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Webel gewinnt aus formalen Gründen den Streit um freihändige Vergabe / Kläger schaltet EU ein Bahnurteil: Freispruch zweiter Klasse

Von Jens Schmidt 07.12.2012, 02:22

Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) darf den milliardenschweren Bahnvertrag freihändig vergeben. Das Gericht wies die Beschwerde eines bayerischen Konkurrenten zurück - aus formalen Gründen. Der lässt sich das nicht bieten und schaltet die EU-Wettbewerbshüter ein.

Magdeburg l Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg von gestern werden wohl auch in den nächsten 16 Jahren auf den wichtigsten Strecken Sachsen-Anhalts die rot lackierten Regionalzüge der Deutschen-Bahn-Tochter DB-Regio rollen. Dem Konzern wird für diese Dienstleistung bis 2028 mehr als 1,3 Milliarden Euro aus den Steuerkassen überwiesen.

Wettbewerber kommen nicht zum Zuge. So wollte es der Verkehrsminister. Er hatte den Vertrag freihändig, also ohne Ausschreibung und Bieterwettbewerb im November 2011 vergeben. Ein Bahn-Konkurrent klagte. Und scheiterte gestern. Allerdings aus rein formalen Gründen, da der Konkurrent, das nordbayerische Bahnunternehmen NBE Regio aus Augsburg, seine Beschwerde nicht formgerecht formuliert hatte. Ob Webel in der Sache richtig lag - damit habe sich die Kammer daher gar nicht erst befasst, teilte das Gericht mit.

NBE Regio will das nicht auf sich sitzen lassen. Firmen-Anwalt Clemens Antweiler zeigte sich nach dem Gerichtsbeschluss kämpferisch: "Wir werden mit allen rechtlich zulässigen Mitteln dafür kämpfen, dass dieser Vertrag keinen Bestand hat." Eine Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission in Brüssel laufe schon. "Dort wird man sicher genau hinschauen, ob es hier noch unabhängige Richter gibt oder ob Deutschland auf einer Stufe steht mit Staaten wie Weißrussland oder der Ukraine."

Grüne Europafraktion spricht von Mauschelei

Die Grünen im Europäischen Parlament sowie im Landtag wollen ebenfalls Beschwerde bei der EU einlegen. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher im Europäischen Parlament, meint: "Das europäische Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten, Verkehrsverträge zugunsten der Fahrgäste und Steuerzahler anstatt zum Vorteil von nationalen Großunternehmen zu vergeben. Die Mauschelei in Sachsen-Anhalt führt genau zum Gegenteil."

Verkehrsminister Webel hingegen fühlt sich bestätigt. Die freihändige Vergabe ist seiner Ansicht nach nicht nur rechtens, sondern auch richtig, da die Bahn dem Land eine Offerte macht, die Sachsen-Anhalt nicht ausschlagen sollte. Neue Waggons und eine Preisersparnis von 43 Millionen Euro bietet die Bahn AG, wenn das Land die Signale für den Staatskonzern sofort auf Grün stellt.

Bessere Qualität zu günstigeren Preisen - und nur für kurze Zeit zu haben: das Gesetz nennt dies eine günstige Gelegenheit. Liegt die vor, darf freihändig vergeben werden. Webel fand, die lag vor. Schon nach dem ersten Verhandlungstag im Oktober hatte er gesagt: "Die freihändige Vergabe ist legal. Wer politisch etwas anderes will, muss das Recht ändern."

Ob Webel in der Sache recht hat, bleibt jedoch ungeklärt. Wieso?

Das Regionalbahnunternehmen NBE legte Ende 2011 Beschwerde bei der Vergabekammer in Halle ein. Sein Protest zielte zunächst allein gegen Sachsen-Anhalt. Doch da lag der Haken: Zwar liegen etwa 90 Prozent der Strecken auf hiesigem Gebiet - einige Linien aber reichen bis Braunschweig, Uelzen und Wittenberge. Daher sind auch die Länder Niedersachsen und Brandenburg Mit-Auftraggeber. Die Vergabekammer meinte, dass sich die Beschwerde demzufolge gegen alle drei Länder hätte richten müssen. Und wies den Protest von NBE zurück.

Das Unternehmen reichte sofort eine neue, "korrigierte" Beschwerde ein - jedoch war nunmehr die Beschwerdefrist abgelaufen. Die Vergabekammer hatte mehr als vier Monate gebraucht, um zu einem Urteil zu gelangen.

Das bayerische Bahnunternehmen wehrte sich gegen den Entscheid der Vergabekammer beim Oberlandesgericht in Naumburg. Die Richter kamen jedoch zum Schluss, dass die Vergabekammer richtig entschieden habe. Formalien seien nun mal einzuhalten. "Das dient dem Rechtsschutz und der Rechtssicherheit", sagte Presse-Richterin Marianne Linsenmaier.