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Bauhaus-Jubiläum Von webenden Weibern

Gropius, Kandinsky, Klee - es sind vor allem diese Männer, mit denen man das Bauhaus verbindet. Vergessen werden dabei oft die Frauen.

Von Beate Hagen 05.10.2019, 23:01

Dessau l Walter Gropius, Wassily Kandinsky, Paul Klee – es sind vor allem diese Namen, mit denen man das Bauhaus verbindet. Vergessen werden dabei oft die Frauen, obwohl sie das Bauhaus entscheidend geprägt und mit ihren Entwürfen dazu beige-tragen haben, dass die Gestaltungsschule zu einer Ikone der Moderne wurde. Es sind Design-Klassiker wie die Teppiche und Wandbehänge der Weberin Gunta Stölzl oder die Teeservices und Leuchten der Metallgestalterin Marianne Brandt. Als Markenzeichen des Bauhauses sind diese und andere bekannte Entwürfe von Bauhäuslerinnen heute in vielen Museen und Kunstausstellungen zu sehen und werden immer noch nachgefragt.

Kurz nach der Gründung des Staatlichen Bauhauses im April 1919 in Weimar waren die Frauen noch in der Überzahl: 84 weibliche und 79 männliche Studierende hatten sich im Sommersemester eingeschrieben. Für viele dieser Frauen hatte sich mit der Immatrikulation die Chance aufgetan, einen kreativen Beruf zu erlernen, denn noch zu dieser Zeit war es für Frauen im deutschsprachigen Raum nicht leicht, Zugang zu Kunstakademien zu finden. Doch am Bauhaus befürchtete man nun, die Frauen würden den Männern die wertvollen Werkstattplätze wegnehmen, und Bauhaus-Gründer und -Direktor Gropius meinte gar, dass die große Anzahl von Frauen dem Ansehen der Schule schaden könnte. Man müsse sich „mit der Aufnahme von Damen zurückhalten“, empfahl er.

Der Meisterrat beschloss deshalb, Frauen nur noch in der Weberei aufzunehmen, in Ausnahmefällen auch in der Buchbinderei und der Töpferei. Getreu dem von Oskar Schlemmer geprägten Spruch „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib“ hielt man Frauen für ein Studium anderer Fächer wie der Architektur oder Malerei für ungeeignet. Frauen sei das zweidimensionale Sehen angeboren und könnten deshalb nur in der Fläche arbeiten, meinte Bauhaus-Meister Johannes Itten, und der Maler und Meister Paul Klee war sogar der Meinung, dass das Genie nur männlich sei.

Die Zahl der weiblichen Studierenden am Bauhaus nahm rapide ab. Im Sommersemester 1922 waren es noch 52 Frauen und 95 Männer, im Wintersemester 1924/25 34 Frauen und 68 Männer, im Wintersemester 1932/33 gab es am Bauhaus in Berlin nur noch 25 Frauen und 90 Männer.

Dass die Aufnahmepraxis im Widerspruch zur Programmatik des Bauhauses stand, störte die Meister offenbar wenig. Hatte doch Gropius selbst im Gründungs-Manifest des Bauhauses verkündet: „Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht.“ Und noch in seiner ersten Rede vor den Studierenden in Weimar proklamierte Gropius: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und dem starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker.“

Es gab jedoch eine ganze Reihe von Frauen am Bauhaus, die sich in der Männerwelt durchsetzen und ihre eigenen Wege gingen. Zu diesen Frauen gehörte auch Gunta Stölzl. Zwar war die Münchnerin auch „nur“ Weberin geworden, konnte sich aber in ihrem Fach schnell profilieren. 1924 wurde sie als Gesellin in der Bauhaus-Weberei eingestellt – ihr Gesellenstück war ein viel beachteter Teppich, der im Musterhaus „Haus am Horn“ in Weimar präsentiert wurde, – und bereits zwei Jahre später übernahm sie in Dessau als erste weibliche Lehrkraft die Gesamtleitung der Weberei.

Für das Bauhaus war es eine Sensation: Das erste, aber auch das letzte Mal in dessen 14-jähriger Geschichte war eine Frau eine vollwertige Meisterin geworden, allerdings nicht auf Betreiben des Meisterrates hin, sondern auf ausdrücklichen Wunsch der – weiblichen – Werkstattangehörigen.

