen. „Und die Not wird noch größer, weil von der Stammbelegschaft demnächst einige in Rente gehen.“

Vorgeschlagen wurde sie von der Industrie- und Handelskammer. „Ich habe einen Anruf bekommen, da wurde ich auf die Bewerbungsunterlagen hingewiesen: Bitte ausfüllen!“

25 Jahre lang führte ihr Vater den Betrieb. „Am 1. April 1990 - also noch zu DDR-Zeiten - hat sich mein Vater selbständig gemacht“, denkt sie zurück. „Er hat sich ein Pferd zugelegt und ist mit ,Hans‘ für die Forst in den Wäldern um Hohenwarthe unterwegs gewesen, um Bäume zu transportieren.“

Doch irgendwann habe es mit dem Auftraggeber nicht mehr geklappt. „Mein Vater hat den ersten Lkw gekauft. Die Geburtsstunde des motorisierten Fuhrbetriebs.“

Stück für Stück wurde aus der alten LPG ein Fuhrunternehmen. Die Kuh- und Schweineställe verschwanden, aus dem Schafstall wurde eine Werkstatt, in der heute Lkw in Eigenregie repariert werden können. Dort legt die gelernte Kfz-Elektrikerin, die vor ihrer Selbstständigkeit bei Mercedes in Magdeburg gearbeitet hat, manchmal selber Hand an.

2015 übergab der Senior das Unternehmen an seine Tochter. „Zuvor hatten wir schon vier Jahre parallel gearbeitet.,“ so die Preisträgerin. „Er hat mich überall hin mitgenommen und Schritt für Schritt an die Aufgaben herangeführt.“

Was sie besonders am heute 66 Jahre alten Vater schätzt, ist, dass er sich nach seinem Rückzug aus dem Geschäft „in keiner Weise einmischt“. „Er hat ohne Wenn und Aber akzeptiert, dass ich die Geschicke der Firma lenke. Aber wenn ich mir mal unsicher bin oder Fragen habe, kann ich jederzeit zu ihm kommen.“

Anika Fehses Arbeitstag beginnt zwischen 5 Uhr und 7.30 Uhr. „Während dieser Zeit kommen die Aufträge, die ich am Vorabend mit den Fahrern abgesprochen habe, den Feinschliff“, erzählt sie.

Das Aufgabenspektrum der GmbH ist vielfältig. Es reicht vom Aufstellen von Silos, gefüllt mit Putz bis hin zu Transporten von Schüttgut und Baumaschinen. Und das Sachsen-Anhalt-weit. Manchmal auch darüber hinaus.

„Wir waren zum Beispiel beim Rollfeldbau auf dem Flughafen Hannover dabei. Die IKEA-Großbaustelle in Magdeburg haben wir mit Fußboden-Beton beliefert.“

Die Bürozeit am Computer geht mit dem Schreiben von Angeboten weiter. Allerdings räumt die 36-Jährige ein, liege ihr der direkte Kontakt zu den Kunden mehr. „Da gibt es immer mal Gesprächsbedarf. Man sollte sich auf den Baustellen und in den Büros der Kunden immer mal sehen lassen - Kontaktpflege.

„Ab mittags kümmert sich die Geschäftsführerin um die Aufträge für den nächsten Tag - sie telefoniert und schreibt E-Mails. „Am frühen Nachmittag werden die Aufträge sortiert und den 14 Fahrzeugen zugeordnet.“ Bis die Fahrer gegen 17.30 Uhr, 18.30 Uhr von ihren Touren zurück kommen, beschäftigt sich Anika Fehse mit Zahlen - Buchhaltung.

Die Firmen-Chefin deutet auf eine Urkunde, die hinter ihrem Computerplatz im Büro hängt. Der Existenzgründerpreis 2014. Darauf ist, vom Landrat des Jerichower Landes unterzeichnet, zu lesen: „Die Jury erkennt mit dieser Auszeichnung die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens seit der Gründung am 1. 11. 2011 an.“

Unter der Urkunde steht seit heute die 20 Zentimeter große Skulptur des polnische Künstlers Martin Molenda. Die zwei geschwungenen Säulen symbolisieren den Weg von zwei Frauen. Den ersten Teil gehen sie gemeinsam, danach gabeln sich die Säulen. Der Unternehmerinnenpreis 2017.