Dank ihrer großen Kreativität und Energie gelang es Gunta Stölzl in Dessau, die Textilabteilung aus ihren dekorativen Anfängen zum professionellen Industriedesign weiterzuentwickeln und sie zu einer der produktivsten Werkstätten des Bauhauses zu machen. Die ersten Firmen orderten Bauhausstoffe, und die Textilwerkstatt übernahm Aufträge, so die Ausstattung des Cafés im Dessauer Friedrich-Theater mit Vorhängen und Wandbespannungen oder die komplette Textilausstattung der Gewerkschaftsschule in Bernau. Für das bauhauseigene Atelierhaus wurden Bettdecken angefertigt und für die Stahlrohrstühle des Bauhaus-Architekten und -Designers, Marcel Breuer, Textilbespannungen.

Als 1927 in Dessau eine eigene Architekturabteilung eingerichtet wurde, drohte die Textilwerkstatt aus allen Nähten zu platzen: Es mussten nun für alle erdenklichen Lebensbereiche des „Neuen Bauens“ innovative Textilien entwickelt werden: licht-absorbierende, abwaschbare Vorhänge, schallschluckende Wandbespannungen, reiß- und scheuerfeste Meterware. Präsentiert wurden die neuen Produkte auf Verkaufsausstellungen wie der Leipziger Messe. Die Weberei avancierte schließlich zu einem der finanziell erfolgreichsten und profitabelsten Bauhaus-Ressorts, oder, wie Gunta Stölzl bilanzierte, zur „am besten verdienenden Werkstatt“. Ihre Wandbehänge sind heute Bestandteil internationaler Kunstsammlungen und in großen Museen in New York, Cambridge/USA oder Basel zu sehen.

Auch der vielseitig talentierten Künstlerin Marianne Brandt gelang es, sich am Bauhaus durchzukämpfen. 1923 hatte die Chemnitzerin eine Ausbildung in der Metallwerkstatt begonnen und war in dieser Männerdomäne bereits drei Jahre später so erfolgreich, dass sie erste Beleuchtungskörper für das Dessauer Bauhaus-Gebäude entwarf. 1928 übernahm sie die Leitung der Metallwerkstatt. Zusammen mit dem Bauhaus-Studierenden Hin Bredendieck knüpfte sie von dort aus Kontakte zu den Firmen Körting & Mathiesen AG (Kandem) in Leipzig und Schwintzer & Gräff in Berlin. Gleichzeitig entwarf sie Beleuchtungskörper für die Serienproduktion.

Bei ihrer Gestaltung der Werkstücke legte Marianne Brandt großen Wert auf deren Funktionsfähigkeit. „Keine Kanne ist aus unserer Werkstatt gegangen, die nicht tropffrei goss“, schrieb sie später in ihren Erinnerungen. Als Gestalterin der Bauhaus-Avantgarde war Marianne Brandt bis zur Schließung des Bauhauses 1933 in ganz Europa präsent, nicht nur mit ihren Entwürfen. Denn Marianne Brandt schuf bis Anfang der 1930er Jahre neben einer Reihe experimenteller Fotografien etwa 50 Montagen. Rund 30 davon sind heute noch erhalten.

Offen protestierten die Bauhaus-Frauen nicht gegen die Ungleichbehandlung, dazu waren die Rollenmuster der Geschlechter zu sehr festgefügt. Auch die Frauen der Meister blieben meist im Schatten ihrer Ehemänner, obwohl viele einen erheblichen Anteil an deren Ruhm hatten. Rückblickend jedoch gab es Kritik. Die bedeutende Fotografin Lucia Moholy, die Frau des Bauhaus-Meisters László Moholy-Nagy, kritisierte in ihrer Biografie den „Meisterkult“ am Bauhaus und die Minderbewertung von weiblichen Leistungen, insbesondere der Meisterfrauen: „Es wäre nicht abwegig, wenn jemand sich entschlösse, etwas über die Rolle der Meisterfrauen zu schreiben, der Frauen der Bauhausmeister nämlich, die keinen offiziellen Status hatten und doch maßgeblich an der Geschichte und Nachgeschichte des Bauhauses beteiligt gewesen sind. Über die Meister selbst ist zu viel geschrieben worden, als dass hier von ihnen die Rede sein müsste.“

Auch Lucia Moholy hatte ihr Leben lang um Anerkennung kämpfen müssen, obwohl sie mit ihren Aufnahmen des Dessauer Bauhausgebäudes, der Meisterhäuser und der Bauhausprodukte das Image der Kunstschule nachhaltig geprägt und den Ruf der Schule in die Welt hinausgetragen hat. Mit ihren Bildern vermarktete Gropius das Bauhaus, aber Geld bekam Lucia Moholy für ihre Arbeit nicht – und um ihre Negative aus der Bauhaus-Zeit musste sie lange kämpfen.