Dass in Deutschland viel weniger Frauen in führenden Positionen zu finden seien, liege daran, dass die Grundbedingungen, um Familie, Kinder und Beruf in Einklang zu bringen, viel schlechter seien, als in anderen Ländern. Häufig fehle immer noch das Verständnis dafür, dass Frauen nicht nur hinter dem Herd stehen wollen. Dann fügt sie nachdenklich hinzu: „Aber manchmal fehlt den Frauen auch der Mut, ins kalte Wasser zu springen und sich im Job stärker zu engagieren.

Wenn ich meine Mama und Schwiegermama nicht hätte, würde ich das auch nicht schaffen“, sagt die Mutter eines zehn Jahre alten Sohnes und einer drei Jahre alten Tochter.

Das zweite Kind sei eigentlich bald nach dem ersten geplant gewesen. „Nachdem ich dann unsere Firma übernommen hatte, war die Sache eigentlich vom Tisch. Aber wie es im Leben so ist ...“

Sie zeigt auf eine Stelle hinter dem Bürotresen in Sichtweite ihres Arbeitsplatzes. „Da stand das Laufgitter. Und dort hat die Kleine so manche Stunde gespielt, wenn ich gearbeitet habe.“

Geschäftsführerin einer GmbH mit zehn Mitarbeitern, Ehefrau und doppelte Mutter. Das Wort „Freizeit“ zu benutzen, verbietet sich wohl in solch einem Fall von selbst.

Irrtum.

„Wir sind Pferdenarren“, sagt die Unternehmerin des Jahres 2017. „Wir haben zwölf sächsisch-thüringische im Stall. Schwere Warmblüter, wie sie auch die englische Queen vor ihren Kutschen hat.“

Und Stolz schwingt in ihrer Stimme mit, als sie sagt: „Einer unserer Hengste steht sogar im sächsischen Landesgestüt Moritzburg.“

Vornehmlich halte die Familie die Tiere zur Zucht. „Aber hin und wieder nehme ich auch mal an Fahrturnieren teil.“ In diesen Fällen steigt die Vorsitzende des Reitvereins Lostau (Jerichower Land) vom Diesel- auf den Haferantrieb um, von 220 Pferdestärken auf zwei.

Doch die Pferde sind nicht die einzigen Tiere, die Familie Fehse im Stall hat. „Die Herde Mutterkühe ist ein prima Ausgleich für meinen Papa. Die Landwirtschaft hat ihm geholfen, loszulassen.“

Urlaub sei schön, sagt Anika Fehse. Aber nach einer Woche bekomme sie Heimweh“, sagt die Frau, deren Urgroßeltern schon im Elbe-Dorf gelebt haben. „Ich muss unseren Kirchturm sehen, sonst bin ich nicht froh.“ Und dagegen kann selbst das Skigebiet am Wilden Kaiser in Österreich auf die Dauer nicht bestehen.

Der Unternehmerinnenpreis wurde durch AMU, den Verband selbstständiger Frauen in Sachsen-Anhalt, zum 11. Mal vergeben. Mehr als 50 Frauen hatten sich beworben.


Preisträgerinnen sind:
Kategorie Mehr als fünf Mitarbeiter: Anika Fehse, Ulrich Fehse Transport-, Handels-, Lagerungs- und Dienstleistungsgesellschaft Hohenwarthe (Jerichower Land),

Bis zu fünf Mitarbeiter: Anke-Christin Bodemann, „Kornliebchen“ Vollkornspezialitätenbäckerin, Fladerie und Café, Halle, Sandra Fischer, Kaufmännische Leiterin „Q-fin GmbH“ (IT-Informationstechnologie), Magdeburg, Wiebke Rößler, Sonderpreis des Ministeriums Wissenschaft und Digitalisierung für die „Gründerin des Jahres 2017“, Saalekreis.

Schirmherr des 11. Unternehmerinnenpreises war Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

Gewürdigt wurden: besondere unternehmerische Leistungen, herausragendes Engagement, Schaffung und Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, innovative Geschäftsideen mit Vorbildcharakter.